Es war ein Einsatz, der alle Abläufe noch einmal auf die Probe stellte. In der Nacht vom 13. auf den 14. November litt ein neun Monate altes Baby auf der Intensivstation des Krankenhauses Son Espases in Palma de Mallorca an schweren Atemwegs- und Herzproblemen. „Gegen 22 Uhr stand fest, dass es verlegt werden muss und ein ECMO-Gerät brauchen wird", sagt Kay Boris Brandstrup, der Leiter der balearischen Einheit für Kinderkrankentransporte (Unidad de Transporte Pediátrico de Baleares, UTPB). Bei der sogenannten extrakorporalen Membranoxygenierung übernimmt eine Maschine teilweise oder vollständig die Atemfunktion. „Also haben wir unser Flugzeug nach Barcelona geschickt, um das Gerät und zwei auf die Behandlung von Kindern spezialisierte Intensivmediziner sowie eine Krankenschwester und zwei Herzchirurgen abzuholen. Sie sollten die Kanülen legen, durch die das Kind mit dem Gerät verbunden wurde", erzählt der auf solche Transporte spezialisierte Kinderarzt mit dänisch-kolumbianischen Wurzeln.

Um drei Uhr morgens landete das Flugzeug wieder in Palma. Drei Stunden später setzte dann auch noch ein eigens in Madrid angefordertes Militärflugzeug am Flughafen auf. „Bei so vielen Geräten und Einsatzkräften reicht ein normales Ambulanzflugzeug nicht aus", sagt Brandstrup. „Gegen neun Uhr morgens sind wir alle gemeinsam zur Spezialklinik Vall d'Hebron in Barcelona aufgebrochen. Wir waren insgesamt 20 Personen." Deswegen seien derlei Rettungseinsätze auch nur im öffentlichen Gesundheitssystem und in Zusammenarbeit mit anderen staatlichen Institutionen möglich, so der Arzt.

Es war erst das zweite Mal, dass innerhalb Spaniens ein auf ein ECMO-Gerät angewiesenes Kind per Flugzeug oder Helikopter verlegt wurde. Im April vergangenen Jahres hatte die Kindertransporteinheit bereits ein 14 Monate altes Kleinkind in einer 32 Stunden langen Aktion ebenfalls nach Barcelona gebracht.

Mit solchen Einsätzen hat sich das 2004 gegründete Team von Brandstrup spanienweit einen Namen gemacht. Es besteht aus fünf Kinderärzten, sieben Krankenschwestern - drei von ihnen Intensivkrankenschwestern, die übrigen sind beim Rettungsdienst Samu 061 angestellt -, sowie Gesundheitstechnikern. Wenn sie keine Kinder in Spezialkrankenhäuser fliegen oder fahren müssen, kümmern sie sich etwa um Transporte von Kindern in kritischem Zustand innerhalb des Krankenhauses Son Espases. Für aufwendigere Verlegungen stehen den Einsatzkräften der UTPB zwei Flugzeuge zur Verfügung - eines davon ist auf Menorca, das andere in Palma de Mallorca stationiert - sowie ein Helikopter auf Ibiza. Seit knapp einem Monat hat das Team für dringliche Überlandtransporte auch ein voll ausgestattetes und auf die kleinen Patienten zugeschnittenes Rettungsfahrzeug. Das Protokoll sieht vor, dass das Team der Einheit spätestens eine halbe Stunde nach Benachrichtigung bereit zum Ausrücken ist.

Ab ins Spezialkrankenhaus

Die Kinder werden in Spezialkrankenhäuser aufs spanische Festland transportiert, wenn Son Espases nicht über die notwendigen Geräte oder Routinen verfügt, etwa bei schweren Verbrennungen und Herztransplantationen. Am häufigsten angeflogen werden dafür Krankenhäuser in Barcelona, Madrid oder Valencia.

Bei den Transporten kommt es nicht zuletzt auf Behutsamkeit an. „Zunächst werden die Kinder in dem Krankenhaus, dessen Personal uns benachrichtigt hat, stabilisiert und anschließend für ihre Verlegung vorbereitet. Wenn wir sie mit dem Rettungsfahrzeug transportieren, versuchen wir ruckartige Fahrbewegungen, so gut es geht, zu vermeiden. Fliegen wir sie per Flugzeug oder Helikopter von A nach B, meiden wir möglichst Turbulenzen", so Brandstrup. Dabei seien die kleinen Patienten „wie Ferraris, die zum ersten Mal die Fabrik verlassen".

Sie hielten auch Zustände aus, die ein Erwachsener nicht mehr bei Bewusstsein erlebt - etwa einen Puls von 200 Schlägen pro Minute. Wann immer möglich, versuchen die Einsatzkräfte die Kinder auch abzulenken, etwa mit einem stets mitgeführten Tablet für Zeichentrickfilme oder indem sie sich mit ihnen unterhalten. „Manche sind wahre Quasselstrippen", sagt Brandstrup.

Die Kindertransporte seien eine hoch spezialisierte Aufgabe. „Spanienweit können das nur knapp 40 Kinderärzte", so Brandstrup. Die Nachfrage, um sich diese Fähigkeiten anzueignen, seien so hoch wie die Wartezeiten lang: Auf eine zweimonatige Fortbildung bei der balearischen Einheit müssten sich Kinderärzte mit zwei Jahren Vorlauf bewerben.

„Das Team musste auch mich beruhigen"

Vom „Diario de Mallorca" befragte Eltern bestätigen die gute Arbeit der Einheit. „Sie wissen sehr gut mit den

Patienten umzugehen, vor allem auch mit den Eltern, die ja in diesen Momenten sehr nervös sind", sagt Sabrina, deren zweieinhalb Monate alte Tochter mit einem Geschwulst im Hals von Menorca nach Palma und später in weitere Krankenhäuser verlegt werden musste.

Die Mutter konnte mitfliegen, was nicht immer der Fall ist. „Dabei habe ich Flugangst. Das Team musste auch mich beruhigen", sagt Sabrina. Ihrer Tochter Valentina war in einem Gesundheitszentrum auf Menorca zunächst eine Entzündung der kleinsten, knorpellosen Bronchien diagnostiziert worden. „Es ging ihr immer schlechter. Sie schlief und aß nicht mehr und verlor 500 Gramm Körpergewicht, dabei wog sie gerade einmal fünf Kilogramm", erinnert sich Sabrina. Die Verlegung ins Krankenhaus Son Espases war der Beginn einer langen Reihe von Krankenhausaufenthalten und Operationen. „Dr. Boris war für mich der wichtigste Halt", sagt auch Natalie, deren Tochter wegen einer Gehirnhautentzündung von Ibiza nach Palma de Mallorca verlegt wurde und im Krankenhaus Son Espases 20 Tage lang in künstliches Koma versetzt werden musste.