Die Initiative nahm in der Nacht zum 22. April ihren Anfang. Die gelernte Rettungsassistentin Manuela Rosi war auf dem Rückweg von der Playa de Palma, als sie auf der Landstraße nach Campos an einem zerstörten Auto vorbeikam. Was die 39-Jährige erlebte, schildert sie in einem Kommentar auf der MZ-Facebook-Seite:

„Alles war dunkel, und mir fiel auf: Da stand kein Warndreieck. Ich weiß, dass man auf Mallorca keine Unfallautos an der Seite stehen lässt. Mein Instinkt sagte mir: Fahr zurück. Mittlerweile waren schon fünf Autos vorbeigefahren. Ich hielt an. Da lag ein Mann blutüberströmt im Auto, Kopf auf dem Airbag, ich sah, dass er aus Ohren und Nase blutete. In meinem Mietwagen waren keine Handschuhe. Ich wollte ihm helfen, aber er war eingeklemmt. Ich rief die Polizei, sie traf nach zehn Minuten ein. Er atmete immer flacher. Die Ambulanz kam erst nach 25 Minuten. Die Polizei versuchte, ihn rauszuholen, aber er war zu fest eingeklemmt. Sie versuchten alles, um ihn zu retten. Er starb vor meinen Augen."

Nach dem schrecklichen Erlebnis ist die Deutsche aktiv geworden: Auf einer eigenen Facebook-Seite („Mallorca erste Hilfe") gibt sie Deutschen wie auch Einheimischen auf der Insel zweisprachig Tipps, was im Notfall zu tun ist. Oder sie empfiehlt ein gerade aktuelles Sonderangebot für Verbandskästen bei Lidl. Und nicht nur das. „Ich möchte mich einsetzen und dafür Stimmen sammeln, dass auf Mallorca Sanitätskästen in Mietwagen Pflicht werden." Angesichts der großen Zahl von Leihwagen wäre dies ein großer Fortschritt für die Erste Hilfe.

Auf die Facebook-Kommentare wurde inzwischen auch Mark Brommenschenkel aufmerksam. Der ehemalige Vorsitzende des Bundesverbands für Erste Hilfe und Sanitätswesen, der auch im Fachbeirat Deutsche Herzwacht e.V. sitzt, plant nun zusammen mit Manuela Rosi ein weitergehendes und langfristiges Projekt zur Ersten Hilfe auf Mallorca. Der Plan: Kurze Workshops sollen verschiedenen Zielgruppen die nötige Sicherheit geben, um „die ersten 15 bis 20 Minuten bis zum Eintreffen der Profis ohne große Panik überbrücken und wirklich helfen zu können", erklärt Brommenschenkel.

Geplant sind die Workshops nicht nur für Mallorca-Deutsche. Sie sollen auch auf Spanisch und Englisch stattfinden. Zum einen denken Rosi und Brommenschenkel an die Verkehrsunfälle, die gerade in den vergangenen Wochen zahlreiche Menschenleben auf Mallorca kosteten, zum anderen aber auch an viele andere Situationen, in denen Erste Hilfe lebenswichtig ist: Badeunfälle, Betriebsunfälle, ein plötzlicher Herzinfarkt. Rosi verweist weiterhin auf die Folgen der Alkoholgelage in den Party­tempeln oder an der Promenade der Playa de Palma, wo sich viele Passanten nicht um am Boden liegende Betrunkene kümmerten.

Auch das Rote Kreuz auf Mallorca tastet sich an immer neue Zielgruppen heran: Sportvereine, Schulen, Freizeitsportler. „Wir haben natürlich weiterhin den Standardkurs zur Ersten Hilfe mit 50 Stunden im Programm", sagt die zuständige Koordinatorin Victoria Avellà. „Daneben wollen wir aber auch andere Zielgruppen mit Basiskursen sensibilisieren."

In Spanien ist das auch deswegen wichtig, weil im Gegensatz zu Deutschland kein Erste-Hilfe-Kurs absolviert werden muss, um den Pkw-Führerschein zu bekommen. Und auch an den Schulen gebe es bislang nur einzelne Projekte für Kursangebote, so Avellà. Zumindest wüssten aber immer mehr Menschen, dass jede Hilfe besser sei als keine Hilfe.

Erste Regel: keine Angst

Das ist auch eine der wichtigsten Botschaften von Rettungsassistentin Manuela Rosi. „Der einzige Fehler, für den Unfallzeugen bestraft werden können, ist, tatenlos zuzusehen und nicht wenigstens die Rettungskräfte zu alarmieren." Sofern ein Ersthelfer nach bestem Wissen und Gewissen handle - grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz also auszuschließen sind -, habe er nichts zu befürchten. „Auch nicht, wenn er zum Beispiel ein Kleidungsstück des Verletzten zerreißt." Das zahlt alles die Versicherung.

PAS: Helfen in drei Schritten

Spanischen Kursteilnehmern wird zur ersten Orientierung die PAS-Regel nahegebracht: Proteger (schützen), Avisar (Notruf absetzen), Socorrer (retten). Konkret für einen Verkehrsunfall bedeutet das: erst einmal Warnblinker am eigenen Auto einschalten, Warnweste anlegen, nicht auf der Fahrbahn laufen, Unfallstelle mit Warndreieck in 100 bis 200 Metern Entfernung am Fahrbahnrand (nicht auf der Straße) absichern.

Als Nächstes müssen nach Möglichkeit Helfer in der Umgebung durch Winken oder Rufen alarmiert und der Notruf abgesetzt werden (siehe Kasten linke Seite). Dabei wollen die Mitarbeiter in der Zen­trale vor allem wissen: Wo hat sich der Notfall ereignet? Was ist passiert? Wie viele Personen sind verletzt oder erkrankt? Welche Verletzungen/Erkrankungen liegen vor? Anschließend sollte man vor Aufregung nicht gleich auflegen, sondern Rückfragen abwarten.

Jetzt erst kann die eigentliche Erste Hilfe beginnen. Mit vier Maßnahmen sei man für die meisten Notfälle gerüstet, so Avellà: dem Stillen von Wunden, der Herz-Druck-Massage und Beatmung, der stabilen Seitenlage sowie dem sogenannten Heimlich-Manöver bei Erstickungsgefahr. Dabei umfasst der Helfer den Patienten von hinten und befördert durch eine kräftige Bewegung einen Fremdkörper aus der Luftröhre.

An der Unfallstelle

Bei der Hilfe für den Verletzten lautet die erste Frage: Ist er ansprechbar? Falls ja, kann der Helfer beginnen, Wunden zu stillen - nach Möglichkeit mit Handschuhen und frischem Verbandszeug. Um eine Blutung zu stillen, sollte der Arm oder das Bein hochgelagert werden. Helfen lässt sich aber nicht nur medizinisch, sondern auch psychologisch. Das heißt: beruhigen, Schock lindern (auch

hier hilft: Beine erhöht lagern), trösten und beistehen, dableiben - die psychische Belastung kann schließlich auch den körperlichen Zustand verschlechtern.

Ist der Verletzte nicht ansprechbar? Dann sollten der Kopf überstreckt und der Atem kontrolliert werden. Dazu hält der Ersthelfer am besten die eigene Wange an Mund und Nase des Verletzten, um den Atem auf der Haut zu spüren, und prüft zudem, ob sich der Brustkorb hebt und senkt.

Ist keine Atmung vorhanden, folgen Atemspende und Pulskon­trolle. Ist auch kein Puls zu spüren, leitet der Ersthelfer die Herz-Lungen-Wiederbelebung ein, ansonsten fährt er lediglich mit der Atemspende fort. Auch bei der Wiederbelebung gibt es eine einfach zu merkende Regel, sie lautet 30?:?2 - das heißt, 30-mal auf den Brustkorb drücken, anschließend zweimal über den Mund oder die Nase beatmen und so weiter. Wer das Kontaktrisiko scheue, könne in seinem Fahrzeug auch eine Beatmungsmaske bereithalten, empfiehlt Rettungsassistentin Rosi - ein Tuch, auf das zudem auch Instruktionen gedruckt sind.

Atmet der Verletzte, kommt die stabile Seitenlage zur Anwendung, die jeder einmal im Erste-Hilfe-Kurs geübt haben dürfte. Zur Erinnerung: Neben den Betroffe­nen knien und den nahen Arm im rechten Winkel nach oben legen. Den anderen Arm vor der Brust kreuzen und den Handrücken des Betroffenen an die einem zugewandte Wange legen. Das entfernte Bein hochziehen, den Bewusstlosen an diesem Bein greifen und auf die Seite zu sich herrollen. Endposition: Kopf überstreckt, Mund leicht geöffnet, Bein im rechten Winkel zur Hüfte. Die Hand unter der Wange ist so ausgerichtet, dass der Kopf überstreckt bleibt und das Gesicht nach unten zeigt.

Badegäste und Partygänger - Erste Hilfe an der Playa

Wiederbelebung und stabile Seitenlage können auch am Strand Leben retten - bei der großen Zahl der Badegäste kommt es regelmäßig zu Notfällen, und nicht immer sind die Rettungsschwimmer nahe oder im Einsatz. Rettungsassistentin Rosi denkt aber auch an das Nachtleben an der Playa de Palma und die große Zahl betrunkener Urlauber. Erst vor wenigen Wochen war ein Deutscher ums Leben gekommen, als er nach einer Partynacht offenbar wenige Stufen vor dem Hoteleingang an der Playa de Palma hinunterstürzte und unbeachtet liegen blieb. In Magaluf ertrank kurz darauf eine offenbar betrunkene britische Urlauberin in der Badewanne.

Rosi hat deswegen auf der Facebook-Seite „Mallorca erste Hilfe" eine Liste mit Tipps zusammengestellt - von Strategien, betrunkene Mitmenschen vom weiteren Alkoholkonsum abzubringen, über den Schutz vor Unfällen und Ersticken am Erbrochenen (stabile Seitenlage!) bis hin zu möglichen Anzeichen einer Alkoholvergiftung wie etwa blauen Lippen, schnellem Puls oder Erbrechen während des Schlafs. In keinem Fall sollte man einen Betrunkenen alleine lassen, warnt die Deutsche.

Schlaganfall schnell erkennen

Einfache und gleichzeitig lebensrettende Regeln gelten auch für das richtige Deuten der Zeichen eines Schlaganfalls - gerade hier ist schnelle Hilfe wichtig. Erkannt werden kann ein Notfall an vier Punkten, wie Rosi erklärt: die Person nacheinander bitten zu lächeln, einen ganz einfachen Satz zu sprechen, beide Arme zu heben sowie die Zunge herauszustrecken. Hat die Person mit einem der Schritte

Probleme, sollte sofort der Notarzt alarmiert werden.