Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise treffen jeden in irgendeiner Form. In exis­tenzielle Nöte geraten dabei vor allem diejenigen, die nur einige Monate im Jahr Arbeit ­haben. Und das sind - neben Tausenden von Mallorquinern - auch einige Deutsche. Obwohl viele schon jetzt ihren Lebensstandard deutlich ­herunterfahren mussten, scheint das Schlimmste noch bevorzustehen.

Das befürchtet auch Kathrin*. Sie hat die Krise eiskalt erwischt. Eigentlich hat die 31-Jährige, die vor acht Jahren aus Deutschland nach Mallorca kam, ihre Finanzen immer genau im Blick. In einem Touristenrestaurant arbeitet sie von Frühjahr bis Herbst als Thekenchefin und kann im Sommer Geld zur Seite legen. „Ich habe zwei kleine Kinder und lebe getrennt, da rechnet man sich natürlich genau aus, was man braucht, um über den Winter zu kommen." Umso härter traf Kathrin der plötzliche Corona-Lockdown kurz vor Beginn der Saison; die Ersparnisse sind aufgebraucht, die einkalkulierten Einnahmen ab April bleiben aus. Zwar kommt sie derzeit durch Kurzarbeitergeld (ERTE), staatliche Unterstützung für die Kinder und ein Hilfsprogramm des Rathauses über die Runden. „Aber ich schulde meinem Vermieter noch immer eine halbe Monatsmiete, und sparen kann ich natürlich gar nichts. Der Knackpunkt kommt dann wahrscheinlich im nächsten Winter."

Der 27-jährige Peter* hat es noch schwerer. Er arbeitet im Sommer oft bei einer ­Auto­vermietung, hat aber keinen festen Vertrag und bekommt dementsprechend kein ­Kurzarbeitergeld. Seinen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat er in den vergangenen Wintermonaten ausgeschöpft. „Seit dem 10. April habe ich keinerlei Einnahmen. Und meine Mutter kann ich auch nicht um Geld bitten. Sie hat 30 Jahre lang im Tourismus gearbeitet, bekommt aber nur 700 Euro Rente", berichtet der UIB-Student. Leben auf Sparflamme sei derzeit angesagt, jeder Cent müsse umgedreht werden. „Ein paar Monate kann ich mich so über Wasser halten, vielleicht ein halbes Jahr. Was danach kommt? Keine Ahnung."

Auch Deutsche, die sich auf der Insel selbstständig gemacht haben, müssen teilweise um ihre Existenz bangen. Barbara Schneider von der Backstube Santanyí beispielsweise hat Umsatzeinbußen von 70 Prozent. Die meisten Stammkunden der Bäckerei sind Deutsche mit Zweitwohnsitz auf der Insel, die nicht kommen durften. Zudem liegt der Laden am Ortsausgang. „Meine Kunden wurden von den Polizisten immer nach Hause geschickt, da meine Bäckerei angeblich zu weit weg von ­ihrer Wohnung war", so Schneider. Zwar laufe das Geschäft langsam wieder an, das Schlimmste sei aber noch nicht überstanden, denn auch sie spare normalerweise im Sommer für den Winter. „November und Dezember werden schrecklich. Das wissen hier alle."

Viele Meiden die Tafeln

Trotz der Schwierigkeiten: Noch stellen sich kaum Deutsche in die immer länger werdenden Schlangen an den Tafeln auf Mallorca an. Hier warten neben Mallorquinern vor allem Festlandspanier, Latinos und Osteuropäer auf kostenlose Lebensmittel. Den Eindruck haben sowohl Yvonne Hepp von der Hilfsinitiative „Paguera helps Paguera" als auch Petra Steiner von „Comida para todos". „Deutsche tun sich eher schwer damit, öffentlich sichtbar um ­Essen zu bitten. Das macht man nur, wenn es wirklich gar nicht mehr anders geht", so ­Steiner. „Viele wurschteln sich noch irgendwie durch, aber das kann sich ändern."

Heimke Mansfeld von der Hilfsorganisa­tion „Hope Mallorca" erwartet ebenfalls, dass der große Ausbruch der Krise bei den deutschen Inselresidenten noch bevorsteht. „Der Deutsche ist generell vorsichtig und spart. Aber das Geld ist bald alle." Einen großen Rückschlag werde es geben, wenn die Kurzarbeit endet, prophezeit sie. „Eine große Insolvenzwelle bei den kleinen und mittelständigen Unternehmen wird kommen. Die wenigen Touristen, die bald einfliegen, können die ganzen Restaurants und Finca-Hotels nicht füllen. Die Wirte brauchen höchstens die halbe Belegschaft, dürfen ihre Angestellten aber sechs Monate lang nach der Kurzarbeit nicht entlassen."

Nur selten auf dem Amt

Dann könnten auch die Zahlen der Deutschen steigen, die sich bei Sozialämtern und Hilfs­organisationen melden. „Derzeit sind es nicht viele", sagt der Leiter des Sozialamtes in Llucmajor, Gabriel Rojo. „Die Deutschen sind weniger betroffen, da viele Saisonkräfte gar nicht erst gekommen sind oder schon wieder in die Heimat geflogen sind." Ähnliches berichtet auch die Sozialdezernentin im Rathaus von Sant Llorenç. „In unserer Gemeinde gibt es viele Menschen, die sich wegen der Krise ans Rathaus gewandt haben, um Hilfen zu beziehen, allerdings sind darunter so gut wie keine Deutschen." Ihr seien nur zwei, drei vereinzelte Fälle von Selbstständigen bekannt, die ihre Betriebe schließen mussten und nun Sozialleistungen beantragt haben. „Vom städtischen Sozialdienst aus betreuen wir zudem viele deutsche Rentner, die weniger finanzielle Unterstützung als vielmehr Zuwendung und Gesellschaft brauchen, gerade in diesen Zeiten der Isolation."

Auch in Artà hätten nur knapp eine Handvoll deutscher Familien Hilfen beantragt, heißt es in Artà. In Capdepera sind es immerhin zehn deutsche Familien, die Lebensmittel vom Rathaus beziehen, elf Familien sind zudem in eines der finanziellen Hilfsprogramme der Gemeinde aufgenommen worden.

Zurück nach Deutschland

„Spanier, Mallorquiner, Deutsche - wir sitzen alle im selben Boot", meint Heimke Mansfeld von „Hope Mallorca". Nur dass die Deutschen in den Flieger steigen können und vom sozialen Netz in Deutschland aufgefangen werden könnten, sagt sie. „Das soziale Gefüge zwischen den Deutschen auf der Insel ist oft nicht so ­stabil, wie es die familiären Bindungen nach Deutschland während einer Notlage sind", so Petra Steiner von „Comida para todos", die ebenfalls von Rückkehrern gehört hat.

Auch Marlene* hat in den vergangenen Monaten über den Schritt, nach Deutschland zu gehen, nachgedacht. Die Deutsche arbeitet in einer Kneipe in Peguera. „Wenn ich die Miete vom Kurzarbeitergeld abziehe, bleiben mir 70 Euro im Monat", so die Angestellte. Die Möglichkeit der Rückkehr habe sie aber wieder verworfen. „Meiner Mutter gehört das Geschäft. Wir ziehen das jetzt gemeinsam durch. Auch wenn es schlimmer als im Winter ist."

Durchziehen und bleiben, das möchte auch Barbara Schneider von der Backstube Santanyí. „Ich fühle mich wohl auf Mallorca, ich bin nach 14 Jahren auf der Insel angekommen, und die Leute haben mich akzeptiert. Aber wenn ich die Rechnungen nicht mehr zahlen kann, bleibt mir nichts anderes übrig, als nach Deutschland zu fliegen und Hartz IV anzumelden." Doch so weit werde es ja hoffentlich nicht kommen. Um Geld zu sparen, backe sie derzeit selbst zwölf Stunden am Tag Brötchen und verkaufe sie, denn die zwei ­Saisonkräfte, die im Sommer normalerweise mit ihr arbeiten, kann sie nicht bezahlen. „Ich werde kämpfen", sagt sie.

* Name von der Redaktion geändert