Das Ende der Menschenschlange, die an der Ausgabe der Sozialküche in Palma beginnt, ist nicht ersichtlich. Die Leute stehen um den ganzen Wohnblock an. Ein Mitarbeiter weist die Wartenden an, den Sicherheitsabstand einzuhalten. „Wir mussten die Schlange in eine andere Straße weiterführen, damit sich das Ende nicht wieder mit dem Anfang kreuzt", sagt Toni Bauzá, Leiter der unweit der Avenidas im Stadtviertel Foners untergebrachten Einrichtung. Dabei sei der Andrang an diesem Freitag (1.5.) noch gering. „Es ist Feiertag. Du müsstest mal an einem Montag kommen."

„Die Wirtschaftskrise wird mehr Menschen töten als das Virus selbst", prognostiziert Bauzá. Ähnlich sieht es Jesus Quilis. Er leitet die mallorquinische Lebensmittelbank im Großmarkt Mercapalma. „2008 kam die Krise nach und nach, diesmal ist sie auf einen Schlag da." Dabei hatte sich die Wirtschaft gerade erst erholt. „Vor fünf Jahren lag die Anzahl an Mallorquinern, die in Armut leben, noch bei 21 Prozent", sagt Quilis. „Vor der Corona-Krise waren es nur noch 15,4 Prozent, etwa 123.000 Menschen. Nun wird die Anzahl wieder signifikant steigen."

„Banco de Alimentos de Mallorca" steht zwar nicht im direkten Kontakt mit den Leuten, verteilt die Lebensmittel jedoch an die Tafeln. „Wir versorgen bis zu 19.000 Menschen pro Woche", sagt Quilis. Wobei die Krise auch die Lebensmittelbank getroffen hat. Die freiwilligen Helfer, meist älter als 65 Jahre, müssen daheim bleiben. Zu den drei angestellten Mitarbeitern gesellen sich sechs Helfer von der Balearen-Regierung. „Die haben für solche Fälle einen Notfall-Dienst. Da wir die Hilfe annehmen, weisen sie uns aber auch an, dass wir bis in die Dörfer liefern. So fahren wir zum Teil nach Inca, Valldemossa oder Artà. Das haben wir vorher nicht gemacht."

Drei Tonnen Lebensmittel verteilt die Organisation täglich. „Nach dem Ausbruch der Epidemie haben wir weniger Lieferungen bekommen. Zuvor waren wir bei vier Tonnen pro Tag, vor einem Monat nur noch bei anderthalb. Langsam haben wir uns wieder erholt." Derzeit sieht Quilis die Lebensmittelbank gut aufgestellt. „Doch mir graut vor der Zeit nach dem Alarmzustand. Wenn die Leute wieder uneingeschränkt auf die Straße dürfen, werden alle um Essen bitten. Für den Fall müssen wir unsere Lager füllen." Wie er das machen soll, weiß Quilis noch nicht. „Aber zur Not verbringen wir auch Wunder."

Die Lieferungen der Lebensmittelbank machen bei Tardor nur einen kleinen Teil der Gesamtvorräte aus , meint Tardor-Chef Bauzá. „Mit ihren Vorräten würden wir vielleicht eine Woche hinkommen." Vor der Krise hat die Tafel 450 Menschen versorgt. „Mittlerweile sind über 5.500 bei uns eingeschrieben." An der Essensausgabe warteten täglich zwischen 1.500 und 2.000 Menschen. „Und jeder holt Essen für die ganze Familie ab. Allein gestern haben sich 300 neue Bedürftige angemeldet", so Bauzá. Tardor funktioniert auf Spendenbasis. „In den vergangenen drei Wochen haben wir 20.000 Euro für Nahrungsmittel ausgegeben."

Bauzá prüft die Bedürftigen, checkt den Kontostand und das Einkommen. „Letztens kam eine siebenköpfige Familie zu mir, die 720 Euro pro Monat zur Verfügung hat. Das reicht kaum, um die Miete zu bezahlen. Wie sollen die davon leben?" Wer bei der Prüfung als „arm" eingestuft wird, erhält eine Nummer. Damit können die Bedürftigen einmal pro Woche zu einem festgelegten Zeitpunkt Grundnahrungsmittel abholen, die von den Mitarbeitern vorher eingepackt werden. „Die Ra­tion richtet sich je nach Größe der Familie."

30 ehrenamtliche Helfer beschäftigt die Organisation. Sie wirken erschöpft, sind aber stets freundlich. „Wir können aufgrund der Bestimmungen des Gesundheitsamtes keine weitere Hilfe annehmen. So muss jeder die dreifache Arbeit leisten", sagt Bauzá, der selbst zehn Stunden täglich unentgeltlich schuftet. Neben der Ausgabe der Lebensmittel kocht Tardor für jene, die selbst dazu keine Möglichkeit haben. „Meist sind das Obdachlose. Sie bekommen von uns drei Mahlzeiten pro Tag."

Die Leute in der Schlange zeigen sich wenig kommunikativ. Vielleicht ist es Scham, vielleicht die Ansteckungsgefahr. „Wenn wir uns nicht aufregen, wird sich nie etwas ändern", entgegnet der Argentinier Antonio Pérez einem mürrischen Mann, der ihn warnte, bloß nicht mit der Presse zu sprechen. „Jeder hier in der Schlange hat seine eigene Geschichte", sagt Pérez. Er ist Hausmeister in einem Hotel. Da dieses nicht öffnet, hat er keine Arbeit. „Ich bekomme nicht einmal Arbeitslosengeld. Das Gehalt meines Jobs ist so gering, dass ich mir in der Vorsaison auch keine Rücklagen ansparen konnte." Am Anfang konnte er immerhin noch selbst kochen. Als die Gasflasche leer war, ging auch das nicht mehr. Ohne Tardor hätte er nichts zu essen.

„Wenn sich nicht bald etwas ändert, wird es zu Unruhen kommen", befürchtet Bauzá. „Die Leute werden anfangen zu demonstrieren und mehr Hilfen fordern. Wenn diese ausbleiben, wird es gefährlich in den sozial schwachen Vierteln. Wir stehen gerade erst am Anfang der Krise." Bauzá geht dabei nicht nur mit dem Staat, sondern auch mit der Kirche hart ins Gericht. „Sie finanziert auf Mallorca gerade mal mit gut drei Millionen Euro die Caritas, gibt aber gleichzeitig Millionen Euro für Sendeplätze im TV und Radio aus, um über Gott und die Welt zu sprechen." Auch mit den Immobilien der Kirche wüsste der Mallorquiner Besseres anzufangen. „Viele stehen leer. Man könnte Obdachlosenheime daraus machen oder Sozialküchen. Oder die Häuser verkaufen und das Geld spenden."

Die Caritas hilft mit Centros de Distribución de Alimentos (CDA) aus. „Das sind wie kleine Supermärkte", sagt Sprecherin Begoña González. Sechs davon gibt es in Palma, sechs in den restlichen Gemeinden der Inseln. „Da wir keine Kühlschränke haben, können wir nur Lebensmittel lagern, die sich bei Raumtemperatur halten." Auch hier wird die Bedürftigkeit geprüft. Je nach Situation erhalten die Familien Punkte zugesprochen, die sie für die Lebensmittel ausgeben können. Seit dem Beginn des Alarmzustandes rationieren die Mitarbeiter die Lebensmittel und geben sie an die Bedürftigen aus. „Normalerweise hilft die Caritas 700 Personen im Monat." Neben dem Essen sind das auch andere soziale Leistungen. „Im vergangenen Monat sind 600 neue Fälle hinzugekommen, die zuvor nie bei der Caritas Hilfe beansprucht haben", so González.

Wegen der zunehmenden Nachfrage bittet Tardor um Spenden an das Konto ES07 0133 0149 6441 0000 2865. Zudem sind auch Lebensmittel und Hygieneartikel willkommen. Größere Mengen holt die Organisation ab (Kontakt: Tel. 610-04 61 05).

Der Lions Club braucht einen neuen Kühlwagen

Auch der deutschsprachige Lions Club Palma bittet um Hilfe für das Projekt „Comida para todos". Ein Mitarbeiter holt täglich in den Lidl-Filialen 700 Kilogramm Obst und Gemüse ab und verteilt sie dann an die Tafeln von Zaqueo, SOS Mamas, Mallorca Sense Fam und Can Gaza. Der Lkw hat schon über 400.000 km auf dem Tacho. „Kommt es zu einem Ausfall, ist das Projekt gestorben", heißt es in einer Pressemitteilung. Kann jemand mit einem gebrauchten oder neuen Kühl-Lkw aushelfen? Auch um Spenden wird gebeten. E-Mail: info@lionsclubpalma.com

Spendenkonto: ES62 2100 4379 6302 0005 0026