Der Sommer ist vorbei, das Wetter wird herbstlich, und seit ein paar Wochen hat die Schule wieder begonnen. Damit werden auch viele von den Allerkleinsten erstmals den Kindergarten oder die Kinderkrippe besuchen. Für uns Kinderärzte bedeutet dies, dass bald wieder unsere „Haupt­saison" beginnt, sich unser Wartezimmer vermehrt mit kleinen Patienten mit Fieber, Schnupfen und Husten füllt. Und wenn das Kind dann einen Infekt nach dem anderen bekommt, fragen sich so manche Eltern, ob das denn noch „normal" ist, oder ob das Kind „abwehrschwach" ist.

Zunächst einmal zum Begriff „normal". In der Medizin ist der Begriff statistisch definiert: Ein Merkmal ist normal, wenn es die Mehrheit (beispielsweise mehr als 90 Prozent) der gesunden Mitglieder einer Gruppe (zum Beispiel aller Kinder) aufweist. Was bedeutet aber nun im Hinblick auf die Anzahl von Atemwegsinfekten bei Kindern normal? Ende der 60er Jahre wurde über mehrere Jahre untersucht, wie viele Atemwegsinfektionen gesunde Kinder verschiedenen Alters pro Jahr durchmachen. Dabei zeigte sich, dass die Mehrheit der Kinder im Alter von ein bis zwei Jahren an ein bis zwölf (im Mittel sechs) Infektionen der Atemwege pro Jahr litten. Auch im Alter von fünf bis neun Jahren bekamen die Kinder immerhin im Durchschnitt noch vier Atemwegsinfekte pro Jahr.

Somit kann es also durchaus noch normal sein, wenn ein Kleinkind bis zu zwölf Atemwegsinfekte pro Jahr bekommt. Bedenkt man dann noch, dass die Vielzahl dieser Infekte in die kalte Jahreszeit fällt, so könnte ein Kind im Extremfall im besagten Zeitraum bis zu zwei Infekte pro Monat bekommen; salopp gesagt wäre es also den ganzen Winter über nicht beschwerdefrei, und dennoch wäre dies noch normal. Im Vergleich mit seinen robusteren Altersgenossen wäre besagtes Kind sicher abwehr­schwächer, aber eben nicht krankhaft abwehrschwach.

Aber natürlich gibt es auch Kinder, die eine echte krankhafte Abwehrschwäche aufweisen, medizinisch spricht man dann von einem Immundefekt. Hierbei kommt es nicht nur darauf an, wie viele Infektionen ein Kind durchmacht, sondern auch wie schwer diese sind, wie gut die Infektionen auf die Medikamente ansprechen, und ob das Kind ansonsten gut gedeiht.

Als „Bubbleboy" kam ein Junge namens David Vetter in den 70er Jahren zu ­trauriger Berühmtheit, weil er sein ganzes Leben aufgrund eines sehr schweren Immun­defektes zum Schutz vor Keimen in einer Art Kunstoffblase verbrachte. Seitdem wurden viele weitere schwere und weniger schwere Immundefekte beschrieben und erforscht.

Im Einzelfall ist es nicht immer leicht zu beurteilen, ob ein Kind vielleicht nur normal anfällig ist oder eben doch schon krankhaft abwehrschwach. Der Kinderarzt kann mit einer genauen Anamnese, einer gründlichen Untersuchung und seiner Erfahrung Entwarnung geben oder bei Bestehen bestimmter Warnzeichen das Immunsystem mit speziellen Untersuchungen auf seine Funktionsfähigkeit ­untersuchen.

Dr. Jan Ramakers praktiziert als Kinderarzt in Palma. Tel.: 668-69 01 94, E-Mail: kinderarzt@dr-­ramakers.eu