Eine Krise wie die Pandemie weckt in vielen die solidarische Ader. Die Koordination der ehrenamtlichen Tätigkeiten ist die Aufgabe von Maria Amengual. Die Mallorquinerin leitet das Amt für den Freiwilligendienst bei der Balearen-Regierung.

Mallorca vereint viele Nationen, die nicht immer harmonieren. Wie solidarisch sind die Menschen auf der Insel?

Es gibt auch Hilfsorganisationen, die von Leuten angeführt werden, die nicht von Mallorca sind. Die verstehen die Nöte und Sorgen sowohl der Einheimischen als auch der Zugezogenen. Einige ausländische Freiwillige packen auch bei den lokalen Hilfsorganisationen an. Sie zählen dort wie jeder andere dazu. Die Integration ist der Schlüssel.

Die Not ist derzeit groß. Sind genügend Freiwillige da?

Freiwillige fehlen derzeit nicht. Im Gegenteil. Es erinnert mich ein bisschen an die Zeit nach der Flutkatastrophe in Sant Llorenç. Damals haben sich so viele Leute Gummistiefel und Besen geschnappt, dass wir sagen mussten: Bitte keine weiteren Freiwilligen mehr. Auch während der Quarantäne mussten wir den Leuten sagen, dass sie am besten helfen könnten, wenn sie zu Hause bleiben. Nach zwei Wochen haben wir festgestellt, dass wir die Freiwilligen nicht aufhalten können, da sie sich unbedingt einbringen wollten. Auch jetzt gibt es so viele Freiwillige, dass einige Organisationen schon eine Art Warteliste haben. Nicht jeder kann gerade helfen. Das ist frustrierend. Einige Leute haben sich darüber sogar bei uns beschwert. Sie haben das Bedürfnis, dass sie helfen müssen. Das wiederum ist eine tolle Sache, denn das ist Solidarität.

Wie viele Freiwillige gibt es auf Mallorca?

Wir sind gerade noch dabei, die Anzahl zu erfassen. Dafür fragen wir die Organisationen und Rathäuser ab.

Wie haben Sie die Freiwilligen während der Quarantäne koordiniert?

Wir sind in drei Bereichen tätig gewesen: Neben den großen Organisationen gibt es kleine Vereine, die nicht die Möglichkeit hatten, sich an die Bedingungen des Alarmzustandes anzupassen. Wir zeigten ihnen, wie sie ihre Arbeit sicher bewältigen konnten und stellten eine Art Zertifikat aus, dass es sich um zuverlässige Organisationen handelt. Das machen wir über die Online-Plattform Xarxa Junts, wo mittlerweile 23 sogenannte Covid-19-Vereine gelistet sind. Zweitens war da die Zusammenarbeit mit den Rathäusern, um dort das Ehrenamt zu organisieren. Die Stadt- und Gemeindeverwaltungen können auf Nachbarschaftsverbände oder Sportvereine zurückgreifen. Die leisten super Arbeit. Eine der besten Initiativen war der Anrufservice für Senioren. Es haben sich Gruppen gebildet, die ältere Mitmenschen anrufen und fragen, wie es ihnen geht. Der dritte Bereich waren Privatpersonen, die sich einbringen wollten. Für die haben wir eine Liste mit Sicherheitshinweisen aufgestellt.

Welche Möglichkeiten haben Privatpersonen, die helfen wollen?

Entweder die Freiwilligen gehen zum Rathaus und fragen dort nach. Nach dem Ausbruch der Pandemie gab es unterschiedliche Aufgaben: Atemmasken nähen, Straßen desinfizieren oder Essen verteilen. Oder sie melden sich direkt bei Hilfsorganisationen, die sie schon kennen. Insgesamt sind bei uns 900 Organisationen auf den Balearen gelistet. Für diejenigen, denen weder das eine noch das andere zusagte, gibt es auf der Online-Plattform Xarxa Junts eine Freiwilligenbörse, wo sie sich registrieren und bei Bedarf angerufen werden. Dort haben sich 300 Personen eingeschrieben.

Die dort ewig auf einen Einsatz warten?€

Das ist enttäuschend, aber nicht zu ändern. Das bringen die Krisen mit sich. Der Andrang wird leider abnehmen, wenn die Krise nachlässt. Dann sind die Leute gefragt, auch wenn es nicht diese Art Superman-Einsatz im größten Notfall ist. Wer sich unbedingt jetzt engagieren will, sollte sich in seinem Umfeld umsehen und dem Nachbarn helfen. Oftmals bietet sich darin auch für ausländische Residenten und Zweithausbesitzer die Chance, sich mit der Nachbarschaft zu vernetzen. Eine Hilfe dabei können Online-Plattformen wie „Frena la curva" oder „Suport Mutu" sein.

Was können Deutsche tun, die kein Spanisch sprechen?

Die Sprache ist eine große Hürde. Manchmal kann man sich mit Hand und Fuß verständigen, in manchen Organisationen gibt es Spanier, die Deutsch oder Englisch sprechen. Ansonsten können sich Ausländer an internationale Organisationen wenden. Zum Beispiel Greenpeace, wenn man sich für den Naturschutz interessiert.

Seit Montag (15.6.) kann ein neues Mindesteinkommen beantragt werden (S. 33). Wie wirkt sich das auf Ihre Arbeit aus?

Das ist ein großer Sprung. Wir hatten bislang nur die regionale Sozialhilfe. Die gab es aber nur temporär. Ich bin seit vielen Jahren Sozialarbeiterin und weiß, dass die regionalen Hilfen nicht ausreichten. Sie reichen nicht, um sich aus einer misslichen Lage zu befreien. Das ändert sich nun hoffentlich. Das Mindesteinkommen betrifft meine Arbeit aber nur am Rand. Die Sozialarbeit ist zwar ein wichtiger Teil bei der Freiwilligenarbeit, aber nicht der einzige. Viele Ehrenamtliche engagieren sich im Naturschutz, im Sportverein oder in Kulturstätten.