Die Geschichte beginnt mit einem durchschlagenden Erfolg: Mit der 2018 gezeichneten Grafik der Mallorquinerin Margalida Vinyes identifizierten sich Frauen rund um die Welt. Das Original brachte die Illustratorin zwei Tage vor dem Weltfrauentag zu Papier: Eine lila beschürzte Frau nimmt ihren Kittel ab und wird zur Superheldin, indem sie die Schürze zum Umhang macht. Die Bildunterschrift „Dóna-li la volta!" bedeutet etwa „Kehr sie um!" oder „Gib ihr ­einen Dreh!", wobei das Wort dona - ohne Akzent - auf Katalanisch „Frau" bedeutet.

Die Botschaft wurde aber auch ohne ­Katalanischkenntnisse verstanden. Ein von Vinyes gepostetes Foto der Zeichnung wurde blitzschnell viral, die frisch geborene Superheldin ging um die Welt und zusammen mit dem in viele Sprachen übersetzten Slogan zierte die Illustration zahlreiche Demoplakate oder Facebook-Aufrufe. Und die Welttournee der Zeichnung endete nicht mit dem Frauentag. In Argentinien stellte sich die diesmal grün gekleidete Superheldin an die Spitze massiver Demonstrationen für ein neues Abtreibungsrecht.

„Frauen aus verschiedenen Ländern haben mich angeschrieben und gefragt, ob sie meine Zeichnung benutzen dürfen", berichtet Vinyes der MZ. Sie habe sich über die Zuschriften gefreut und niemals Geld für ihr Werk verlangt. Selbst dann nicht, wenn kleinere Läden das Bild in ihr Schaufenster stellen wollten, um sich hinter die Bewegung zu stellen.

Doch die Freude über die massive Nutzung ihrer Zeichnung nahm eine Wendung, als sie ihr Werk auf dem Werbebanner einer Beraterfirma in Barcelona wiederfand. Aus dem Internet kopiert wurde die Grafik zur Werbetafel am Balkon des ­Firmensitzes des katalanischen Unternehmens Ingeniería Social. „Niemand hatte mich gefragt. Eine Freundin sah die Zeichnung zufällig, als sie über die Rambla in Barcelona ging. Am meisten ärgerte mich, dass sie meine Signatur aus der Zeichnung entfernt hatten", macht sich Vinyes Luft.

Zunächst wollte die mallorquinische Illustratorin den guten Glauben nicht aufgeben, dass die Firma ihren eigenen Idealen eigentlich treu ist. Schließlich berät die angesehene Agentur öffentliche Institutionen oder Unternehmen zu Social Engineering und Themen wie Gleichberechtigung, Sozialethik und Umweltschutz. Von der Firma forderte sie lediglich eine symbolische Nutzungsgebühr von 70 Euro sowie das Hinzufügen ihrer Signatur.

Die Gutgläubigkeit zahlte sich nicht aus. Auf Geld wartete sie monatelang vergeblich, und die Unterschrift wurde nur nach wiederholter Forderung und zudem an völlig falscher Stelle eingefügt, sodass Vinyes jetzt eher als Urheberin des Werbemottos der Firma erscheint: "Wir glauben an Gleichberechtigung!"

Der Geduldsfaden riss. „Diese Scheinheiligkeit macht mich rasend", schimpft Vinyes. „Es gibt Firmen, die mit Werten wie Gleichberechtigung oder sozialen Rechten ihr Geschäft machen und dabei allein ans Geld denken." Vinyes ließ sich von einer auf Urheberrecht spezialisierten Anwältin beraten und erhöhte ihre Forderungen: Werbetafel abnehmen, 450 Euro zahlen!

Als Vinyes ihrer Wut über Facebook Luft machte, spürte sie wieder solidarischen Rücken­wind. Diesmal identifizieren sich um Urheberrechte geprellte Zeichner mit ihrer Heldin: „Manche bieten mir sogar ­finanzielle Unterstützung an, damit ich den Prozess führe."

Nach einigen Tagen reagierte die Firma verschnupft. Man habe die Zeichnung inzwischen abgehängt, weil "man sich nicht länger wohl dabei fühle, die Arbeit der Zeichnerin zu verbreiten". Auf Nachfrage der MZ zeigte sich die Leiterin der Agentur, Elena López, überrascht von den Anschuldigungen. Es habe sich um ein Missverständnis gehandelt, dass man "leicht hätte ausräumen können", statt "eine Schmutzkampagne" gegen die Firma zu führen. "Wir haben die Grafik benutzt, ohne zu wissen, wer der Urheber war." Anschließend habe sich Vinyes gemeldet und man habe mit ihr einen von der Zeichnerin vorgeschlagenen Preis geeinigt und die Unterschrift hinzugefügt. "Leider habe ich heute festgestellt, dass die Zahlung aufgrund eines Buchhaltungsfehlers nicht rausgegangen ist", versichert López der MZ.