„Den Take machen wir noch einmal", ruft Carmen Molinar den Schauspielerinnen zu. Die Blondine am Steuer des silbernen Cabriolets wendet am Leuchtturm von Cala Ratjada auf Mallorca und fährt langsam die Zufahrtsstraße hinunter. Über ihre Schulter ist eine Filmkamera auf sie gerichtet, auch ein Tonassistent fährt mit im Wagen. Gebannt verfolgt Molinar das Gefilmte auf einem kleinen Display und blickt zufrieden drein. „Sehr gut, das haben wir", ruft die 54-Jährige. Ein Urlauberpärchen bleibt interessiert stehen und verfolgt das Geschehen, als wenig später auch eine Drohne zum Einsatz kommt. Summend wie eine Biene zieht das Flugobjekt in die Lüfte und filmt noch einmal von Weitem, wie das silberne Auto die gewundene Leuchtturmstraße hinabfährt. Es ist der dritte und letzte Drehtag für den 15-minütigen Kurzfilm „A Little Less Conversation".

Drei Frauen in Geldnöten

Seit vier Uhr morgens ist das Drehteam an diesem Donnerstag (9.7.) auf den Beinen - um den Sonnenaufgang am Leuchtturm einzufangen, war frühes Aufstehen unvermeidlich. Jetzt ist es Mittag, es gibt kaum Schattenplätze, unter den Mundschutzmasken ist es heiß, trotzdem ist die Stimmung noch immer heiter. „Es macht riesigen Spaß, mit diesem Team zu arbeiten", sagt Ewa Watscharska. Die 42-Jährige ist in Deutschland aufgewachsen, lebt aber seit

14 Jahren in Cala Ratjada und nimmt seit gut zwei Jahren professionellen Schauspielunterricht. In „A Little Less Conversation" spielt sie eine der Hauptrollen, die arbeitslose Sarah, die dringend Geld braucht. An ihrer Seite ist Kristy Kate Brooks (41), US-Amerikanerin, die vor neun Jahren aus Kalifornien nach Artà zog und nun die Cindy spielt - ebenfalls in Geldnöten, ebenfalls bereit dazu, aus ihrer finanziellen Misere auszubrechen, egal wie.

„Das ganze Team kommt aus der Umgebung von Cala Ratjada und Artà, viele von uns kannten sich schon aus anderen Produktionen und das macht vieles einfacher", sagt die gebürtige Bremerin Molinar, die seit elf Jahren in Cala Ratjada lebt. Mal gibt sie die Anweisungen auf Deutsch, mal auf Spanisch, mal ruft sie auf Englisch etwas dazwischen - der Sprache, die auch im Film verwendet wird. „Für mich ist es mein Debüt als Regisseurin. Es ist eine ganz neue Herausforderung, die aber wirklich toll ist. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass Regie in Zukunft einen ähnlichen Stellenwert in meinem Arbeitsleben einnehmen wird wie die Schauspielerei", sagt Molinar.

Obwohl noch längst nicht alles im Kasten ist, sieht sie entspannt aus. Molinar ist Filmdrehs gewohnt, sonst steht sie aber meist vor der Kamera statt dahinter. „Diesmal habe ich nur eine kleine Rolle. Diese Doppelfunktion ist gar nicht so leicht, das sollte ich in Zukunft vermeiden", sagt sie. In den vergangenen Monaten hat sie sich viel Wissen über Regiearbeit angeeignet, es in der Praxis anzuwenden sei aber etwas anderes. „Das Gute an dem Drehbuch ist, dass es sehr textlastig ist, was bei den meisten Kurzfilmen nicht der Fall ist. Es ist so auf den Punkt geschrieben, dass es meinerseits kaum noch eine persönliche Note braucht. Ein Juwel, der nicht geschliffen werden muss", sagt sie.Trockener, britischer Humor

Die Autorin Laura Lockington, die eigentlich überwiegend Hörspiele für den BBC schreibt, wohnt ebenfalls in Artà und ist mit Schauspielerin Kristy Kate Brooks befreundet. Zu viel verraten will man am Set nicht über den Inhalt. „Es ist eine Komödie über drei Frauen, die ihr Leben verändern wollen und merken, dass es gar nicht so einfach ist, kriminell zu sein", sagt Carmen Molinar. Neben dem trockenen, britischen Humor hebt sie auch die Landschaftsaufnahmen hervor. „Wie in jedem meiner Filme, auch denen, in denen ich als Produzentin mitgearbeitet habe, versuche ich, die Schönheit von Mallorca und insbesondere vom Nordosten zu zeigen, obwohl die Insel eigentlich nur eine Nebenrolle in der Handlung spielt." Sie sei immer aufs Neue von der Natur und dem Licht Mallorcas begeistert. „Wir haben nicht eine künstliche Lichtquelle eingesetzt, es funktioniert ohne."

Noch schnell zum Festival

Als Produzent steht ihr Lorenzo Rosselló aus Artà zur Seite, um den Ton kümmert sich der Rheinländer Markus Schnitzler, der im nahe gelegenen Font de Sa Cala lebt. „Wenn wir es schaffen, den Film bis zum 10. August fertig zu schneiden, werden wir ihn beim Evolution Mallorca Filmfestival einsenden", erzählt Carmen Molinar. In jedem Fall wolle sie aber das Angebot von Festival-Initiatorin Sandra Seeling annehmen, die Produktionen vom Schnitt an berät und auch Tipps gibt, auf welchen anderen, größeren Festivals das Werk gut ankommen könnte.

Noch ein letzter Dialog wird gefilmt, dann läutet Carmen Molinar die Mittagspause ein. „Bis heute Nachmittag können sich alle aus-ruhen, dann geht es im Hafen von Cala Ratjada weiter", ruft sie.