Auf den Weichspüler würde Isabel Fernández Silvia (67) gern verzichten. „Die Chemikalien sind nicht gut für die Umwelt, und ich mag den Geruch nicht", sagt sie. Doch neben dem Waschmittel gehört eine Dosis Weichspüler nun mal zum Programm. Also wird sie ihre Wäsche mindestens drei Tage lang auf der Terrasse ihrer Dachgeschosswohnung in Palmas Stadtteil Foners aufhängen, bevor sie in die Wohnung kommt.

Wir treffen Isabel Fernández Silvia in einem Waschsalon im Carrer Ricardo Ortega, 38. Mehr als 20 Waschsalons zeigt Google Maps an, wenn man lavandaría autoservicio für das Gebiet Palma eingibt. Es sind seltsame Orte, die niemandem zu gehören scheinen, einzig überwacht von Kameras. Oft sind die Räume verwaist und doch zugänglich für jedermann. Sie ähneln sich.

Die runden Glasscheiben der Maschinen glotzen gegen Kachelwände, an denen Schilder in übergroßer Schrift erklären, wie die ­Apparate in Gang gesetzt werden. 5 Euro kostet eine zehn Kilogramm schwere Ladung, für 16 Kilo steckt man 6 Euro in die Geldschlitze. Ein Wechselautomat spuckt Münzen für Scheine aus. In einigen Salons liegen Zeitschriften, man kann sich einen Kaffee für 60 Cent und einen Schokoriegel für einen Euro ziehen. Auf den kahlen Plastik- oder ­Eisenstühlen in den Wartebereichen kommt man in Versuchung, in die sich drehenden Trommeln zu starren. Die darin bewegte Wäsche hat etwas Beruhigendes, als ob man in ein schaumiges Kaminfeuer schaut.

Isabel Fernández Silvia wollte Augusto Pinochet entkommen

Isabel Fernández Silvia setzt sich zu uns, ihr Hund Boldo holt sich eine Streicheleinheit ab. Sie hat ein Herz für Tiere. „Gestern habe ich bei der Asociación Protectora de Animales y Plantas eine Decke für Boldo gekauft", sagt sie. Darum sei sie heute hierhergekommen, ihre Waschmaschine zu Hause sei zu klein für diese Decke. Eigentlich wollte sie gleich weiter, um während der Waschzeit ihre Einkäufe zu erledigen. Doch nun erzählt sie uns ein wenig über sich. 1975 hat sie Chile verlassen, um der Diktatur von Augusto Pinochet zu entkommen. Sie hat in Paris, auf Ibiza und in Amsterdam gelebt, wo sie einen US-Amerikaner heiratete. „Der wollte eine Finca auf Mallorca kaufen, so sind wir hierhergekommen."

Das war 1980. Lange blieb sie nicht auf der Finca, sie trennte sich von ihrem Mann, zog in die Altstadt von Palma. „Mitte der 80er-Jahre waren viele der heute prächtig renovierten Stadtwohnungen verfallen. Dort wohnten Künstler, ein toller Mix aus intellektuellen Leuten." Dann kamen die Investoren, und mit ihnen stiegen die Mieten. Isabel Fernández ­Silvia arbeitete zunächst als Englischlehrerin an einer Schule, danach als Sozialarbeiterin für die balearische Regierung. „Foners ist sicher kein gehobener Stadtteil, hierher kommen keine Touristen, aber es ist sehr lebendig, das gefällt mir." Mit der Vollendung des Kongresszentrums und den Neubauten im ehemaligen ­Polígono de Llevant kämen nun auch hier wieder die Investoren. Diesmal bleibt sie. Die Dachgeschosswohnung hat sie sich gekauft.

Brasilianische Freundschaft

Wir verlassen Isabel Fernández Silvia und den Waschsalon in Foners und besuchen einen in Bons Aires. Er befindet sich im Carrer de Blanquerna, 54. Dort gibt es viele Restaurants und Bars, auf einer Bank vor dem Salon trinkt ein Mann Dosenbier. Eine Grundreinigung bei 60 Grad täte seinen Klamotten sicher gut. Eine ältere Dame und eine junge Frau betreten den Salon, holen ihre Wäsche aus zwei fertigen Maschinen und füllen damit zwei Trockner. Sie stellen sich als Wilma Ungarelli (83) und Silvia Cunha (30) vor. „Wilma ist eine Freundin von mir, ich helfe ihr mit der Wäsche", sagt Silvia Cunha, die eigentlich auf Formentera wohnt. Beide stammen ursprünglich aus Brasilien. Die 83-jährige Wilma Ungarelli kommt seit zwölf Jahren regelmäßig für neun Monate nach Mallorca, drei Monate im Jahr wohnt sie in Brasilien. „Ich habe hier zwei Nichten, die eine ist die Präsidentin der balearischen Vereinigung der Brasilianer", sagt sie stolz.

Über Sandra - so heißt die Nichte - habe man sich vor einigen Jahren auch kennen­gelernt. Silvia Cunha brauchte einen neuen Pass. Da es kein brasilianisches Konsulat auf Formentera gibt, erledigt die mit entsprechenden Vollmachten ausgestattete Sandra solche und ähnliche Formalitäten und kommt dafür auch auf die kleine Insel, die laut Silvia Cunha viel schöner als Mallorca sei. „Die Strände sind wunderschön, es ist ruhiger und familiärer dort", sagt sie.

Auf Formentera arbeitet sie als Kellnerin. Ihr gefalle der Job, da der Tourismus ein anderer sei als auf Mallorca. „Es kommen viele ­Italiener", sagt sie. „Auch ich habe die ita­lienische Staatsangehörigkeit!", wirft Ilma ­Ungarelli ein und kramt aus ihrer Handtasche zum Beweis ihren italienischen Ausweis hervor. Ihre Großmutter sei aus Bologna gewesen. Der Trockner piept, und die beiden Freundinnen beginnen gemeinsam, Bettlaken zu falten. Warum ist Silvia Cunha derzeit eigentlich auf Mallorca? „Ich mache hier einen Fotokurs und meinen Autoführerschein", antwortet sie. Auf Formentera gebe es keine Ampeln, darum kann sie ihn dort nicht machen. Die beiden verabschieden sich, um auf dem Heimweg noch eine caña (kleines Bier) zu trinken.

Noch schnell Geld nach Kolumbien schicken

Im Waschsalon White Foca in Son Armadams in der Avinguda de Joan Miró, 20, haben die Betreiber einen in Plastik eingeschweißten Artikel von „El Mundo" aus dem Jahr 2018 ins Schaufenster gehängt. Eine Familie könne bis zu 900 Euro im Jahr sparen, wenn sie statt zu Hause regelmäßig in einem Waschsalon wäscht, steht dort geschrieben. Laura Alzate Rodríguez (29) würde das glatt unterschreiben. „Ich spare Elektrizität, die Waschmaschinen sind viel größer, und Waschmittel muss ich mir auch nicht kaufen. Mal ganz abgesehen davon, dass ich die Wäsche zu Hause nicht aufhängen muss, und ich mir keinen Trockner kaufen möchte", sagt die Kolumbianerin, die seit ihrem zehnten Lebensjahr auf Mallorca lebt. Sie kommt regelmäßig in den Salon, heute erklärt sie ihrem Freund, wie das Waschen hier funktioniert, und schickt ihren chico anschließend zum Friseur nebenan. Sie selbst wolle noch kurz etwas Geld an ihre Oma in Kolumbien überweisen, komme aber gleich wieder.

„Manchmal verabrede ich mich spontan mit Freundinnen, wenn ich die Wäsche wasche", sagt sie, als sie zurück ist. Die Zeit zu nutzen, sei ihr wichtig. Im Sommer arbeitet sie als Kellnerin im Mirador Sa Foradada in Deiá. „Dort kann man den schönsten Sonnenuntergang Mallorcas sehen", wirbt sie. Viel Freizeit habe sie in der Hochsaison nicht. Im Winter dagegen genieße sie es, tun und lassen zu ­können, wann und wie sie es möchte. Der ­Besuch eines Waschsalons gehört für sie dazu. Man komme hier leicht mit Leuten ins ­Gespräch und plaudere ein bisschen. „Manchmal sogar mit jemandem von der Zeitung", sagt sie und lacht.