Als Christina Gerber ans Telefon geht, sind ihre ersten Worte: „Eine Stimme aus Mallorca, ich freu mich! Wir wären gerade eigentlich auch dort?..." Die 44-jährige gelernte Innenarchitektin lebt in einem Dorf in Oberfranken, hat aber permanent Sehnsucht nach der Insel. Im Schuljahr 2018/19 wagte sie deshalb mit ihrer Familie ein außergewöhnliches Experiment: ein ganzes Sabbatjahr auf Mallorca.

„Da denkt man erst mal an Urlaub. Das haben wir aber nicht wirklich gemacht", sagt Gerber. „Ich wollte in die spanische und mallorquinische Kultur eintauchen und sie meinen Kindern näherbringen." Also kaufte und sanierte sie mit ihrem Mann in Cala Millor ein Häuschen, während die beiden Kinder die örtliche öffentliche spanische Schule besuchten.

Ein Jahr Inselalltag für die Familie

Dass die Gerbers nicht auf Weltreise gingen, sondern sich auf einen neuen, geschäftigen Alltag einließen, erschien ihnen konsequent: Sie hatten bereits erfolgreich eine Immobilie auf der Insel gekauft, Gefallen am einheimischen Leben gefunden und überlegt, in der Rente sogar noch öfter auf Mallorca zu sein. Ein Sabbatjahr bot sich dafür als idealer Testlauf an.

Und: Die Kinder waren mit zehn und zwölf Jahren in einem Alter, in dem Versäumnisse in der Schule noch nicht so dramatisch sind. „Machen wir es, oder machen wir es nicht? Das ist am Ende die einzige Entscheidung", so Gerber. Sie taten es.

Die deutsche Nervosität ablegen

Gerber hat ein sehr persönliches Buch über die kleinen und großen Abenteuer dieser Zeit geschrieben: „Zuhause ist dort, wo Dein Herz wohnt - Ein Sabbatjahr auf Mallorca" (bei Amazon und Tolino als E-Book (9,99 Euro) und Taschenbuch (16,90 Euro) erhältlich). Darin hält sie die Erfolge und Rückschläge auf der Baustelle fest, das neu gestaltete Familienleben, vor allem aber jede Menge Anekdoten. Etwa den Tag, als sie einen Anruf bekam, nicht alles verstand und, das Schlimmste vermutend, nach Hause eilte - doch statt einer Strafzahlung vom Rathaus einen Blumenstrauß zum Geburtstag in Empfang nehmen durfte.

Die "deutsche Nervosität", die unnötige Aufregung über Nebensächlichkeiten, der Mallorquiner mit einem „Tú tranquilo" (Entspann dich) begegnen, ist für Gerber ein wichtiges Thema: „Man lernt hier, schneller zu reagieren, wenn etwas anders läuft, und Dinge auch mit Gelassenheit auszusitzen", sagt sie. „Wenn die Handwerker morgens nicht erscheinen, kann man erst mal nichts machen. Man kann dann überlegen: Ärgere ich mich jetzt die ganze Zeit oder gehe ich ans Meer, einen Kaffee trinken?"

Eine Lektion, die sie auf Mallorca gelernt habe, lautet daher: Zeit bewusst für Schönes nutzen, den Fokus auf Momente mit Familie und Freunden legen und die Energie für das Wesentliche aufsparen.

Die Kinder taten sich anfangs schwer

Auch sonst machte Gerber die Erfahrung, dass in Spanien vieles unkomplizierter ist - beispielsweise die Schulformalitäten. So habe ihr Sohn, der aus der dritten Klasse kam, ein Jahr überspringen müssen: „Geburtsjahr 2008, das heißt fünfte Klasse. Das Thema war damit schnell erledigt."

Obwohl der Zehnjährige auf Spanisch kaum mehr als „Hola" und „Qué tal" sagen konnte, schlug er sich wacker in Fächern wie Mathematik, Musik und Sport. Die ehrgeizige Tochter lernte Spanisch und Katalanisch, und brachte schon nach kurzer Zeit die ersten Freundinnen nach Hause. „Beide wurden relativ schnell einfach ,mitverhaftet' und in die Gruppe aufgenommen", sagt Gerber. Anfangs hätten sich die Kinder mit der Sabbatjahr-Entscheidung noch schwergetan. „Am Ende waren sie todunglücklich, als es dann hieß: Wir gehen zurück."

Die Zeit verging wie im Flug

Auch Gerber fiel die Rückkehr schwer, denn sie fühlt sich auf Mallorca zu Hause und aufgehoben: „Es fühlt sich freier an, weil man in Ruhe seine Sachen erledigen kann, ohne dass einem ständig jemand reinquatscht", erklärt sie. „Und alles, was man schafft, ist erst einmal toll: Man wird ständig gelobt; die Leute freuen sich, wenn man etwas erzählt."

Am Ende lief dennoch nicht alles nach Plan: Die Bauarbeiten verzögerten sich; als das Haus fertig war, musste die Familie quasi schon wieder die Koffer packen. Und während der Sanierungsphase blieb keine Zeit für die Suche nach alternativen Arbeitsplätzen auf der Insel, um das Jahr vielleicht doch noch zu verlängern. Die Kinder haben jetzt in Deutschland auf ihre Wunschschulen gewechselt und fühlen sich wieder wohl in der Heimat. Gerbers Mann tut das sowieso.

Gerber verfolgt nun ihre Tätigkeit als Autorin

Bleibt die Frage: Was mach ich denn jetzt? Ich kann ja nicht ewig Mallorca hinterhertrauern", sagt Christina Gerber. Sie verfolgt nun ihre Tätigkeit als Autorin. Dass ihr Buch über das mallorquinische Sabbatjahr eine

Mischung aus Erfahrungsbericht und Selbstreflexion geworden ist, sei den Reaktionen auf ihre zuvor verfassten Blogbeiträge zu verdanken: Dort hätten vor allem die nachdenklichen Töne einen Nerv getroffen. „Das hat wahrscheinlich mit dem Alter zu tun", sagt Gerber. „Um die 40 überdenkt man sein Leben noch mal und fragt sich: Was mache ich jetzt mit dem Rest?"

Das Buch geht der Frage nach, was mit einem selbst passiert, wenn man sich ein Jahr Auszeit nimmt. Dazu gehöre, dass man rigoros ausmistet. „Man setzt Maßstäbe neu: Was ist für mich wichtig und was nicht so sehr?", so Gerber. „Vielleicht hat das mit unserer Baustelle zu tun, auf der wir entrümpelt haben. Aber man entrümpelt auch innerlich."

Kontakt: www.buchvergnuegen.de