Mateu Ferrer Estelrich ist ein Urgestein im Mallorca-Dorf Santa Margalida. 100 Jahre ist der Schreiner alt, und noch immer mischt er, wenn nicht gerade Corona das öffentliche Leben lahmlegt, auf den Dorffeiern mit, hilft beim Bau der Prozessionswagen zum Patronatsfest der Heiligen Beata und bei der Organisation der Tiersegnungen zu Santa MargalidaCoronaSant Antoni

Wie kamen Sie dazu, Schreiner zu werden?

Ich mochte diesen Beruf immer. Wie viele andere Kinder damals, beendete ich mit zwölf Jahren die Schule und wurde Lehrling.

Wo haben Sie gelernt?

In einem Betrieb in Santa Margalida. Mit 18 Jahren ging ich zum Militärdienst. Sieben Jahre lang war ich dort, bis der Zweite Weltkrieg vorüber war. Als ich mit 25 Jahren freigestellt wurde, bat mich mein Vater, mich um die Ländereien zu kümmern, denn mein Bruder Joan war im Krieg gefallen. Ich erwiderte, dass wir nicht genug Land zum Überleben haben, und dass ich mich gern als Schreiner selbstständig machen würde.

Das war sicher nicht einfach?

So schwer war es nicht, wenn man sein Handwerk ordentlich gelernt hatte. Denn damals wurde fast alles handgefertigt, und es gab kaum Maschinen. Ich hatte zu Beginn nur eine einzige. Nicht so wie mein Enkel Joan Miquel, der heute fast Ingenieur sein muss, um das Schreinerhandwerk auszuüben.

Ihr Betrieb war eine echte Lehrwerkstatt.

In den ersten Jahren hatte ich bis zu sieben Lehrlinge gleichzeitig. Es gab keine andere Möglichkeit, einen Beruf zu erlernen. Wobei ich Glück hatte und während meiner Zeit beim Militär auch schreinern durfte und viel dazugelernt habe.

Sie waren einer der ersten Schüler des Colegio La Salle in Santa Margalida.

Es war 1912 in Santa Margalida gegründet ­worden, damals lebten meine Großeltern ­nebenan. Ich ging schon mit vier Jahren auf die Schule. Damals waren die Eltern schon froh, wenn man einfache Rechnungen lernte. Ein Schwein kostet einen duro, zwei Schweine kosten zwei duros (damalige Bezeichnung für die Fünf-Peseten-Münze, Anm. d. Red.).

Woran erinnern Sie sich aus der Schulzeit?

Ich lernte die paar Buchstaben, die ich kenne. Und mir sind die Worte des Bruder Agustín im Gedächtnis geblieben, der uns erklärte, dass nach diesem Leben ein Gott im Himmel existiert. Neulich im Café mit Freunden sprachen wir über diese Fragen. Einer sagte, er sei nicht sicher, ob es den Himmel gebe, obwohl es wahrscheinlich ist, da wir hier auf Erden die Hölle haben. Da ist vielleicht was dran.

Als Sie 16 Jahre alt waren, brach der Bürgerkrieg aus. Wie haben Sie diese Zeit erlebt?

Wir konnten weiter arbeiten, obwohl Lebensmittelknappheit herrschte. Die Hauptlebensmittel waren rationiert , und jede Familie hatte eine Versorgungskarte. In meiner Familie hatten wir immer Brot zu essen, mussten aber einen Teil der Ernte abgeben. Meine traurigste Erinnerung ist der Tod meines Bruders. Wir waren drei. Miquel, Joan und ich. Joan kam auf dem Weg zu einem Einsatz in Zaragoza um. Da war er 23 Jahre alt.

Wie hat sich Santa Margalida verändert?

Vor allem der Wandel der Landwirtschaft ist enorm. Als ich ein Kind war, bestand das Dorf praktisch nur aus Landwirtschaft. Sogar Leute wie ich, die einen anderen Beruf wählten, konnten uns Geld dazuverdienen, wenn wir uns auf dem Feld betätigten. Heute, mit all der Maschinerie, kümmern sich vier Leute um zwei ganze Fincas. Ich weiß nicht, ob das ein Fort- oder ein Rückschritt ist.

Wie kamen Sie eigentlich dazu, Miniaturmöbel und Leitern zu bauen?

Es war fast Zufall, ein Missverständnis. Der Vorsitzende der Kirchengemeinde in Llubí gab bei mir eine mallorquinische Leiter mit drei Sprossen in Auftrag. Ich dachte, er brauche sie, um im Kirchhof Obst zu pflücken, und als ich sie ihm brachte, sagte er mir, dass er eine ­Miniaturleiter wollte. Seitdem baue ich sie. Ich habe schon mehr als tausend verschickt, in ­sieben Länder, und habe weitere tausend hier im Haus. Außerdem baue ich Miniaturstühle und -tische. Im Jahr 2017 schenkte ich dem Rathaus 232 davon, um sie unter den Senioren ab 70 Jahren zu verteilen.

Sie haben auch immer gern an den Beata-­Feierlichkeiten mitgewirkt.

Seit ich ein kleines Kind war, ging ich zu der Prozession, aber wirklich mitgewirkt habe ich erst ab den 70er-Jahren. Da begann ich, die ­Wagen zu bauen. In meiner Jugend war die Prozession sehr ernst. Aber wie alles hat sie sich weiterentwickelt, und sie gefällt mir sehr. Das scheint vielen so zu gehen, immerhin kommen Landwirte aus ganz Mallorca zu uns.

Sie waren auch sonst im Ort immer sehr ­aktiv. Aber nie in der Politik. Warum nicht?

Weil ich dafür nicht tauge. Obwohl ich Leute wie unsere Ministerpräsidentin Francina ­Armengol bewundere, die, obwohl sie gelernte Apothekerin ist, in die Politik gegangen ist. Wenn ich sie mal sehe, werde ich ihr das sagen.

Wie haben Sie die Corona-Ausgangssperre erlebt?

So eine Situation habe ich nie zuvor erlebt, und sie ist nicht vergleichbar mit anderen schwierigen Phasen. Alle sitzen verängstigt zu Hause. Ich hatte keine Angst, obwohl ich im Januar ­gestürzt war. Ich ging auch nicht mehr in die Bar, so wie ich es früher immer gemacht habe. Mit Maske und Sicherheitsabstand lohnte es sich nicht. Ich bin gern zu Hause und gehe dann lieber mal zum Kirchplatz spazieren.

Hätten Sie gedacht, dass Sie so etwas mal ­erleben würden?

Nein. Was dem in meinem Erinnerungen am nächsten kommt, ist das Läuten der Kirchenglocken, wenn ein Neugeborenes gestorben war. Früher war das fast jeden Tat zu hören.

100 Jahre - was ist Ihr Geheimnis?

Ich war und bin sehr glücklich in all den Jahren, weil ich gearbeitet habe. Ich genieße es, Menschen, die mich besuchen, meine Miniaturen zu schenken. Seit ich gemerkt habe, dass ich alt werde, bin ich nicht mehr ganz so glücklich, denn seit einigen Jahren lassen sie mich das Holz nicht mehr mit der Sägemaschine schneiden, es macht jetzt einer meiner Söhne. Aber ich bin der, der die Schnittstellen angibt und der die Möbel zusammenbaut. Manchmal, wenn ich nachts zur Toilette gehe, nutze ich, dass ich wach bin, und leime meine Miniaturen. Einer meiner Söhne hat das einem Arzt erzählt. Der sagte, er habe nie einen Fall wie mich gesehen. Aber ich könnte nicht den ­ganzen Tag tatenlos zu Hause sitzen.