Bislang 185 Corona-Tote auf Mallorca und den anderen Balearen-Inseln - ist das eigentlich viel? Da sind auf der einen Seite die Trauer der Angehörigen, die Dramen in den Seniorenheimen und auf den Intensivstationen. Und da ist auf der anderen Seite der nüchterne Blick der Statistiker. Sie tragen die Todesfälle in Diagramme ein und vergleichen die entstehende Kurve mit der sogenannten erwarteten Mortalität auf Basis von Werten der Vorjahre. Anders gesagt: Wie viele Menschen wären, statistisch gesehen, ohnehin in diesem Zeitraum gestorben, sei es bei Verkehrsunfällen, an einem Herzinfrakt oder wegen einer Grippewelle? Und wie viel mehr waren es im Zeitraum seit Ausbruch der Pandemie?

Mit Verweis auf dieses Datensystem namens MoMo heißt es in einem Bericht des spanischen Epidemiologie-Zentrums (CNE): Auf den Balearen seien in den ersten zwei Wochen des Alarmzustands „gesteigerte Mortalitätswerte" zu beobachten gewesen. In der beigefügten Grafik bewegt sich die Kurve der Todesfälle während dieser Tage im Zickzack, aber fast durchgehend über dem Durchschnitt. Bis zum 10. April starben auf den Balearen 13 Prozent mehr Menschen, als statistisch zu erwarten gewesen wäre. Kein Vergleich zur Grafik für Madrid und ganz Spanien: Hier schießt die Kurve der Todesfälle extrem in die Höhe, im Zeitraum bis zum 10. April insgesamt um 196 Prozent (Madrid) und 50 Prozent (Spanien). Die aktuelle Zahl der spanischen Corona-Toten (Stand: Mittwoch, 29.4.) beläuft sich auf 24.275.

Repräsentative Studie läuft

Die vergangenen Wochen haben reichlich Zahlenmaterial geliefert, und die Interpretation ist eine heikle Angelegenheit, zumal Spanien im Rahmen des Alarmzustands wie kaum ein anderes Land die Freiheitsrechte seiner Bürger eingeschränkt hat und die rigiden Maßnahmen rund um die Ausgangssperre sowie die Ahndung von Verstößen mit der tödlichen Pandemie rechtfertigt.

Klar ist: Auf den Balearen konnten im Zuge der drastischen Auflagen dramatische Zustände wie in Madrid vermieden werden. Klar ist aber auch: Abgesehen von den Todesfällen sind die bisherigen Statistiken wenig hilfreich, um die tatsächliche Ausbreitung des Virus auf den Balearen zu erfassen. Bei der Zahl der Tests gemessen an der Einwohnerzahl liegt.

Spanien weltweit auf dem 17. Platz, nachdem sich das Land wegen eines Rechenfehlers zunächst unter den Top Ten noch vor Deutschland gewähnt hatte. Und nachdem die balearenweit bislang 38.049 Tests mit ihren 1.879 Positiv-Ergebnissen nicht repräsentativ sind (getestet werden in erster Linie Verdachtspatienten und Risikopersonen), läuft seit Dienstag (28.4.) eine breit angelegte Studie in ganz Spanien, bei der in zwei Wellen rund 36.000 Haushalte beteiligt sind. Auf den Balearen umfasst die Stichprobe 4.934 Haushalte. Die Teilnahme ist freiwillig, wird aber dringend im Sinne einer effektiven Bekämpfung der Pandemie empfohlen. Die Ergebnisse werden auf sich warten lassen, geplant ist, die Daten ab dem 8. Juni nach Madrid zu senden.

Todesfälle in Seniorenheimen

Solange müssen wir uns mit den bislang vorliegenden Statistiken begnügen. Die Zahl der täglich gemeldeten Neu-Infektionen auf den Balearen ist inzwischen in den einstelligen Bereich gerutscht und liegt fast immer unter der Zahl der kurierten Patienten. Diese machen inzwischen knapp zwei Drittel aller seit Beginn der Pandemie registrierten Fälle aus.

Wie entspannt die Lage ist, zeigte die geringe Zahl von Fragen, die Javier Arranz, Sprecher des Corona-Komités auf den Balearen, bei seiner täglichen Pressekonfernz am Mittwoch (29.4.) beantworten musste. Die meisten Fragen hatten bereits mit der Exit-Strategie zu tun. Weiterhin sterben aber auf den Balearen Covid-19-Patienten, seit vergangener Woche waren es 21 Todesfälle. Und mehr als 40 Prozent aller Corona-Toten auf den Inseln sind Bewohner von Seniorenheimen.

Der neueste Epidemie-Bericht für die Balearen, der Daten bis zum 23. April berücksichtigt, weist ein Durchschnittsalter der Corona-Toten von 84 Jahren aus. Die Patienten auf der Intensivstation sind im Schnitt 65 Jahre alt. Während nur 5 Prozent der weiblichen Covid-19-Patienten eine Intensivbehandlung benötigen, sind es bei den männlichen Patienten 13 Prozent. 45 Prozent der Positiv-Getesteten werden indes durch mobile Einheiten in den eigenen vier Wänden betreut.

In den Krankenhäusern bessert sich die Lage kontinuierlich, und es laufen die Vorbereitungen für die Rückkehr zum Normalbetrieb, freilich unter verschärften Hygienevorschriften. An einer zügigen Wiederaufnahme interessiert sind insbesondere die Privatkliniken, wo die Kosten weiterlaufen, aber die Patienten ausbleiben. Sie appellieren, notwendige Arztbesuche und Behandlungstermine nicht auf die lange Bank zu schieben. Längst gibt es getrennte Bereiche für Patienten mit und ohne Atemwegserkrankungen, und vor Operationen finden Covid-19-Tests statt.

Weiter Anspannung herrscht freilich auf den Intensivstationen, auch wenn dort die Zahl der Corona-Patienten im Wochenvergleich um weitere 11 auf 61 gefallen ist. Seit einer Woche kamen keine neuen Intensivpatienten dazu. Das Problem sind jedoch die langen Liegezeiten: Im Landeskrankenhaus Son Espases, wo 44 Intensivbetten zur Verfügung stehen, sind es im Schnitt drei Wochen. Umso wichtiger, dass es inzwischen ein Besuchsprotokoll gibt: Angehörige erhalten Schutzausrüstung und Beratung. Bislang konnten sie die Patienten nur per Videokonferenz sehen - oder kurz vor ihrem Tod durch die Glasscheibe.

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