Es ist eine Frage der Mathematik. In Mallorcas Krankenhäusern stehen gewöhnlich 1.452 Betten zur Verfügung, davon 64 auf Intensivstationen. Wenn fünf Prozent aller auf der Insel infizierten Coronavirus-Patienten eine Betreuung auf der Intensivstation benötigen, sind die verfügbaren Betten ab einer Gesamtzahl von 1.280 Infizierten belegt. Und das ist nur die Theorie. Denn die Betten sind natürlich während der noch andauernden Grippewelle nicht allesamt frei - im Gegenteil.

Die Vorkehrungen zum Kampf gegen die Pandemie - Alarmzustand in Spanien, weitgehende Ausgangssperre, fast vollständige Abschottung der Insel - verhindern auf den Balearen hoffentlich italienische Verhältnisse, in denen Patienten nicht mehr ausreichend versorgt werden können. Zwar sind die Infektionen auf den Inseln inzwischen längst nicht mehr nur importiert. Aber zumindest im Vergleich zu anderen Regionen wie Madrid stehen die Balearen mit 169 (Stand: Donnerstag) Infizierten noch vergleichsweise gut da - zumal die Kurve in den vergangenen Tagen nicht exponentiell gestiegen ist. Spanienweit stieg die Zahl der Positiv-Tests bis Donnerstag auf knapp 17.000, die Zahl der Toten auf 767.

Am Mittwoch (18.3.) lagen fünf Covid-19-Patienten auf der Intensivstation, einer in Son Espases, drei in Son Llàtzer, einer im Hospital Mateu Orfila auf Menorca. Der inzwischen zweite Todesfall wurde am Dienstag registriert - ein rund 60-Jähriger mit fortgeschrittener Krebserkrankung auf der Palliativstation von Son Espases. Insgesamt lagen am Mittwoch 54 Infizierte auf den Balearen im Krankenhaus. Die restlichen Patienten wurden durch mobile Einheiten (UVAC) zu Hause behandelt. Mittlerweile vier Patienten galten als genesen.

Veränderte Protokolle

Ob die beschlossenen Maßnahmen Erfolg haben, wird sich erst in den kommenden Tagen zeigen. Denn das lässt sich angesichts der Inkubationszeit erst mit Verzögerung erkennen. Im Gesundheitssektor zielen die Maßnahmen vor allem in zwei Richtungen: Zum einen sollen veränderte Behandlungsprotokolle der Ansteckung von Patienten sowie auch von Angestellten vorbeugen. So werden Patienten mit Atemwegserkrankungen und solche ohne jetzt räumlich getrennt voneinander aufgenommen und behandelt.

Ohnehin sollen Betroffene, die glauben, sich mit dem Virus angesteckt zu haben, zunächst die Service-Nummer 061 wählen, um gegebenenfalls zu Hause behandelt zu werden. Obwohl das Personal aufgestockt wurde, ist die Nummer immer wieder besetzt - der Anruf wird dennoch registriert, die Behörde meldet sich. Patienten werden auch vermehrt online betreut. Generell ist im Fall der Hausärzte in den Gesundheitszentren eine telefonische sogenannte Triage vorgesehen, also eine Vorab-Priorisierung der medizinischen Hilfeleistung, wofür 50 zusätzliche Linien geschaltet wurden. Dies geschieht unter den Tele­fonnummern 902-07 90 79 und 971-43 70 79.

Zum anderen werden Kapazitäten und Ressourcen für die Behandlung von Covid-19-Patienten frei gemacht. Derzeit gehe man davon aus, dass man für die weitere Entwicklung gerüstet sei, so Josep Pomar, Geschäftsführer des Landeskrankenhauses Son Espases in Palma, auf einer Pressekonferenz am Dienstag. Demnach stehen derzeit allein in Son Espases für Covid-19-Patienten drei Einheiten mit insgesamt 84 Betten bereit - zwei Einheiten für bestätigte Fälle, die weitere für Verdachtsfälle. Da zudem die Zahl der Operationen um ein Drittel gesenkt worden sei, seien es insgesamt mehr als hundert Betten. Behandlungen in Krankenhäusern und Gesundheitszentren, die keine Priorität haben, werden zum großen Teil verschoben. Es gilt eine Urlaubssperre für das gesamte Personal. Pensionierte Mediziner haben Hilfe angeboten.

Darüber hinaus erlaubt das Dekret zum Alarmzustand in Spanien den Zugriff des öffentlichen Gesundheitssystems auf die Kliniken und das Personal des privaten Sektors - für ein solches Szenario finden derzeit Koordinierungsgespräche statt. Die Kliniken Juaneda und Quirónsalud Palmaplanas einschließlich Clínica Rotger haben bereits ihre Hilfe angeboten. So kämen etwa im Fall von Quirónsalud 26 Plätze auf der Intensivstation dazu. Eine weitere Option ist zudem die Unterbringung von Patienten in derzeit ohnehin leer stehenden Hotels, nachdem praktisch alle Urlauber die Insel verlassen haben (S. 7). Einige Betreiber haben ihre Häuser bereits von sich aus angeboten, so im Fall des Garden Hotels in Playa de Muro mit seinen 132 Zimmern. Auch die großen Hotelketten der Insel wie Meliá und Riu stellten inzwischen Hilfe in Aussicht.

Tests und Schutzmaterial

Auch wenn die balearische Gesundheitsbehörde IB-Salut immer wieder von ausreichenden Ressourcen spricht, wächst hinter den ­Kulissen die Sorge um die Versorgung mit allem, was zur persönlichen Schutzausrüstung gehört - Kittel, sogenannte FFP2-Atemmasken, Schutzbrillen. Gewerkschaften des Gesundheitspersonals oder der Ambulanzfahrer kritisieren Engpässe bei der Versorgung, die sich bereits bemerkbar machten. Die Angaben sind widersprüchlich. „Das Material ist ausreichend, wird aber spanienweit zentral zugewiesen", erklärte Francesc Albertí, Sprecher des balearischen Komitees für die Behandlung von Infektionskrankheiten, bei einer Pressekonferenz am Mittwoch.

Ein weiterer Kritikpunkt sind die Tests auf Covid-19, die nach Ansicht vieler Angestellter zu spät und zu wenig ausgeführt werden. Obwohl die Weltgesundheitsorganisation Tests gerade im Fall von Ärzten und Pflegern empfehle, hätten die Behörden bis vor Kurzem auf Durchzug geschaltet, kritisieren Ärzte gegenüber dem „Diario de Mallorca". Dabei seien die Angestellten im ständigen Kontakt mit Patienten. Viele Fachkräfte haben auch Schichten in unterschiedlichen Krankenhäusern, oder Familienmitglieder arbeiten ebenfalls im Gesundheitssektor. Kits für Schnelltests sind nach Angaben von Albertí unterwegs, unklar blieb aber, ab wann sie zum Einsatz kommen.

Die Sorge ist groß, dass Fachkräfte wegen einer Covid-19-Infektion oder dem Verdacht einer solchen ausfallen. So waren bis Mittwoch nach offiziellen Angaben balearenweit bereits 14 Gesundheitsangestellte infiziert. Wie viele außerdem unter Beobachtung stehen und deswegen ebenfalls nicht arbeiten können, konnte Albertí am Mittwoch nicht sagen. Bekannt wurde aber, dass nach dem Tod der ersten Patientin Mitte vergangener Woche allein 80 Angestellte vorsorglich nach Hause geschickt wurden. Die Krankenhäuser funktionierten aber „normal", so der Sprecher.

„Wenn man nicht sucht, findet man auch nichts", kritisiert der auf Infektionskrankheiten spezialisierte Arzt Javier Garau in einem ­Interview mit dem „Diario de Mallorca". Schließlich seien viele Covid-19-Infizierte symptomfrei. Die offizielle Statistik gebe die Realität deswegen nur verzerrt wieder.

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