Als Valeria Caponero Vergez noch in ihrer ­Heimat Argentinien lebte, hätte sie niemals gedacht, dass sie einmal die erste Frau sein würde, die sich auf Mallorca. Nicht, dass sie als Mädchen zimperlich gewesen wäre. „Ich war immer eine Abenteurerin, liebte Sport, Freizeitparks, die Natur und besonders das Meer", sagt sie. Doch statt mit dem harten Handwerk der Fischerei verdiente sie sich ihr Geld damals unter anderem als Hostesse auf Messen und pries dabei Cremes und Kosmetikartikel an. Die 42-Jährige muss selbst lachen, als sie davon erzählt. „Es hat wirklich rein gar nichts mit dem zu tun, was man als Fischerin so macht."

2005 lernte sie ihren Mann Jaume kennen, einen waschechten Mallorquiner und Schiffskapitän in Cala Ratjada. Die beiden beschlossen, gemeinsam zu arbeiten. Valeria machte eine mehrmonatige Ausbildung zur Fischerin - auch wenn es im Spanischen gar keine weib­liche Form der Berufsbezeichnung von marinero oder pescador gibt -, und schon bald verwandelten sich die beiden bei der Arbeit auf dem Meer von Ehemann und Ehefrau zu hart arbeitenden Kollegen. „Auf See gibt es keine Geschlechtsunterschiede, da sind alle gleich, jeder packt mit an, es ist ein Knochenjob", sagt ­Valeria. „Aber meist kann man fehlende Kraft vor allem durch die richtige Technik kompensieren."

Morgens je nach Fangsaison bereits um 2 Uhr mit dem Boot in See stechen, den ganzen Tag über Wind und Wetter ausgesetzt sein, schuften und an harten Tagen erst gegen 17 Uhr wieder in den Hafen zurückkehren - für Valerias Schwester ­Vanesa ist das bis heute Alltag. Sie sprang im Jahr 2010 für Valeria ein, als diese hochschwanger war. „Ich bin bis zum fünften Monat noch rausgefahren, danach ging es einfach nicht mehr", erinnert sich ­Valeria. Seitdem kümmert sie sich vor allem um ihre mittlerweile zwei Töchter und hilft beim Direktverkauf des Fisches am Hafen, während Vanesa mit Jaume ausfährt.Allein unter Männern

„Natürlich sorgt man als Frau in dem Gewerbe für Aufsehen. Aber es gab nie Probleme, und die Mallorquiner sind sehr offen. Sonst würde ich es auch nicht machen. Häufig wird man sogar für seinen Mut gelobt", berichtet Vanesa. Ständig fallen sich die Schwestern ins Wort, käbbeln sich, gleichzeitig merkt man die Verbundenheit zwischen ihnen. „Wir sind sehr verschieden. Und in anderen Aspekten dann doch wieder gleich", sagt Vanesa. Sie hat schon in Argentinien in einem männerdominierten Beruf gearbeitet, ist gelernte Schreinerin, gleichzeitig aber auch Künstlerin und ­studierte Illustratorin. Wenige Jahre nach Valerias Auswanderung zog sie ebenfalls auf die Insel. „Vor allem bin ich extrem neugierig und interessiere mich für so vieles, das ist auf dem Meer nicht anders."

Ihre Eltern in Argentinien hätten sie stets dazu erzogen, dass das Geschlecht keine Rolle spielt. Dass es nur wichtig ist, seine Arbeit gut zu machen und Respekt vor der Natur zu haben. Deshalb sei es für die Eltern auch kein Schock gewesen, zu erfahren, dass sich beide Töchter am anderen Ende der Welt zwischen lauter Männern ihr Geld verdienen. „In Südamerika bekommt man Machogehabe auf der Straße und im Alltag sehr direkt zu spüren, das ist hier auf Mallorca ganz anders", findet ­Vanesa. Wobei es natürlich auch eine Generationenfrage sei. Und auch hier stellten die Kellner im Café ihren schwarzen Kaffee immer ­automatisch vor ihrem Mann ab und servierten Vanesa den cortado, den eigentlich er ­bestellt hat. Aber das geschehe ohne böse Hintergedanken. „Wenn doch mal gezielt spitze Kommentare wegen meines Berufs kommen, dann meist eher von Frauen, die sich irgendwie dadurch angegriffen fühlen, dass ich mit ­Männern arbeite, oder die direkt davon ausgehen, ich sei lesbisch."

Unter ihren Kollegen hat Vanesa dagegen einen guten Stand. Schließlich ist die Schreinerin auch oft nützlich, wenn es um die Reparatur der traditionellen Fischerboote aus Holz (llaüts) geht, die noch immer im Hafen von Cala Ratjada zu finden sind. Keiner behandele sie während der Arbeit anders als die anderen Kollegen, Körperkontakt sei ganz natürlich und frei von Hintergedanken. „Und wenn wir auf dem Meer unterwegs sind und ich pinkeln muss, dann gebe ich einfach kurz Bescheid, drehe mich weg und mache über die Reeling. Eigentlich so, wie die Männer auch", sagt sie unbekümmert.

Mittlerweile dürfen sich auf den Balearen noch weitere Frauen offiziell Fischerinnen nennen und den Beruf ausüben. „Es gibt meines Wissens eine in Alcúdia und auch ein paar in Palma", sagt Vanesa. Trotzdem sei die Frauenquote noch immer sehr gering. In Cala Ratjada jedenfalls sind die zwei Argentinierinnen neben gut 50 anderen Kollegen noch immer die einzigen Frauen.Arbeitgeber Meer

Warum nicht mehr Frauen den Beruf ergreifen, darüber können ­Vanesa und Valeria nur mutmaßen. „Vielen ist es wohl zu anstrengend, und die Arbeitszeiten sind für Menschen, die Familie haben wollen, auch wirklich nicht ideal", sagt ­Valeria. Denn es sei nun mal das Meer, das bestimme, wann ausgefahren werden könne, und die Menge an gefangenem Fisch, die festlege, wann es wieder zurück­gehe. „Es gibt aber auch männliche Fischer, die ihren Beruf aufgeben mussten, weil sie von den Müttern ihrer Kinder getrennt leben und ihre Kinder wegen der unregelmäßigen Arbeitszeiten kaum sehen konnten", so Vanesa. „Denen geht es also da auch nicht besser."

Sie selbst hat sich vor einigen Jahren bewusst gegen das Kinderkriegen entschieden. „Zum Glück habe ich einen Mann, der das genauso sieht. Er ist übrigens einmal mit rausgefahren und seitdem nie wieder, weil es ihm zu sehr schaukelte", sagt sie und lacht. Bis zur Rente allein schon wegen der körperlichen Belastung. Sie sei aber generell recht planlos, was solche Dinge angeht, fügt sie hinzu.

In ihrer Freizeit widmet sich die 45-Jährige wie schon früher dem Malen, dem Schreinern und dem Kunsthandwerk. Oft baut sie dabei auch Fundstücke aus dem Meer mit ein. „Ich mache immer so viel - ich kann oft gar nicht verstehen, wie arbeitslose Leute nicht wissen, was sie tun sollen."

Valeria dagegen hat fest vor, wieder auf der „Vima" einzusteigen, wenn ihre Kinder älter sind. Zu sehr mag sie das Gefühl der Freiheit auf See, den direkten Kontakt mit der Natur, die Abwechslung am ­Arbeitsplatz, das Salz in der Luft. „Selbst das Essen hat dort einen intensiveren Geschmack", findet sie. Und die Begegnungen mit Delfinen, mit Meeresschildkröten, aber auch mit Massen an Plastikabfällen berührten sie jedes Mal aufs Neue. „Man merkt dort ­draußen, wie klein man eigentlich ist, aber gleichzeitig auch, welch große Bedeutung es hat, verantwortungsbewusst mit der Natur umzugehen." Auf Dauer will Valeria das nicht missen. „Das Meer ist wie ein Magnet, es zieht einen immer wieder an."