Erst ein kurzer Plausch über das Wetter an den Orten der einzelnen Mitglieder, dann begrüßt Sarah Böttger die Teilnehmer des virtuellen Raums „#Mallorca" einzeln. Welche Themen sie mitgebracht hätten, fragt die Moderatorin und Unternehmensgründerin. Es ist ein seltsames Gefühl, andere sprechen zu hören, selbst aber auf stumm geschaltet zu sein. Die Zeit lässt sich aber dafür nutzen, in Ruhe die Profile der Teilnehmer durchzusehen. Eine Teilnehmerin möchte zum heutigen Motto „Talking Business" über ihr Lieblingsthema sprechen: die Zukunft des Tourismus auf der Insel. Gerade bei den Hotels gebe es ernst gemeinte Initiativen, sich auf Premiumtourismus umzustellen, meint sie. Wer will, darf eigene Erfahrungen schildern. Die MZ-Redakteurin hört an diesem Mittwochabend (5.5.) aber erst einmal zu und freut sich, nach anfänglichen technischen Hürden überhaupt dabei zu sein.

Das ist nämlich gar nicht so einfach bei Clubhouse, einer App, in der Menschen in digitalen Räumen live miteinander diskutieren und Kontakte knüpfen. Wer Clubhouse ohne Einladung herunterlädt, kann nicht einfach so ein Nutzerkonto eröffnen. Der Zugang zum Club bleibt einem - ähnlich wie in so mancher Partynacht - erst einmal verwehrt. Das scheint den Hype um die audiobasierte, aus den USA stammende App erst recht zu befeuern. Brach er Anfang des Jahres in Deutschland aus, wird Clubhouse mittlerweile auch auf Mallorca bekannter. Während es zunächst vor allem Unternehmer waren, hoffen mittlerweile auch immer mehr Kreative und Privatpersonen auf einen Einladungslink, um ebenfalls Teil der Community sein zu können.

Wir wollen wissen, worin der Reiz besteht, stundenlang fremden Menschen zu lauschen, die sich auch zu Mallorca-Themen austauschen. Die MZ-Redakteurin hat Glück und bekommt einen Einladungslink von Böttger. Die Mallorca-Liebhaberin, die 2016 einen Veranstalter für Wanderreisen (Tramunquiero) gegründet hat, ist seit Februar überzeugte Clubhouse-Nutzerin. Sie hat die Clubs „#Mallorca" (273 Follower) und „Tramuntana" (195 Follower) gegründet. „Der Mallorca-Club war einer der ersten", so die 33-Jährige. In ihm werden jede Woche zwei Räume geöffnet: dienstags um 21 Uhr „Wir lieben Mallorca", mittwochs um 20.30 Uhr „#Mallorca", den Böttger auch selbst moderiert.

Zunächst aber die Anmeldung. Sie klappt erst nach Eingabe des Klarnamens. Auch hier bestätigt sich: Clubhouse wird zu Recht dafür kritisiert, Daten aus seinen Nutzern zu saugen. Da dauerhaft im Profil steht, wessen Einladung man einst gefolgt ist, sollte man sich gut überlegen, ob man mit der jeweiligen Person öffentlich in Verbindung gebracht werden will, rät Böttger. Sie spielt damit etwa auf Personen mit rechtsradikalen Inhalten an.

Exklusivität schaffen

Dass bei Clubhouse nicht jeder einfach so zugelassen wird, schafft eine Form von Exklusivität und ist gleichzeitig ein wichtiger Teil der Marketing-Strategie. Vor allem als Neuling fragt man sich jedoch, ob sich die Macher der App mit dieser Einladungspolitik nicht auch ins eigene Fleisch schneiden - zumal die Hürden bei der Anmeldung erst der Anfang sind und Android-Nutzer derzeit noch ganz außen vor bleiben (Kasten). Wer sich erst einmal erfolgreich registriert hat, muss sich weitere Funktionen erst verdienen. Nutzer können etwa nicht gleich von Beginn an Freunde und Bekannte einladen - und schon gar nicht, wenn sie den Zugriff auf ihr Telefonbuch nicht freigegeben haben.

Auch in einem der thematischen Räume mitdiskutieren, geht nicht ohne Weiteres. Wer gehört werden will, muss vom Moderator erst auf die Bühne (stage, siehe Foto) geholt und zum Sprecher (speaker) erklärt werden. Dafür heißt es, wie in der Schule die Hand zu heben - dafür gibt es ein eigenes Icon - und darauf zu hoffen, dass der Moderator anschließend das Mikrofon auf laut schaltet.

Debattieren und Networken

Die Debatte im Raum „#Mallorca" geht weiter. Ein Teilnehmer, der auch mitverfolgt, was die CEOs der großen Hotelketten auf LinkedIn schreiben, fragt in die Runde, wie viele Hotels auf der Insel derzeit wohl zum Verkauf stehen. Immer wieder kommen neue Zuhörer hinzu, andere verlassen unauffällig wieder den Raum. Dafür ist der „Leave quietly"-Button schließlich da. In Böttgers vergleichsweise kleiner Gruppe mit durchschnittlich zehn bis 15 Teilnehmern darf jeder, der will, auf die Bühne. „Das ist der Vorteil von kleineren Räumen. Bei anderen mit hundert Zuhörern meldet man sich und hat dann vielleicht einmal die Gelegenheit, etwas zu sagen. Dann ist schon der nächste dran", so Böttger.

Ihre Clubhouse-Teilnehmer seien durchschnittlich 40 Jahre alt, lebten im deutschsprachigen Raum oder auf der Insel und arbeiteten in ganz verschiedenen Bereichen. Persönlich kennen sich bislang, schon wegen der Pandemie, die wenigsten von ihnen. „Ein hoffentlich baldiges Treffen auf der Insel" ist in der heutigen Runde immer wieder Thema. Mit einem Dutzend Mitgliedern sei sie zumindest digital regelmäßig in Kontakt, so die Unternehmerin, die ab dem kommenden Jahr auch einen Zweitwohnsitz auf Mallorca haben will. Eine Nachrichtenfunktion bietet Clubhouse zwar nicht, man kann aber den Mitgliedern, die ihre Profile auf anderen sozialen Netzwerken wie Instagram oder Twitter verlinkt haben, immerhin dort schreiben.

Während die Gruppe über mehr Angebote für digitale Nomaden auf Mallorca diskutiert, geht es gesittet zu. Niemand fällt einem anderen ins Wort, alle sind freundlich, und jeder, der vorbeischaut, wird willkommen geheißen. Dabei enttarnt sich auch so mancher, der wohl nur zuhören wollte, dessen Mikrofon aber plötzlich von der Moderatorin freigeschaltet wird. „Der surft wohl gerade", kommentiert jemand den Beitritt eines anderen, von dessen Smartphone nur Störgeräusche zu hören sind. Böttger dreht dem Mikrofon wieder den Saft ab.

Ein weiterer langjähriger Resident schaltet sich dazu. Worum es denn hier gehe, fragt er, und erzählt sodann seine eigene Mallorca-Geschichte. Auf einmal dreht sich das Gespräch aber um den Chlorgehalt im Leitungswasser von Palma. Bevor der Autor sich Minuten später wieder verabschiedet, nutzt er noch die Gelegenheit, um Werbung für die Lesung seines Mallorca-Buchs zu machen. Sie findet gleich in einem separaten Raum statt. „Kommt gerne vorbei!", lädt er ein.

Heute geht die Runde nach anderthalb Stunden zu Ende. „Ich war auch schon in Räumen, in denen die Teilnehmer schon seit sieben Stunden am Quatschen waren", erzählt Böttger. Vor allem in der Anfangszeit seien viele Jungunternehmer nahezu süchtig nach Austausch sowie hilfreichen Tipps von Profis und befürchteten, etwas zu verpassen. „Auch ich stand während der ersten zwei Wochen wie unter Strom", meint Böttger.

Sich hören statt nur schreiben

Auch wenn es noch einige Funktionen zu verbessern gibt - die App ist noch in der Beta-Version - schätzt die Deutsche die besondere Art des Networking bei Clubhouse: „Dadurch, dass man sich unterhält und auch die Stimme des anderen hört, lernt man die Leute ganz anders kennen, als wenn man etwa nur über Instagram schreibt. Es wird schneller privat."

Bis noch mehr Menschen den Weg in den virtuellen Club gefunden haben, gibt Böttger ihren Räumen bewusst noch weit gefasste Titel. „Es gibt schließlich immer noch Leute, die denken, Clubhouse ist ein Gebäude." Die Corona-Pandemie habe aber schon jetzt das Potenzial der Anwendung deutlich verstärkt, vor allem für Singles oder Nutzer ohne Familie, die sich seither oft einsam fühlen. „Die App hätte viel früher kommen sollen."

Hier geht's nach Mallorca

Wer andere Insel-Clubs oder Personen, die mit Mallorca zu tun haben, finden will, kann unter dem Lupensymbol links oben in die Suchleiste „Mallorca" eingeben und dann „people" oder „Clubs" anwählen. Dann im Club oder auf dem Profil der jeweiligen Person auf „follow" klicken. Eine weitere Möglichkeit bietet die Suche nach Interessengebieten. Bei der Anmeldung oder später in den Einstellungen des Profils können Nutzer Hobbys und Themengebiete wählen. Je nach Auswahl bekommen sie dann dazu passende bald anstehende Räume angezeigt und können sich dazuschalten. Ausgeschlossen sind bisher Nutzer des Betriebssystems Android. Ein Jahr nach dem Launch für iOS-Nutzer kündigen die Erfinder der Audioplattform nun für Mai eine Beta-Version für Android an. Beim MZ-Test am Montag (10.5.) konnten wir uns aber nur vorregistrieren. Der Club öffnet bisher also nur für iPhone-Nutzer.

Wer Clubhouse selbst ausprobieren will, hier ein Einladungslink für den #Mallorca-Raum von Böttger:

https://www.joinclubhouse.com/join/%23Mallorca/AfsSMgNv/PrDOAKWG (gültig bis 7. Juli 2021)