Trotz aller Dramatik ist Platz für augenzwinkernde Kommentare. Nachdem Javier Arranz mehrfach husten und sich eine Wasserflasche reichen lassen musste, stellt er zum Ende der Pressekonferenz am Mittwoch (15.4.) klar: „Eine Frage bleibt noch: Ist der Sprecher des Corona-Komités auf den Balearen an Covid-19 erkrankt? Nein, keine Sorge, ich habe mich nur verschluckt, mir geht es gut."

Arranz hat inzwischen reichlich Routine, täglich um 13 Uhr interpretiert er die neuesten Corona-Zahlen von Mallorca, aber so ganz klar ist die Situation gerade auch für ihn nicht: Einerseits hat sich die Kurve mit der Zahl der bestätigten Neuinfektionen auf den Balearen am vergangenen Wochenende weiter abgeflacht. Andererseits sind die Zahlen seit Wochenbeginn wieder leicht gestiegen, wenn auch auf niedrigem Niveau. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass das eine Trendwende ist", so der Corona-Sprecher. Vielleicht liegt es auch an den Feiertagen und verspätet gemeldeten Fällen. Auch bei der Zahl der verstorbenen Covid-19-Patienten gibt es ein Zickzack statt einer glatten Kurve. Nach einem Tag ohne Todesfälle Ende vergangener Woche wurden von Dienstag auf Mittwoch wieder sieben auf einmal gemeldet.

Freie Intensivbetten

Im Wochenvergleich stehen die Inseln durchaus besser da. Die Sorge, dass die Intensivbetten nicht ausreichen, ist im Moment nicht akut. 83 Covid-19-Patienten lagen am Mittwoch auf der Intensivstation, 29 weniger als eine Woche zuvor. Arranz gibt die durchschnittliche Auslastung mit rund 60 Prozent an, wobei die Lage auf den Balearen von Krankenhaus zu Krankenhaus sehr unterschiedlich sei. Insgesamt 359 Covid-19-Patienten wurden am Mittwoch im Krankenhaus behandelt. Mit bislang insgesamt gut 1.600 Positivtets und knapp 900 kurierten Patienten stehen die Balearen im spanienweiten Vergleich mit am besten da: Landesweit waren am Mittwoch knapp 178.000 Fälle registriert, die Zahl der Todesopfer nähert sich der Marke von 20.000, die der kurierten Patienten überschreitet 70.000.

Auch die Lage bei den Fachkräften im balearischen Gesundheitsbereich hat sich auf hohem Niveau etwas gebessert, wenn auch immer noch 164 von ihnen wegen einer bestätigten Infektion krank geschrieben sind sowie 253 in vorsorglicher Quarantäne. Zugenommen hat dagegen die Sorge um die Lage in den Seniorenheimen auf den Inseln, wo das Virus für den Tod von inzwischen 40 Bewohnern verantwortlich gemacht wird und die Gesundheitsbehörden kurzerhand im Fall von zwei privaten Heimen mit besonders vielen Positiv-Tests intervenierten.

Bislang 20.000 Tests

Die Seniorenheime sind auch eine Erklärung für den Anstieg der Zahlen in den vergangenen Tagen - einige Einrichtungen wurden inzwischen komplett durchgetestet. Die derzeit 700 bis 800 täglichen Tests - insgesamt sind es balearenweit bislang knapp 20.000 - liefern kein repräsentatives Bild, ganz im Gegenteil. Derzeit gehören zur Zielgruppe lediglich Personen mit Corona-kompatiblen Symptomen und Zugehörigkeit zur Risikogruppe in Folge von Alter oder Vorerkrankung sowie Gesundheits-, Pflege-, Ordnungs- und Sicherheitskräfte, die engen Kontakt mit Covid-19-Patienten gehabt haben. Nur dort, wo gesucht wird, kann auch etwas gefunden werden.

Corona-Sprecher Arranz warnt deswegen vorsorglich, dass die Zahlen ohnehin steigen dürften, wenn die Tests wie geplant auf weitere Zielgruppen ausgedehnt werden, so beispielsweise Personen, die mit einem Covid-19-Patienten zusammenleben. Während in anderen Regionen wie Madrid inzwischen private Labors unter staatliche Verwaltung gestellt werden, um mit den Tests hinterherzukommen, schließt die balearische Landesregierung einen solchen Schritt aus. Es habe zwar Engpässe bei den Analysen gegeben, aber diese seien jetzt überwunden.

Ein repräsentatives Bild sollen dagegen eine spanienweite Stichprobe mit Antikörper-Tests liefern, die angekündigt, aber noch nicht angelaufen ist, sowie eine weitere im Auftrag der Landesregierung. Etwas mehr Klarheit könnte auch eine Auflistung sogenannter möglicher Fälle liefern - Personen, denen wegen corona-kompatibler Symptome empfohlen wird zu Hause bleiben, aber die nicht getestet werden. Diese Daten trage man aber derzeit noch von den verschiedenen Stellen zusammen, so Arranz, „mit ihnen werden wir der Realität ein Stückchen näher kommen".

Kein balearischer Sonderweg

Schon jetzt ist klar: Die Dunkelziffer ist enorm. Vor diesem Hintergrund hat die balearische Gesundheitsministerin Patricia Gómez auch kein schlagkräftiges Argument, wenn sie die Insel Formentera mit nur einer Handvoll bestätigter Fälle als Beispiel für eine Region anführt, in der die Ausgangssperre früher als im Rest Spaniens aufgehoben werden könnte. Auch Arranz hatte sich bereits vorsichtig in diese Richtung geäußert. In Madrid will man von derlei Ausnahmen jedoch nichts wissen. Der Plan, den die balearische Landesregierung für die schrittweise Rückkehr zur Normalität in der Schublade liegen hat, dürfte somit erst nach Beendigung des spanienweiten Alarmzustands zur Anwendung kommen können.

Neben den nicht diagnostizierten Corona-Fällen gibt es noch eine weitere Dunkelziffer. So einige Patienten scheuen aus Furcht vor einer Covid-19-Ansteckung den Arztbesuch. Die Folgen etwa zu spät diagnostizierter Schlaganfälle dürften die Krankenhäuser noch eine Weile beschäftigen, genauso wie all die Termine und Eingriffe, die wegen Covid-19 verschoben wurden. Für manchen Patienten kommt die Hilfe jedoch zu spät - und diese indirekte Mortalität wird von keiner Statistik erfasst.

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