Die 36-Jährige merkte ziemlich schnell, dass etwas nicht stimmte. Gemeinsam mit ihrem Mann, von dem sie sich gerade scheiden lassen wollte, war sie im April dieses Jahres zu einem Kindergeburtstag in Palma eingeladen. In einem Moment, in dem sie ihr Getränk unbeaufsichtigt stehen ließ, schüttete ihr ihr Mann offensichtlich etwas hinein.

Im Landeskrankenhaus Son Espases stellte sich jetzt nach fast einem halben Jahr heraus, dass es sich bei der Substanz um die Droge Scopolamin handelte - eine Art K.o.-Tropfen, besser bekannt unter dem lateinamerikanischen Begriff burundanga. Diese Droge mit dem Wirkstoff Hyocsin schaltet bei der Person, der der Wirkstoff verabreicht wird, den Willen für einige Stunden aus und macht sie somit zu einem perfekten Opfer für Diebstähle, Vergewaltigungen und andere Verbrechen.

Im Falle der 36-Jährigen in Palma ging es glimpflich aus. Die vergiftete Frau rief eine Freundin an. Diese verständigte die Polizei, die im Krankenhaus ein Drogen­test veranlasste. Seither gilt er als erster offizieller Burundanga-Nachweis in Spanien.

Doch auch in vielen ähnlich gelagerten Fällen dürfte diese Droge im Spiel gewesen sein, man konnte sie nur nicht zweifelsfrei belegen. So wohl auch bei fast 40 Frauen, die laut „El Mundo" vor einigen Jahren in Madrid von einem Kolumbianer mit der Substanz vergiftet wurden. Mit elf von ihnen kam es anschließend zum Geschlechtsverkehr, in den anderen Fällen blieb es bei sexueller Belästigung.

Die Droge hat für Kriminelle zwei Vorteile: Sie ist zum einen nicht besonders schwierig zu bekommen - im Internet gibt es diverse Foren, in denen Burundanga angeboten wird. Wer über genügend kriminelle Energie und chemische Grundkenntnisse verfügt, kann die Substanz auch selbst aus Nachtschattengewächsen gewinnen. Der Stoff ist unter anderem in den Pflanzen Stechapfel, Alraune, Bilsenkraut und vor allem der Engelstrompete enthalten. Der zweite Vorteil für Kriminelle ist der äußerst komplizierte Nachweis der Droge bei den Opfern. Zum einen, weil Burundanga geschmacks- und geruchsneutral ist, das Opfer spürt bei der Einnahme also nichts. Zum anderen baut sich die Substanz rasant im Körper wieder ab. Im Blut kann der Wirkstoff bereits nach sechs Stunden, im Urin nach zwölf Stunden nicht mehr nachgewiesen werden.

Verantwortliche Ärzte in großen Krankenhäusern in Madrid und Barcelona schätzen, dass bis zu 30 Prozent der Sexual­straftaten auf Verwendung von Burundanga oder ähnlichen Stoffen zurückzuführen sind. Der Wirkstoff Hyoscin bewirkt neben dem Ausschalten des eigenen Willens auch, dass sich die mit dem Mittel ausgeschaltete Person hinterher an nichts erinnern kann. Ab einer Menge von etwa 100 Milligramm kann die Droge zu einem Herzstillstand und somit zum Tod führen.

Trotzdem sind Meldungen über Burundanga in Europa noch nicht an der Tagesordnung - anders als in vielen lateinamerikanischen Ländern. Die dortigen Ureinwohner kannten die Wirkung von Scopolamin bereits seit der Jungsteinzeit. In vergangenen Jahrhunderten verabreichte man Sklaven das Mittel in Getränken und konnte somit zwei bis drei Stunden über die vorübergehend willenlosen Menschen verfügen. Allerdings ranken sich um Burundanga auch viele Legenden und Halbwahrheiten. Immer wieder wird etwa behauptet, es reiche aus, das Mittel den Opfern ins Gesicht zu wedeln oder zu pusten. Experten versichern jedoch, dass das nicht möglich sei.