„Ich bin eine von vielen auf Mallorca, die sich vom Tourismus abhängig gemacht haben - und jetzt umdenken muss." Sandra Lehnis blickt mit gemischten Gefühlen auf den Sommer zurück. Die Schweizer Künstlerin betreibt seit 2012 ein kleines Gästehaus mit zwei Junior-Suiten in Palmas Stadtteil Son Roqueta. Bisher konnte sie von den Urlaubern gut leben, doch seit das Coronavirus den Tourismus auch auf Mallorca lahmgelegt hat, sind die Einnahmen massiv zurückgegangen. In den Sommermonaten sei die 56-Jährige nur noch auf eine Auslastung von maximal 30 Prozent gekommen. „Das reichte gerade einmal, um die Kosten zu decken", erzählt Lehnis beim Besuch der Mallorca Zeitung.

Dabei habe es zu Beginn des Jahres richtig gut ausgesehen: „Für März bis Mai hatte ich schon viele Buchungen, und auch der Juni und August waren gut ausgelastet", so Lehnis. Lockdown und Reisewarnungen machten das ­Geschäft zunichte. Lediglich einige Stammkunden seien noch gekommen. „Die meisten stornierten oder haben ihre Buchung auf nächstes Jahr verschoben." Für den Herbst seien keine Neubuchungen mehr zu erwarten. „Die Saison ist für mich gelaufen", so Lehnis. Auch für 2021 seien bisher noch keine Anfragen eingegangen. Seit einiger Zeit lebt sie nun von ihren Rücklagen, die sie in den vergangenen Jahren aufbauen konnte. „So sind wir Schweizer eben", sagt sie lachend.

Ihre positive Einstellung habe sie auch während des Lockdowns nicht verloren - trotz aller finanzieller Einbußen. „Ich habe die Zeit für mich genutzt, Filme geschaut, die ich schon lange mal sehen wollte, habe Bücher gelesen und mich ausgeruht." Schon seit vielen Jahren habe sie keinen Urlaub mehr gemacht, sondern habe immer nur gearbeitet. „Jetzt hatte ich so etwas wie Zwangsurlaub", so die gelernte Kauffrau. In den Wochen, in denen sie sich nicht um Feriengäste kümmern konnte, habe sie viel nachgedacht. „Am Ende habe ich mein Leben überdacht", resümiert Lehnis, „und beschlossen, dass ich was ändern muss."

Die Abhängigkeit vom Tourismus wolle sie aufgeben und sich auch auf andere Einnahmequellen und Tätigkeiten besinnen. So arbeitet Lehnis eigentlich auch als Künstlerin. „Das habe ich in letzter Zeit sehr vernachlässigt , ich möchte gern wieder mehr im Designbereich machen", so Lehnis. So will sie künftig beispielsweise Stoffmuster kreieren. Vor einiger Zeit hatte sie dazu bereits Kontakt zu einer Firma in der Schweiz aufgenommen, den sie nun wieder reaktivieren will. „Ich will meine kreative Ader wieder aufleben lassen - denn die ist zuletzt einfach zu kurz gekommen."

Ein Traum sei es, als Innenausstatterin zu arbeiten. „Das liegt mir sehr, wie man auch an meinem Guesthouse sieht", sagt Lehnis. Sie habe damals das komplette Haus nach ihren Ideen und Vorstellungen umbauen lassen und schließlich mit viel Liebe zum Detail eingerichtet. Auch Freunden habe sie bereits beim Einrichten ihrer Häuser und Wohnungen geholfen. „Das liebe ich wirklich und ich habe als Designerin auch das Wissen dafür."

Im Jahr 2005 war Lehnis über ein Atelier-Stipendium auf Umwegen nach Mallorca gekommen. Zunächst hatte die aus Däniken stammende Schweizerin das Stipendium im italienischen Genua für sechs Monate absolviert. Von Freunden erhielt sie dann den Tipp, dass eine Galerie in Alaró Kurzresidenzen anbiete, wo sie leben und künstlerisch arbeiten könne. „Im September 2005 habe ich dann mein Auto bis unters Dach vollgepackt und bin mit dem Schiff ab Genua über Barcelona nach Mallorca gekommen."

Aus ursprünglich geplanten vier Monaten in Alaró wurden dann am Ende sechs Jahre, in denen sie im Insel­inneren von ihrer Kunst lebte. „Auch wenn die Wohnung insbesondere im Winter sehr kalt war, habe ich die Zeit genossen", erzählt ­Lehnis, die in dieser Zeit auch regelmäßig Ausstellungen in der Schweiz hatte. Irgendwann sei die Wohnung aber zu klein für sie geworden. Lehnis fand 2010 ihr heutiges Haus in Palma, das sie komplett sanierte und wo sie auch die Gäste-Apartments einrichtete. Rund acht Jahre konzentrierte sich Lehnis schließlich auf das touristische Angebot.

„Eins ist klar: Es bleibt kein Stein auf dem anderen. Nirgends auf der Welt!", sagt die 56-Jährige. Deshalb sei es jetzt an der Zeit, neue Wege zu gehen. Bereits nach dem Ende des Lockdowns habe sie damit begonnen: „Ich habe mich beispielsweise direkt nach der Ausgangssperre jeden Tag aufgerafft und bin früh morgens zum Schwimmen ans Meer gefahren." Die neu gewonnene Energie wolle sie nun auch beruflich nutzen. „In den nächsten Wochen heißt es nur noch: ich und mein Atelier." Von ihren alten und neuen Kunstwerken will sie Drucke erstellen lassen und diese nach Möglichkeit auch online anbieten. Zudem laufen Anfragen bei Galerien. „Corona hatte durchaus etwas Befreiendes für mich. Ich habe mein Leben neu gewürfelt und gestalte es jetzt neu", so Lehnis.

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