Dieser Artikel erschien erstmals im November 2019.

Paco Rosa ist wie sein Opa und sein Vater der Totengräber am Gemeindefriedhof in Sa ­Pobla. Seit 26 Jahren ist er für die Wartung des Friedhofs ebenso verantwortlich wie für die Betreuung der Trauernden in der hochmodernen ­Leichenhalle. Meist bekommt der 49-Jährige, zu dessen Aufgaben auch die Umbettungen ­gehören, Unterstützung durch das ört­liche ­Bestattungsinstitut. Paco Rosa kümmert sich um 120 bis 140 Bestattungen im Jahr.

Herr Rosa, Sie sind in dritter Generation Totengräber von Sa Pobla. War das Ihr Traumjob?

Nein, geplant habe ich das nicht. Ich habe alles Mögliche gemacht, bevor ich hier anfing. Ich war unter anderem Kellner, Maurer und Klempner. Aber ich kannte natürlich den Beruf des Totengräbers von meinem Opa und meinem Vater. Als dann eine Stelle frei wurde, bot mir mein Vater an einzusteigen. Das habe ich gemacht. Ich war 23 damals.

Inwiefern hat sich der Job verändert, seit Ihr Großvater damit anfing?

Der Ruf hat sich sehr gewandelt. Früher war der Totengräber sehr schlecht angesehen. In der Kneipe wollte kaum jemand mit ihm reden. Heutzutage ist das anders. Die Leute kommen zu mir, wenn sie Fragen haben oder Rat brauchen. Und ich habe ganz andere Möglichkeiten als mein Opa. Allein schon die Leichen­halle, die wir seit neun Jahren haben und die den Trauernden mehr Privatsphäre bietet.

Wie hat sich Ihr Verhältnis zum Tod durch Ihren Job entwickelt?

Ich habe keine Angst vor dem Tod. Zum einen, weil er mit täglich begegnet. Zum anderen, weil ich weiß, was mit meinem Leichnam passieren wird. Ich möchte eingeäschert werden. Ich glaube, die meisten Menschen würden dasselbe wollen, wenn sie meinen Job hätten.

Wieso?

Nun, ich mache ja auch Umbettungen und muss viele Särge öffnen. Was man da sieht, ist nicht schön. Man wird in eine Kiste gelegt, und dann verfault man. Verbrannt werden ist da viel sauberer. In Spanien gibt es keine Friedhofspflicht für Urnen. Meine Verwandten können dann entscheiden, wo sie mich hinstreuen. Bei meinem Vater haben wir das auch so gemacht. Es war für ihn keine schöne Vorstellung, an seinem Arbeitsplatz beerdigt zu werden. Nun steht seine Urne im Haus meiner Mutter.

Lassen sich denn viele Menschen in Sa Pobla einäschern?

Genaue Zahlen kann ich nicht nennen, weil nicht wir dafür zuständig sind. Die Zahl ist in den vergangenen Jahren aber deutlich gestiegen. Ich schätze, dass rund ein Drittel sich dafür entscheidet. Vor allem bei Ausländern aus dem Norden, aus Deutschland oder England, ist das eine häufig genutzte Option.

Das Thema Umbettungen war in der ver­gangenen Woche durch die Überführung des Leichnams Francos ein Thema in den ­Medien. Wie laufen die Exhumierungen normalerweise ab?

Nun, ein Leichnam muss mindestens fünf Jahre im Grab bleiben, bevor er rausgeholt werden darf. Meistens macht man das, um Platz zu schaffen. Bei den Familiengräbern nehme ich die verbliebenen Knochen aus dem Sarg und tue sie in eine kleine Kiste, die dann wieder im Familiengrab gelagert wird. Bei den rund 70 gemeindeeigenen Gräbern müssen die Überreste nach fünf Jahren ohnehin umgebettet werden. Wenn sich kein anderes Grab findet, kommen die Knochen ins Beinhaus.

Wie gehen Sie mit den verschiedenen Religionen um? Haben Sie da Richtlinien?

In der ganzen Zeit, in der ich hier arbeite, habe ich noch nie einen Muslim begraben. Mus­lime schicken die Leichname in ihre ­Heimat. Ansonsten liegen hier Christen ebenso wie Atheisten. Gläubige aller Religionen können sich hier begraben lassen, wenn sie es wünschen.

Sie selbst haben zwei Kinder. Wie finden sie den Beruf ihres Papas?

Ja, ich habe Zwillinge, die neun Jahre alt sind. Sie wissen , was ich beruflich mache. Sie kommen auch ab und zu mit, wenn ich abends die Friedhofspforten abschließe.

Zeigen die Zwillinge Ambitionen, Sie irgendwann zu beerben?

Mein Sohn will immer mit mir tagsüber zur Arbeit gehen, aber ich verbiete es ihm. Mit mir wird die Familientradition der Totengräber zu Ende gehen. Ich will auf keinen Fall, dass meine Kinder diesen Job machen. Es ist eine ­Arbeit, die einen psychisch fertigmacht. Hier im Dorf kennt jeder jeden. Man begräbt Bekannte, Angehörige, Freunde. Allein aus meiner Generation habe ich schon mehr als die Hälfte begraben. Das nimmt einen mit, ob man will oder nicht.

Würden Sie den Job wieder machen, wenn Sie die Zeit zurückdrehen könnten?

Nein. Ich würde alles andere eher tun.

Geht es Ihren Totengräber-Kollegen aus ­andern Dörfern auch so?

Wir haben noch nie darüber geredet. Ich kann nur von mir sprechen. Wenn man ältere Menschen beerdigt, ist das eine Sache. Aber bei Freunden oder Kindern, denkt man noch lange darüber nach. Es ist schwer, das einfach abzuschütteln, wenn man nach Hause kommt. Und, wie gesagt, Sa Pobla ist ein Dorf. Wenn ich in der Bar sitze und meinen Kaffee mit jemandem trinke, der seinen Sohn verloren hat, frage ich mich die ganze Zeit: Erinnere ich ihn mit meiner Anwesenheit an den Tod seines Kindes? Das macht einen auf Dauer fertig.

Haben Sie nie daran gedacht, den Job zu wechseln?

Ja, aber ich bin fast 50. Wohin soll ich da in ­meinem Alter?