Sandra (Name von der Redaktion geändert) war 36 Jahre alt, als bei ihr Zöliakie festgestellt wurde, oder umgangssprachlich: Gluten-Unverträglichkeit. Das war neun Jahre, nachdem die Deutsche nach Mallorca ausgewandert war. „Probleme hatte ich schon immer, schon als Kind hatte ich eigentlich ständig Durchfall", berichtet sie. Doch bei zahlreichen Untersuchungen wurde nichts festgestellt. „Also schoben es die Ärzte auf die Psyche, sagten, es käme vom Stress." Daran glaubte Sandra nie. „Ich dachte immer, es könne etwas Schlimmeres sein, Morbus Crohn zum Beispiel." Als auf Mallorca dann die Gluten-Unverträglichkeit festgestellt wurde, war Sandra zunächst erleichtert. „Ich dachte: Gut, dass es nur das ist." Heute, 17 Jahre später, sieht sie das nicht mehr so locker. „Die Zöliakie beeinträchtigt mein Leben jeden Tag. Und ich weiß, dass sich das nie ändern wird."

Zöliakie ist eine Autoimmunkrankheit, bei der die Dünndarmschleimhaut chronisch entzündet ist, weil sie auf Bestandteile von Gluten überempfindlich reagiert, und gilt laut der balearischen „Asociación de Celíacos" (ACIB) als die häufigste chronische Darmkrankheit in Spanien. Betroffen ist rund ein Prozent der Bevölkerung.

„Die Dunkelziffer liegt aber höher", ist sich Benedikt Fink, Facharzt für Innere Medizin und Ernährungsmedizin am Facharztzentrum Santa Ponça, sicher. „Die üblichen Bluttests sind sehr ungenau, da sie nur nach Antikörpern von Gliadin suchen. Aber wirklich Aufschluss kann nur eine Darmspiegelung samt Gewebeprobe geben." Und: Nicht alle Erkrankten haben die gleichen Symptome: „Manche haben mehr Schmerzen, andere weniger oder gar keine. Aber der Schaden, der entsteht, wenn Zöliaker Gluten zu sich nehmen, ist der gleiche", so Fink. Langfristig kann es zu Blutungen und Magengeschwüren kommen, die den Verdauungstrakt dauerhaft schädigen. Medikamente gibt es gegen die Zöliakie nicht. Fink: „Das einzige, was hilft, ist eine strenge Diät."

Sandra weiß das nur allzu gut. Und auch, wie schwer das ist. Anders als weithin angenommen reicht es nämlich nicht, einfach nur auf Weizen zu verzichten. Auch Roggen, Dinkel, Hafer und Gerste enthalten Gluten. Und nicht nur das: „Glutenspuren sind in so vielen Produkten enthalten. Bei allem, was industriell hergestellt wurde, muss man aufpassen und genau die Etiketten lesen. Und das ist gerade am Anfang total kompliziert", berichtet Sandra. Da­runter fallen auch Getränke. Unbekümmert kann sie eigentlich nur frisches Gemüse, Reis, Eier, unbehandeltes Fleisch, Mais und Milch zu sich nehmen. Bei allem anderen ist sie stets auf der Hut. Noch komplizierter wird es, wenn sie auswärts essen will. „Einfach mal spontan mit Freunden frühstücken gehen, ist praktisch unmöglich", erzählt sie. „Es reicht nicht, einfach nur Speisen zu bestellen, die kein Gluten enthalten. Denn auch bei der Zubereitung können sie kontaminiert werden. „Bei manchen Bars rufe ich am Vortag an, damit sie mein Essen für mich in einer Ecke der Küche zubereiten, in der nicht vorher glutenhaltige Lebensmittel verarbeitet wurden." Selbst im Ofen könnten Glutenspuren auf ihr Essen überspringen. „Deshalb ist es auch kaum möglich, bei Freunden zu essen."

Alles übertrieben? „Nein", ist sich Sandra sicher. Vor wenigen Monaten ging sie in einem Restaurant im Fan-Shopping-Center essen, das sich glutenfreie Speisen auf die Fahnen geschrieben hat. „Aber scheinbar hat ein Kellner etwas durcheinander gebracht", berichtet Sandra. Anderthalb Stunden später musste sie in die Notaufnahme der Juaneda-Klinik gebracht werden, so heftig reagierte ihr Körper.

„Viele nehmen die Zöliakie nicht ernst. Oft verdrehen die Leute die Augen", berichtet Sandra. Spezielle Kurse über Allergene und Unverträglichkeiten sollten in Bars und Restaurants Pflicht sein. „Nur so kann man Notfälle verhindern", findet sie. Das würde nicht nur den Zöliakern helfen, sondern auch all denjenigen, die unter Weizenallergien leiden. „Anders als Unverträglichkeiten können Allergien irgendwann wieder verschwinden", erklärt Facharzt Benedikt Fink den Unterschied.

Immerhin: In den vergangenen Jahren hat sich einiges getan. Seit Dezember 2014 müssen gastronomische Betriebe laut EU-Verordnung die Inhaltsstoffe ihrer Gerichte auf einer Karte angeben. „Viele halten sich aber nicht daran", so eine Sprecherin der balearischen

Zölikervereinigung ACIB. Zudem gäben viele Betriebe zwar die Allergene an, nicht aber sämtliche Zusatzstoffe, die Glutenspuren enthalten können.

„Aber in der Gesellschaft ist das Verständnis immerhin etwas gewachsen", so die betroffene Sandra. Auch die Lebensmittelindustrie mache Fortschritte. Früher schickte ihre Familie ihr Essenspakete aus Deutschland, heute weiß Sandra, wo sie was auf der Insel bekommt - auch wenn sie dafür häufig aus dem Inselosten nach Palma fahren muss.

„Und teurer sind die Produkte meist auch, aber immerhin schmecken sie mittlerweile." Sie hat gelernt, positiv zu denken. „Sonst macht es einen verrückt."

Glutenfrei essen - Hier kann man sich auf Mallorca (fast) sicher sein:

Supermärkte: Nicht jedes Glutenfrei-Logo hält, was es verspricht. Sicher ist man in Spanien bei den Siegeln der Organisation „Face" (siehe oben).

Gastronomie:

- Palma (Auswahl): Claxon, Buscando el Norte, Urban Sushi, Casa Maruk, El Alpendre, Amor di Patata, Seventys'5 (El Arenal), Gin Burger

- Can Picafort: Es Mollet

- Cala d'Or: Can Trompé

- Cala Millor: Amapola, Mile's

- Fashion Outlet: Ararat, Ginos

- Inca: Can Amer, Ginebró, Pa Nord, S'Angel, Romaní, Burguer?&?Taco

- Manacor: Es Vermut, Can March, Sa Creperia, Liorna, Marco Polo, Somnis, Mig i Mig, El Cruce

- Peguera: Pizzeria San Marco

- Fan-Shopping: Vip's, Argentino Cheff

- Port d'Alcúdia: Moma, The Wine Side

- Port Pollença: Can Pep, Iru, La Parra, Stay, Nico's

- Santa Ponça: El balcón de María

- Porto Cristo: Carmi, Zabala