Wenn die Ministerpräsidenten die jungen Leute mit ihren Corona-Appellen nicht erreichen, dann vielleicht die Influencer. Auf immerhin mehr als fünf Millionen Follower kommen Aida Martorell und Marcos White, die nun auf TikTok und Instagram im Auftrag der Landesregierung für Maske und Abstand werben. „Wir alle sind leichtsinnig geworden, aber die Ausflüchte zählen nicht mehr", lautet ihre Botschaft auf Spanisch und Katalanisch.

Bekanntlich verläuft Covid-19 bei jungen Menschen meist glimpflich. Aber da sie das Virus übertragen wie alle anderen, trägt der jugendliche Leichtsinn - neben familiären Zusammenkünften - nach Ansicht der Epidemiologen maßgeblich zur zweiten Corona-Welle bei. Sie schwappt jetzt in alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens, im Fokus stehen neben den Schulen die Seniorenheime. Auf sie entfallen 19 der bisher 28 verzeichneten Todesfälle in der zweiten Welle. Am Mittwoch (9.9.) wurden zudem fünf weitere Todesfälle gemeldet, bei denen aber noch nicht Covid-19 als Todesursache bestätigt war. 170 Bewohner von Heimen auf den Balearen gelten derzeit als „aktive Patienten", 84 von ihnen werden im Krankenhaus behandelt.

Am Donnerstag wurde ein weiterer Infektionsherd in einem Seniorenheim bekannt - in einer Einrichtung in Sóller sind nach Informationen der MZ-Schwesterzeitung "Diario de Mallorca" 25 Bewohner und 10 Angestellte positiv getestet worden, nachdem am Montag ein erster Fall entdeckt war. Die meisten Infizierten seien ohne Symptome.

Abhilfe schaffen sollen nun massive PCR-Tests, die einmal im Monat in jedem Heim wiederholt werden sollen. Um infizierte und nicht infizierte Bewohner zu trennen, wollen die Behörden zwei Heime zur Aufnahme von asymptomatischen Personen herrichten. Für Bewohner aus Behinderteneinrichtungen soll ein Hotel an der Playa de Palma bereitstehen. Weiterhin erlaubt sein werden kontrollierte Besuche der Bewohner - laut Inselrat gab es auf diesem Weg bislang keine Infektionen.

Massive PCR-Tests wird es auch im Balearen-Parlament geben. Dort wurde am Mittwoch damit begonnen, einen Saal für die Entnahme von Proben herzurichten, nachdem drei Abgeordnete der Oppositionspartei Ciudadanos positiv getestet worden sind und sich ein weiteres Dutzend Politiker in Quarantäne begeben hat. Die Parlamentsdebatte dieser Woche wurde bereits abgesagt, nun soll geprüft werden, ob die Quarantäne-Abgeordneten per Videokonferenz zugeschaltet werden können. Eine weitere Vertagung ist nach Meinung vieler Parlamentarier keine Option, nicht zuletzt deshalb, weil Ministerpräsidentin Armengol eigentlich Rede und Antwort zur Corona-Lage stehen sollte.

Erklärungsbedarf besteht weiterhin bei der Inzidenz pro 100.000 Einwohnern in den vergangenen sieben Tagen. Der vom spanischen Gesundheitsministerium veröffentlichte Wert für die Inseln sank Anfang der Woche überraschend auf deutlich unter 50 - jener Marke, die ein wichtiger Indikator für die weiterhin bestehende Reisewarnung der Bundesregierung ist.

Wer diese Inzidenz allerdings mit den in Palma veröffentlichten Daten berechnet, kommt auf Werte von über 100. Gesundheitsministerin Gómez beantwortete eine Frage der MZ zu den Unstimmigkeiten am Mittwoch damit, dass man die täglichen PCR-Fälle erst nach ihrer Überprüfung und Bestätigung nach Madrid melde - ein „schwer zuerklärendes Verfahren", bei dem es zu Verzögerungen komme.

Auch aus dem Wochenvergleich der Balearen-Daten lässt sich keine sinkende Kurve ablesen: Die Zahl der „aktiven Fälle" sinkt zwar von 2.237 auf 1.974 (Stand: Mittwoch, 9.9.), die Zahl der im Krankenhaus behandelten Covid-19-Patienten steigt aber von 341 auf 404, die der Intensivpatienten bleibt mit 57 fast identisch, und die Zahl der seit Ausbruch der Pandemie bestätigten Covid-19-Toten auf den Balearen steigt um 12 auf 256.

Während die täglichen Corona-Zahlen die Schlagzeilen beherrschen, geraten andere Statistiken in den Hintergrund: Wegen der Auslastung mit Corona-Patienten in den Krankenhäusern werden die Wartelisten für ärztliche Eingriffe im öffentlichen Gesundheitssystem beständig länger. Mussten Patienten vor einem Jahr rund einen Monat auf einen Behandlungstermin beim Spezialisten warten, sind es inzwischen mehr als zwei Monate. Und chirurgische Eingriffe lassen inzwischen im Schnitt mehr als 140 Tage auf sich warten, doppelt so lange wie vor einem Jahr.

Einen Überblick über alle MZ-Artikel zum Thema Coronavirus auf Mallorca finden Sie unter diesem Link. Kostenlose Newsletter verschicken wir per Telegram (hier bestellen) oder Mail (hier bestellen)