Wenn ihm vor Jahren jemand prophezeit hätte, dass er einmal ein Geschäft für Damenbekleidung in Kairo eröffnen würde, dann hätte Gerhard Weber (66) ihm entgegnet: „Freund, du hast wohl schlecht geschlafen." Jetzt sitzt der Vorstandsvorsitzende der Gerry Weber International AG in seinem Haus am Stadtrand von Palma und erklärt ganz unaufgeregt, dass am Nil die Blusen auch im Sommer langärmelig sein müssen. So wollen es eben die islamischen Gepflogenheiten.

Das „House of Gerry Weber" in Ägypten ist eines von mittlerweile rund 200 Geschäften weltweit. Jedes Jahr sollen künftig 70 bis 100 neue Läden hinzukommen. Am Morgen des MZ-Besuchs hat Weber bereits mit seinem Sohn Udo telefoniert, der zur gleichen Zeit auf einer Immobilienmesse in Cannes nach geeigneten Mietobjekten Ausschau hält. Udo Weber leitet das Expansionsmanagement. Nur Geschäftsflächen von mehr als 700 Quadratmetern sieht sich Gerhard Weber selbst an. „Da geht es dann um wirklich viel Geld. Einen potenziellen Fehler in dieser Kategorie möchte ich lieber auf meine Kappe nehmen."

In fünf Jahren, so sagte er neulich einem Analysten, solle die Gerry Weber International AG ihren Umsatz verdoppeln, der zum Jahresende mit rund 505 Millionen Euro deutlich über dem gesteckten Ziel für 2007 liegen wird. Das Unternehmen, sagt er, sei auf dem Weg, ein Global Player zu werden. Man könnte diese Einschätzung durchaus als Überheblichkeit interpretieren. Doch Weber ist keiner, der auf den Putz haut, sondern eher ein nüchterner Westfale. Er setzt seine Worte sorgfältig. „Ich weiß, woher ich komme."

Sein Elternhaus sei nicht begütert gewesen, der Bruder habe studiert, er selbst besuchte nach der mittleren Reife die Handelsschule und absolvierte eine Lehre in einem Textilunternehmen. Weber stand in der Firma noch auf der Gehaltsliste, als er mit 24 Jahren sein erstes eigenes Bekleidungsgeschäft eröffnete. Waghalsige Unternehmungen waren schon damals nicht seine Sache. „Wenn der Weber was macht, muss das Hand und Fuß haben", sagt der Kaufmann, der gern von sich in der dritten Person redet.

1973 gründete Weber mit seinem Partner Udo Hardieck die Hatex KG, eine Firma für Damenbekleidung. Der Markenname Gerry Weber wurde erst 1986 eingeführt. Der Aufstieg von „Gerry Weber" verlief anschließend so kometenhaft wie der von Tennis-Königin Steffi Graf, die das Unternehmen als Werbeträgerin unter Vertrag nahm. Graf war 17 Jahre alt und auf Platz 8 der Weltrangliste, als sie erstmals einen Pullover des Unternehmens publikumswirksam überstreifte. „Wir haben uns damals gefragt, wie wir unseren Bekanntheitsgrad schnell steigern können. Steffi Graf war für uns ein Glücksfall", sagt Weber, der allerdings auch immer hart mit Vater Peter Graf zu verhandeln hatte.

1989 ging das Unternehmen an die Börse. „Nicht weil wir Geld ins Unternehmen holen wollten, sondern weil ich unabhängig von den Banken sein wollte." Heute kann die Gerry Weber International AG auf eine Eigenkapitalbasis von 60 Prozent verweisen: „Jedes Unternehmen wäre froh darüber."

Anfang der 90er Jahre kam der begeisterte Tennisspieler dann auf die Idee, in seiner Heimatstadt Halle ein Tennis-Stadion zu bauen. Mitten in der Provinz. Viele hätten ihn damals für verrückt erklärt. Das Stadion wurde 1992 fertiggestellt und erhielt den Markennamen Gerry Weber. Es war das erste Stadion in Deutschland, das nach einer Marke benannt wurde. Interne Zweifel an der Namensgebung wischte Weber schnell vom Tisch: „Was soll das ganze? Klar machen wir das."

Seine große Stärke sei es immer gewesen, Entwicklungen vorauszusehen. Heute ist es gang und gäbe, dass Sportstadien in Deutschland Werbeträger für große Sponsoren sind. Dass der Bau der Tennisarena in Halle ein genialer Schachzug war, bescheinigten ihm später sogar ausgewiesene Marketing-Experten. Von da an war Gerry Weber nicht mehr nur Modemagnat, sondern auch Tennisveranstalter.

Seit 1993 wird in Halle nun Deutschlands einziges Tennis-Rasenturnier veranstaltet, die Gerry-Weber-Open. Das Fernsehen sendet live und sorgt dafür, dass das Label Gerry Weber in 161 weitere Länder übertragen wird. Durch den Sport schnellte der Bekanntheitsgrad der Marke rasant nach oben. „Im Osten müssen wir den Menschen jetzt nicht mehr erklären, wer wir sind." Bei einem Empfang beim ehemaligen nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Wolfgang Clement in Düsseldorf wurde er vor Jahren dem russischen Präsidenten Wladimir Putin als Textil-Unternehmer vorgestellt. Der Gast aus Moskau wusste Bescheid und fügte hinzu: „Und Veranstalter eines Tennis-Turniers."

Die weiteren Projekte wie das Sportpark-Hotel oder das Kongress-Center kamen erst später hinzu. „Die Dinge haben sich so entwickelt." 95 Prozent der Unternehmungen seien erfolgreich gewesen. Richtig in den Sand gesetzt habe er bisher nichts. „Man muss von dem, was man tut, überzeugt sein, und sich dann auch darum kümmern", ist einer der Leitsätze des bekennenden Arminia-Bielefeld-Fans. Als der Fußball-Bundesligist Ende der 90er ohne Sponsor dastand, sprang er kurzfristig ein, zog sich aber wieder zurück, als ein zahlungskräftigerer Werbepartner bereitstand. Als Hobbysportler ist er ein Teamplayer und überträgt diesen Mannschaftsgeist auch ins Unternehmen. „Nur wenn wir als Team funktionieren, sind wir erfolgreich."

Am liebsten redet der Unternehmer übers Geschäft, über sein Leben abseits der Firma gibt er nur ungern und meist nur auf Nachfrage etwas preis. „Privat ist der Weber manchmal ein wenig verrückt", gleitet er ein weiteres Mal in die dritte Person ab. Im Sommer beispielsweise steht Weber morgens um zwanzig vor fünf auf, um zwei Stunden Golf zu spielen. „Um kurz nach acht bin ich dann in der Firma."

Auf Mallorca fand der Unternehmer vor zwölf Jahren sein zweites Zuhause. Hier stöbert der Kunstfreund durch die Galerien, genießt die spanische Küche, spielt mit seinen beiden Enkelkindern und studiert die Geschäftsberichte in seinem Haus, von wo aus er die gesamte Bucht von Palma überblicken kann. Dort empfängt er auch befreundete Unternehmer, die ihn übrigens mit Gerhard oder Gerd anreden. Gerry Weber existiert nur als Marke. „Gerry nennen mich die, die mich nicht gut kennen, aber dennoch meinen, mich duzen zu müssen."

Erschienen am 22. Nobember 2007 in der Mallorca Zeitung