Es gibt Gesprächspartner, die man ein wenig ermuntern muss, von sich selbst zu erzählen. Und dann gibt es Roman Hillmann und Nermin Gönenc. Da reicht eine Einstiegsfrage, und es sprudelt für die nächsten zwei Stunden nur so heraus. Das umtriebige Pärchen ist auf gefühlt allen Veranstaltungen auf Mallorca zu Gast - ein Eindruck der den Facebook-Auftritt des 57-jährigen ehemaligen TV-Produzenten Hillmann nur noch bekräftigt. Da reiht sich Gruppenfoto an Selfie mit der Crème de la Crème der mallorquinischen Gesellschaft: von Ministerpräsidentin Francina Armengol über Galeristen-Legende Pep Pinya bis zu Erzbischof Taltavull, keiner ist vor dem quirligen und auffällig gekleideten Pärchen sicher.

„Sie tauchen überall auf, und keiner weiß so richtig, wer sie sind und was sie machen", sagt ein Pressesprecher aus dem Politikbetrieb. „Aber sie sind sehr sympathisch", fügt ein Künstler aus Palma de Mallorca hinzu.

Hillmann beschreibt die Anfänge ihrer beider Allgegenwärtigkeit ganz ähnlich. Als er kurz nach seinem Umzug auf die Insel im Februar 2018 die Vernissage einer deutschen Künstlerin besuchte, habe er überlegt, wie man in diese Welt hineinkomme. Und sich für eine zeitintensive, aber durchaus effiziente Taktik entschieden: einfach zu jeder Ausstellungseröffnung gehen. Und nicht etwa nur von Deutschen: „Wenn ich hier leben will, dann voll integriert", sagt er, und zwar weiterhin in den Bereichen, die ihm auch bisher wichtig waren: Kultur- und Sozialprojekte.

Nach einiger Zeit erweiterten die beiden ihren Radius auch auf die Politik. Am Anfang seien die Mallorquiner skeptisch gewesen, hätten sich gefragt, wer die beiden sind und was sie wollen. „Aber sie treffen uns immer wieder und sehen, dass wir keine Eintagsfliegen sind", sagt Sängerin Nermin Gönenc. Beim Bummel durch Palma de Mallorca würden sie inzwischen quasi ständig von Leuten gegrüßt, die sie gar nicht kennen, berichten sie. Geschicktes Etikettieren im Netz und das Wissen um die Like-Affinität von Politikern dürften dabei durchaus eine Rolle gespielt haben. Auf Facebook seien heute rund 3.500 seiner Freunde von der Insel, sagt Hillmann, viele Kontakte aus seinem früheren Leben habe er rausschmeißen müssen, um angesichts der maximal erlaubten 5.000 Freunde Platz zu schaffen.

Ohne das soziale Netzwerk wäre der Mann mit den weißen Locken wohl auch gar nicht auf der Insel gelandet. Vor 35 Jahren lernte er Gönenc auf einer Reise in Südfrankreich kennen, der Bonner und die Kölnerin wurden kurz ein Paar, verloren sich dann aus den Augen. Vor rund zehn Jahren suchte Hillmann seine Verflossene auf Facebook. Die heute 53-Jährige lebte - „zum Glück immer noch unter ihrem Mädchennamen!" - mit ihrem Sohn auf Mallorca. Als sie beide einige Jahre später wieder Singles waren, kam Hillmann erst zu Besuch und kurz darauf mit Sack und Pack auf die Insel.

Die beiden sind ein unterhaltsames Paar, fallen sich ins Wort und widersprechen sich, passen aber gerade deshalb Gönenc zufolge gut zusammen. „Ich bin eher der Innenmensch, Roman eher der Außenmensch." Es klingt hin und wieder durch, dass ihr die Selbstinszenierung nicht ganz so leichtfällt wie ihrem Partner. Der hat schon in Kinderschuhen gelernt, wie das System funktioniert: Hillmann wuchs im Bonner Regierungsviertel Godesberg auf, ließ sich für die Schülerzeitung bei der Bundespressekonferenz akkreditieren und wurde so seinen eigenen Worten zufolge zum „Maskottchen der Journalisten". Er habe dem politischen Who's who der 70er-Jahre die Hand geschüttelt, sagt er. Tatsächlich findet sich im Archiv des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel" eine verschwommen gescannte Kurzmeldung mit Foto, das den 11-jährigen Hillmann mit Bundeskanzler Willy Brandt zeigt.

Mit 17 fing er an, Theater zu spielen, mit 24 begann er beim ZDF eine Ausbildung zum Aufnahmeleiter und Produzent, war dann jahrelang bei diversen öffentlich-rechtlichen Sendern tätig. Er lebte in Paris, dann in Berlin, betrieb neben der Medienarbeit eigene künstlerische Projekte, arbeitete bei Wohltätigkeitsprojekten in Afrika. Das alles erzählt er in rasender Geschwindigkeit, zieht dazu Fotos aus der Tasche und springt von Geschichte zu Geschichte, bis er bei seiner Zeit auf Mallorca ankommt.

Was den beiden das Ganze denn nun bringt? Hillmann sagt's entwaffnend ehrlich: „Kurze Dienstwege." Die Sängerin mit türkischen Wurzeln ergänzt: „Es gibt ja auch Fördergelder." Diese wollen die beiden für ihre geplanten Kunst- und Sozialvorhaben nutzen. Dazu gehören Ausstellungen mallorquinischer Künstler in Deutschland oder die Unterstützung von Hilfsorganisationen hier auf der Insel. Beim ersten 1. FC Köln konnten sie eine Spende von 5.000 Euro für den Verein SOS Mamas herausschlagen, für eine geplante Schau von 15 Inselkünstlern in Berlin werden sie demnächst im Rathaus von Palma um Unterstützung werben.

Daneben wollen die beiden ab Februar jede Woche eine Sendung bei Radio Sputnik moderieren - auf Deutsch. Hillmanns Spanisch ist eher rudimentär, bei Ämtergängen auf der Suche nach finanzieller Unterstützung ist Gönenc die Wortführerin. Zu einem Sprachkurs haben sie sich in Campos, wo die beiden leben, zwar angemeldet, aber vor lauter sozialen Aktivitäten schlicht keine Zeit, auch hinzugehen. Für Hillmann, der immerhin fließend Französisch spricht, ist das aber kein Hindernis, mit den Einheimischen in Kontakt zu treten: „Ich rede dann einfach." Es gehe ihm nicht nur um die Präsenz, sagt er zum Abschluss, sondern es sei ihm wichtig, etwas zu bewegen, und dazu müsse man sich eben selbst viel bewegen. Man könnte wohl auch sagen: The show must go on.