Links erheben sich die Hausberge von Sant Llorenç des Cardassar: die Muntanya de Calicant. Von hier aus bestimmen sanfte Hügel die Landschaft. Ihnen zu Füßen liegen lang gezogene Felder, auf denen verschiedene alte Getreidesorten angebaut werden. „Dass Brot gesund sein muss, leuchtet jedem ein", sagt Stephan Carayon, der aus der Nähe von Lyon stammt. „Doch dass Brot nur dann gesund ist, wenn die Böden nicht ausgebeutet und danach durch chemische Behandlung wieder aufgepäppelt werden müssen, ist nicht so leicht zu vermitteln." Insgesamt bewirtschaftet er rund 60 Hektar Öko-Felder.

Der Franzose ist Bäcker und Agraringenieur. Sechs Jahren experimentiert er bereits mit alten Getreidesorten. Drei Jahre davon auf der Insel gemeinsam mit Sylvia Pons, seiner mallorquinischen Partnerin aus Algaida. Das Paar erwartet im Januar das erste Kind - für die Babypause danach haben sich die beiden viel vorgenommen.

Die Felder

Es nieselt leicht, das bekommt den Pflänzchen gut, die seit November in der Erde sind. „Nachdem die Körner gesät wurden, hat man sie sofort wieder mit Erde zugedeckt", erzählt die Mallorquinerin. Dies verhindere, dass die Erdkrume als Behausung für viele Mikroorganismen beschädigt werde.

Direkt vor der Besuchergruppe liegt nun ein Feld, auf dem die Ackerbohne (Vivia faba bot., haba span., fava kat.) gedeiht. Diese Pflanze hat die Aufgabe, den Boden mit Stickstoff zu versorgen. Dieser ermöglicht später dem Getreide die Wurzelbildung durch Eiweiß. Hat die Ackerbohne ihre typischen Schmetterlingsblüten entwickelt, wird sie gemäht und unter die Erde gemischt, an die sie dann während der Zersetzung Nährstoffe abgibt. Auch zwischen dem Getreide wird die Ackerbohne als Co-Produzent gepflanzt.

Das alte Korn ist weitgehend resistent gegen Schädlinge und Krankheiten. Somit ist es für den ökologischen Anbau bestens geeignet. Die Getreidezüchter sind längst im Besitz des Ökosiegels des Consell Insular. Rotation gehört dafür zu einer Grundvoraussetzung. Auf den Feldern bei Sant Lorenç wird nie zwei Jahre in Folge die gleiche Sorte ausgesät. Der jährliche Getreidewechsel beugt der Auszehrung des Bodens vor: Alle drei bis vier Jahre liegen die Felder brach, das Unkraut wird unter die Erde gemischt. Danach folgt wieder die Ackerbohne als Stickstoff-Kur für die Erde.

Die Sorten

Durch das Neuanpflanzen alter Getreidesorten sichert man diesen das genetische Überleben und garantiert Biodiversität auf dem Feld. Derzeit wachsen folgende Sorten auf den Äckern des französisch-mallorquinischen Paares: die Weichweizen Blat Xeixa (Triticum compactum) sowie Florenci Aurora (Triticum aestivum), die Hartweizen Blat mort (Triticum durum leucurum) und Blat barba (Triticum durum leucomelam), das unter den an Enzymen reichen Getreidearten an erster Stelle steht. Sowie der Dinkel Espelta (Triticum aestivum subsp. spelta) und das Einkorn (Triticum monococcum), von dem man annimmt, das es von den wilden Getreidesorten der Frühzeit abstammt.

Verlust der Biodiversität

Bis ins 19. Jahrhundert zählte die Auswahl des Saatguts zu den wichtigen bäuerlichen Aufgaben. Man mahlte nicht das gesamte Korn, das Beste bewahrte man für die Aussaat im kommenden Jahr auf. Durch Austausch mit den Nachbarhöfen kam es zur Artenvielfalt.

Verloren ging die Biodiversität erst mit der Umstellung auf Monokulturen. Für diese benötigte man neue Sorten, die sich auch für die industriellen Verarbeitungen eigneten. Natürliche Aromen gingen verloren und wurden durch künstliche ersetzt. Traditionelle Bäcker bestellen heute ihr Mehl beim Großhändler, auch Biobäcker kennen die Felder nicht, auf denen das Mehl für ihre Brote wächst. Das soll sich bei dem Projekt des Paares ändern.

Das neue Brot-Projekt

Doch steht für die beiden erst einmal die Babypause auf dem Programm. Eine Zeit, in der auch das Gebäude direkt bei den Feldern renoviert werden soll. Die Pläne für den Umbau liegen bereits vor. Es sollen Räume für die Mühle mit den Granitsteinen gebaut werden sowie für einen Backofen, der mit Solarzellen befeuert wird. Backstuben werden für Besucher und Käufer eingerichtet werden. Die beiden haben viel vor, es ist ihnen zu wünschen, dass das Glück sie bei ihrem engagierten Vorhaben begleitet.