Ab in den Mallorca-Flieger - Wolfgang Kubicki hat in deutschen TV-Debatten eine Lanze für den Insel-Urlaub trotz Corona gebrochen. Im Telefon-Interview mit der MZ erklärt der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende mit Häuschen auf Mallorca wie die nötigen Auflagen und liberale Politik zusammenpassen.

Zweithausbesitzer können jetzt endlich wieder nach Mallorca kommen. Haben Sie schon Ihren ersten Flug gebucht?

Ich selbst noch nicht, aber meine Frau wird Ende Juli nach Mallorca fliegen und in Camp de Mar mal nach dem Rechten schauen.

Inwieweit konnten Sie das Verbot zur Ein­reise nachvollziehen?

Das war eine erhebliche Einschränkung der ­Bewegungsfreiheit, die ich aber auch nachvollziehen kann. Wir können die Spanier nicht ­rügen, dass sie Beschränkungen beschlossen haben, die wir in Deutschland selbst aufrechterhalten haben. Ich erinnere daran, dass Hamburger zeitweise nicht nach Schleswig-Holstein durften. Und auch jetzt haben Menschen aus den Kreisen Gütersloh oder Warendorf, wenn sie nicht negativ getestet sind, Zugangs­beschränkungen in anderen Bundesländern.

Der Lockdown in Spanien

Angesichts der Zahl der Infizierten und Toten waren die Maßnahmen am Anfang sicherlich gerechtfertigt, wie in Deutschland im Übrigen auch. Aber mit jeder weiteren Woche und der zunehmenden Kenntnis über das Virus muss man grundsätzlich immer die Frage stellen: Sind bestimmte Beschränkungen noch verhältnismäßig? Wenn ich beispielsweise auf Mallorca eine geringe Infiziertenzahl habe, wenn also die Wahrscheinlichkeit, auf einen Infizierten zu treffen, äußerst gering ist, dann sind so strenge Vorgaben, dass man sich das Geschäft zum Einkaufen nicht selbst aussuchen kann, unverhältnismäßig. Da hätte man regional differenziert vorgehen können. Aber ich bin etwas zurückhaltend bei der Kritik an Maßnahmen in anderen Ländern, weil mir die konkrete Situation nicht so vertraut ist. Ich habe schon genug zu tun mit meiner Kritik an Maßnahmen in Deutschland, die auch in Teilen unverhältnismäßig waren und sind. Meine Hochachtung vor den Spaniern und Mallorquinern gebietet mir Zurückhaltung.

Wenn man Spanier fragt, ob die Regelungen zu streng waren, antworten sie: Anders ­würde jeder machen, was er will.

Das ist wahrscheinlich eine menschliche Schwäche. Aber ich habe immer den Grundsatz vertreten, dass jeder für seine Gesundheit selbst verantwortlich ist. Kein Staat kann garantieren, dass man vor Infektionen grundsätzlich gefeit ist. Zu Beginn der Pandemie hatten wir aber auch noch unzureichende Kenntnisse. Auch die FDP hat in Deutschland die ersten Maßnahmen vom 25. März mitgetragen. Heute wissen wir, dass die Schließung von Kindergärten und Schulen wohl ein bisschen verfrüht gewesen ist.

Den Erfolg vieler Maßnahmen sieht man aber erst im Nachhinein - und diese können dann gerade wegen ihres Erfolgs leicht unnötig erscheinen.

Wer Angst hat vor einer Infektion, sollte - soweit er kann - zu Hause bleiben können. Das geht natürlich nicht immer. Die Angst einiger weniger darf aber nicht die Freiheit aller einschränken. Jeder hat es selbst in der Hand, an Veranstaltungen teilzunehmen, ins Restaurant zu gehen oder sich etwas liefern zu lassen, statt in den Supermarkt zu gehen.

Wie erklären Sie sich, dass der Protest in Deutschland gegen die vergleichsweise milden Corona-Maßnahmen deutlich größer war als in Spanien?

Bei vielen Menschen war das Gefühl da, dass die komplette Einschränkung der Grundrechte ­unverhältnismäßig war, angesichts der Bedrohungslage durch die Pandemie. Die Verteidigung der Grundrechte ist nicht nur eine Frage von links oder rechts. Man kann das auch an den Entscheidungen der Gerichte sehen, die mit jeder weiteren Woche der Pandemie unduldsamer waren, was die Begründung von freiheitseinschränkenden Maßnahmen angeht.

Wird man bei liberalen Argumentationen in der Corona-Debatte mehr, als einem lieb ist, von Verschwörungsideologen umarmt?

Diese Gefahr besteht immer, wenn man kritische Fragen stellt oder vor zu viel Angst warnt. Aber das Coronavirus ist da und hat für einen Teil der Bevölkerung unter Umständen töd­liche Wirkung. Wir werden es nie wieder loswerden. Auch wenn wir einen Impfstoff haben, wird es irgendwo in der Welt unterwegs sein. Deswegen werden wir uns daran gewöhnen müssen, mit diesem Virus umzugehen, statt unser gesamtes gesellschaftliches Leben für immer völlig auf den Kopf zu stellen.

In der Talkshow „Hart aber fair" haben Sie sich dafür ausgesprochen, diesen Sommer wieder nach Mallorca zu fliegen. Wie beurteilen Sie die Sicherheit im Flugzeug? Nicht alle Passagiere halten sich an die Regeln...

Solange kein Infizierter dabei ist, ist das relativ egal, da spielen dann auch Masken keine Rolle.

Aber das weiß man ja vorher nicht.

Das stimmt. Aber die Wahrscheinlichkeit ist, je nachdem, aus welcher Gegend Sie kommen, äußerst gering. Momentan ist die Wahrscheinlichkeit, sich in Schleswig-Holstein anzu­stecken, geringer als ein Fünfer im Lotto. Die sicherste Möglichkeit zu reisen ist momentan im Flugzeug, weil dort innerhalb von drei Minuten die Luft komplett ausgetauscht und ­gefiltert wird. Und wenn es dann noch Mund- und Nasenschutz gibt, geht die Wahrscheinlichkeit gegen null, selbst wenn Sie einen ­Infizierten an Bord haben. Aber auch da muss jeder selbst entscheiden.

Würden Sie raten, lieber an der leeren Playa de Palma

Grundsätzlich rate ich immer dazu, in Schleswig-Holstein Urlaub zu machen. Und wenn Menschen innerhalb Europas reisen wollen, dann sollten sie es tun. Wir wissen im Übrigen nie, welches Lebensschicksal uns ereilt. Aber das sonnige Mallorca hat derzeit einen unschlagbaren Vorteil: Denn es gibt Hinweise, dass die Infektionsintensität mit zunehmender UV-Strahlung abnimmt. Wäre ich nicht ­gerade gebunden, würde ich liebend gern nach Mallorca fliegen. Ich rate allen, die es vorhaben, es auch zu tun, wenn die spanische oder balearische Regierung es zulässt.

Der Corona-Shutdown hatte auf die Menschen sehr unterschiedliche Wirkung. Für manche bedeutet er einen enormen wirtschaftlichen Schaden oder eine starke emotionale Belastung, andere genossen sogar ihr Corona-Sabbatical. Wo ordnen Sie sich in diesem Spektrum ein?

Da meine Diäten jeden Monat überwiesen werden, habe ich sicher weniger Sorgen ­­gehabt als andere, deren berufliche Zukunft unsicher geworden ist. Wir haben Videokonferenzen gemacht und uns gefragt, warum wir das nicht schon früher genutzt haben. Diejenigen, die Umsätze machen müssen, weil es ihre Geschäftsgrundlage ist, haben mit jedem Tag eine weitere Beeinträchtigung erfahren. Bei den Menschen mit Einnahmen aus öffentlichen Kassen war das nicht der Fall. Insofern haben wir eine zweigeteilte Gesellschaft. Ich glaube, es wird Zeit, dass wir langsam zu einem normalen gesellschaftlichen Leben zurückkehren. Denn die wirtschaftlichen Auswirkungen werden erheblich sein, und sie werden uns alle europaweit massiv treffen.

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