Was wäre Mallorca ohne den Partykult? Isi Glück sieht ihre Branche in den Dreck gezogen. „Von allen Seiten wird auf uns eingeschlagen. Dabei haben wir hier doch schöne Zeiten erlebt", beklagt die Ballermann-Sängerin und frühere Miss Germany gegenüber der MZ. Corona dürfe kein Vorwand sein, um die Partymeile ins Abseits zu drängen, kritisiert Isabel Gülck, wie die 30-Jährige mit bürgerlichem Namen heißt. Über die schwierige finanzielle Lage des Megapark, den ihr Mann Carlos Lucio als Direktor leitet, könne sie keine Auskunft geben.

Seit Jahren kämpfen Mallorcas Politiker gegen den Sauftourismus. Bietet Corona nicht die passende Gelegenheit, um endlich die Betrunkenen loszuwerden?

Das finde ich unfair. Schon das Wort „Sauftourismus" ist negativ behaftet und wird automatisch mit „asozial" assoziiert. Meine Eltern und meine Oma kommen jedes Jahr her. Das sind sicherlich keine asozialen Sauftouristen. Ich lebe vom Partytourismus und es verletzt mich, wenn alle auf uns einschlagen.

Wobei Ihre Eltern sicherlich nicht zu den klassischen Playa-Gängern zählen.

Zu 100 Prozent. Meine Oma stand mit 85 Jahren gemeinsam mit mir vor zwei Jahren auf der Bühne. Meine Mutter liebt das Bamboleo, mein Vater den Megapark. Sie lieben Schlager und sagen mir immer: Es ist so toll, dass uns die jungen Leute hier akzeptieren und wir hier gemütlich zusammen feiern können.

Dabei sind sich alle einig: Politiker, Gastronomen und Hoteliers sagen, dass die Playa de Palma in dieser Form ein Schandfleck ist.

Und das finde ich so schade. Natürlich hatte in den Jahren zuvor der Tourismus zugenommen, und es ist etwas zu viel geworden. Aus Sicht einer Angestellten vom Megapark kann ich sagen: Es wird so viel dafür getan, um den Wünschen der Regierung gerecht zu werden. Der Megapark war vor einigen Jahren noch viel größer. Wir haben den oberen Bereich geschlossen, unten nur noch die Mitte geöffnet, neue Sicherheitskonzepte ausgearbeitet, und wir sorgen dafür, dass es in den Straßen rundherum sauber ist. Der Megapark gibt vielen sozial schwachen Personen einen Arbeitsplatz. Klar gibt es einige Gäste, die über die Stränge schlagen. Diese Leute fliegen aber raus, und wer zu betrunken ist, kommt gar nicht erst rein. Das sind vielleicht drei bis fünf Prozent. Das könnte man mit mehr Polizeipräsenz in den Griff bekommen. Dafür müssen wir aber nicht die ganze Playa eliminieren. Für die Deutschen ist das hier Kult. Der wird immer in den Köpfen der Urlauber bleiben.

Mallorca hat so viel zu bieten. Wer braucht da schon den Ballermann?

Das ist genau mein Argument. Es gibt viele schöne Orte. Leute, die ihre Ruhe haben wollen, können diese genießen. Wir sprechen von 500 Meter Strandabschnitt. Mallorca ist so groß, da muss man sich nicht unbedingt an dem einen Fleck aufhalten.

Wenn der Partytourismus so lukrativ ist, warum sind in der Initiative Palma Beach, die gegen den Ballermann ist, so viele Hoteliers und Gastronomen der Playa vertreten?

Es gibt Platz für alle. Sowohl für den gehobeneren Tourismus als auch für Partyfreunde. Die Hotels leben seit so vielen Jahren von den Partygästen. Da kann mir keiner erzählen, dass die ohne den Partykult ausgebucht wären. Ich kann die Sicht der Mallorquiner verstehen, die nichts mit unserer Feierei anfangen können. Doch man könnte gezielt Maßnahmen gegen einzelne Probleme treffen, anstatt alles pauschal zu verbieten. Es finden aber kaum Gespräche statt. Ich erfahre alles nur aus der Presse. Warum kann man sich nicht an einen Tisch setzen und gemeinsame Lösungen finden? Megapark und Bierkönig wären gesprächsbereit. Gefühlt war aber Francina Armengol noch nie am Ballermann.

Schämen Sie sich als Deutsche nicht für die Landsleute, die sich daneben benehmen?

Es sind ja nicht alles Vollidioten. Die meisten benehmen sich super. Das sind normale und gebildete Menschen, die Schlager feiern und ihr Bierchen in der Sonne trinken wollen. Keiner tut irgendjemandem was. Ich frage mich: Was macht die Playa de Palma denn zu so einem Schmutzfleck in den Augen der Regierung? Nachts laufen Prostituierte und Diebesbanden herum, die Urlauber überfallen. Das ist bekannt. Das sind nicht die Deutschen. Warum tut da niemand etwas dagegen? Das trägt dazu bei, darüber spricht aber keiner.

Aber diese Kriminalität wird doch eben von den Partytouristen angezogen.

Meiner Meinung nach könnte man da mit mehr Polizei und Sicherheitskräften eine Lösung finden. Ich habe ein Jahr direkt an der Playa gelebt. Hier wird viel weggeguckt. Ich komme aus der Nähe von Hamburg. Auf der Reeperbahn funktioniert es doch auch. Ich habe nichts gegen die Qualitätsoffensive. Der Megapark versucht, das Niveau zu heben, engagiert zahlreiche DJs und veranstaltet Festivals. Wir könnten gemeinsam ein tolles Klima schaffen. Dennoch wird Corona genutzt, um draufzuhauen, statt sich gegenseitig den Rücken zu stärken.

Können Sie sich ein Leben ohne den Ballermann vorstellen?

Schon vor der Künstlerkarriere habe ich hier gefeiert. Es ist ein Lebensgefühl. Das würde mir fehlen. Das mag nicht jeder verstehen.

Die Corona-Kurve sieht auf Mallorca wesentlich besser als in Deutschland aus. Dann sollen jetzt Tausende Deutsche an der Playa Party machen?

Party wird es 2021 nicht geben, das wollen wir auch nicht. Ich rechne nicht damit, dass ich diese Saison Auftritte machen kann. Es geht nicht um dieses Jahr. Ich verstehe es, dass in der Pandemie nicht groß gefeiert wird. Das können wir meinetwegen auf 2022 verschieben. Ich würde es aber gut finden, wenn der Megapark öffnen dürfte. Der ist groß genug, dass man mit Abstand, Atemmaske und leiserer Musik die Leute unterhalten könnte. Ich habe im vergangenen Jahr während Corona zehn Sitzplatzkonzerte in Deutschland, Luxemburg und der Schweiz gegeben. Das hat sehr gut funktioniert.

Schon im Alltag sitzt bei vielen Leuten die Atemmaske recht locker. Nach ein paar Bier schert sich doch keiner mehr um irgendwelche Corona-Maßnahmen.

Wohin gehen die Leute denn sonst? Die treffen sich am Strand und in den Straßen. Da mache ich mir schon Sorgen. Dort trinken sie das Bier genauso. In den Partytempeln könnte man die Leute an die Tische platzieren und mit Sicherheitskräften kontrollieren. Ich habe beobachtet, dass die Urlauber, die herkommen, ein hohes Maß an Eigenverantwortung mitbringen.

Ähnliche Versuche hat es schon im vergangenen Sommer gegeben, sie sind aber kläglich gescheitert.

Die Gefahr ist da. Die Urlauber werden aber kommen. So oder so. Da wir kein Risikogebiet mehr sind, buchen alle Touristen Flüge. Das ist verständlich. Ich freue mich zwar darüber, aber vielleicht hätte man da eine andere Regelung finden müssen. Am Ende heißt es wieder, wir Deutschen konnten uns nicht benehmen. Über das Wie kann ich nicht urteilen. Ich bin keine Politikerin. Aber ich würde die Big Player mit an die Hand nehmen.

Wird es nach Corona überhaupt noch große Tanztempel geben?

Ich bin Optimistin. Ich wünsche es mir und glaube auch daran. Eine normale Party wird es aber wohl vor 2022 nicht geben. Vielleicht helfen uns die Schnelltests, die in Deutschland immer weiter verbreitet sind. In Amsterdam gab es schon eine Testparty. 1.500 Leute haben am Einlass den Schnelltest gemacht, nach zwei Minuten waren die Ergebnisse da, und die Partygäste konnten ohne Maske und Abstand feiern.