Bevor Johannes Holzportz in seinem Mallorca-Urlaub nicht einen ganz bestimmten Ort besucht hat, fliegt er nicht wieder zurück nach Deutschland: den kleinen Hundestrand in der Flugschneise bei Es Carnatge, gelegen zwischen Cala Gamba und Can Pastilla. Dort genießt er den Ausblick aufs Meer und sieht und hört, wie die Wellen gegen die Felsen schlagen. Sobald sich allerdings die Motorgeräusche eines Flugzeugs darunter mischen, richtet sich sein Blick sofort gen Himmel. „Es ist mein Lieblingsplatz, um Flugzeuge zu beobachten, man kann hautnah bei den Starts und Landungen dabei sein", erzählt der 63-Jährige aus der Eifel. „Das mache ich dann mindestens zwei Stunden lang. Und meine Kamera habe ich immer mit dabei."

Doch während Planespotter Holzportz vor Glück Gänsehaut bekommt, weiß er nur zu genau, dass es so manchem Passagier an Bord der Maschine gerade ziemlich schlecht geht. Selbst kurz vor der Landung, wenn der Flug schon beinahe zu Ende ist, bleibt für Menschen mit Flugangst viel Unsicherheit. Wird der Pilot das Flugzeug sicher auf den Boden bringen? Meint es der Wind heute gut? Kann das Flugzeug rechtzeitig gebremst werden?

Von seiner Frau, aber auch von Bekannten und Mitpassagieren weiß er, dass nicht alle das Fliegen so lieben wie er. Die wenigsten verstehen seine Faszination. Dabei hat er schon oft von ihr geschwärmt und versucht, sein Gegenüber zu überzeugen. „Wenn die Leute verstehen, was beim Fliegen passiert, und die physikalischen Zusammenhänge kennen, müssen sie davor keine Angst mehr haben", ist sich der Ingenieur sicher.

Warum fliegt ein Flugzeug?

Also hat er Ende vergangenen Jahres ein Buch über Flugangst und den Grat zwischen Angst und Faszination geschrieben. Tipps zu autogenem Training, Psycho-Ratschläge oder die Namen von Beruhigungsmitteln sucht man darin vergebens. „Mein Ansatz ist, den Menschen zu vermitteln, warum und wie ein Flugzeug fliegt", so der studierte Ingenieur. Durch die Antworten auf ihre Fragen sollen Angst-Passagiere Vertrauen zur Fliegerei aufbauen.

„Es ist ein großer Unterschied, ob man im Cockpit sitzt und genau weiß, was passiert, oder ob man in der Kabine ist", weiß Holzportz aus eigener Erfahrung. Zwei seiner Freunde sind Flugkapitäne. Einer fliegt meist von Köln aus Mittelstrecke, etwa auf die Kanaren, der andere von Frankfurt aus Langstrecke. Ihnen durfte Holzportz schon mehrfach vom versetzt hinter den beiden Piloten gelegenen Mittelsitz aus über die Schulter schauen. Dabei konnte er gleichzeitig seiner Leidenschaft frönen und für das Buch recherchieren.

Ob Addis Abeba in Äthiopien, Boston und New York (USA), Nizza, Thessaloniki, Dubai, Doha (Hauptstadt von Katar) oder Maskat, dem Regierungssitz des Omans: Seine Präsenz im Cockpit musste jeweils aufwendig genehmigt werden. „Als das alles durch war, habe ich den Flug auch ganz normal bezahlt, aber durfte eben auf dem besten Platz sitzen", erzählt Holzportz.

Neben den Erlebnissen im Cockpit hat der Deutsche auch mal eine Flugstunde in einer einmotorigen Maschine genommen. Auch der Besuch im Lufthansa-Aviation-Trainingscenter in Essen, bei dem er das Training der Piloten in einem Full-Flight-Simulator eines Airbus A 320-200 miterleben durfte, half ihm bei der Recherche für sein Buch. „Ich habe mir aber auch viele Erzählungen von Menschen mit Flugangst angehört. Die habe ich versucht, in eine Geschichte zu packen, etwa mit einer fiktiven Person namens Swen."

Beruhigende Mimik

Menschen, die wie Swen an Flugangst leiden, empfiehlt er in seinem Buch, zu verinnerlichen, was im jeweiligen Moment der Flugphasen passiert. „Allen, die wirklich panische Angst haben, rate ich, den Platz am Gang zu buchen", so Holzportz. Denn immer wieder haben ihm Betroffene geschildert, wie sehr die Mimik der Flugbegleiter sie beruhigt habe. „Es gibt eine gewisse Sicherheit zu sehen, dass sie nicht zusammenzucken, wenn die Maschine kurz durchsackt", so Holzportz. Und auch die Flugbegleiter hätten Passagiere, die unter Flugangst leiden, so viel besser im Blick.

Holzportz dagegen sitzt gern im Bereich der Tragflächen. Von dort aus kann er genau die Stellung der Flugklappen beobachten. Dann weiß er schon, welche Flugphase als Nächstes kommt. Obwohl er keine Angst hat, grummelt es bei heftigen Turbulenzen auch bei ihm schon mal im Bauch. Dennoch: „Ein Flugzeug fällt nicht einfach so vom Himmel." Das belegt Holzportz mit statistischen Zahlen in einem eigenen Kapitel des Buches.

Leser haben ihm bereits berichtet, dass sie viel Neues gelernt haben. „Wie sich das beim nächsten Flug auswirkt, wird sich dann nach der Pandemie zeigen", so Holzportz. Auch er übt sich noch in Geduld: Als Asthma-Patient gehört er zur Hochrisiko-Gruppe und muss daher noch warten, bis er wieder ein Flugzeug von innen sieht. „Sobald aber das Virus im Griff ist, kommen wir auf die Insel, das steht fest." Viel Gänsehaut-Feeling gibt es in Es Carnatge derzeit sowieso noch nicht.

Lesestoff

„Thema Flugangst: Fliegen zwischen Angst und Faszination", bei Tredition, 11 Euro (Taschenbuch)