Die MZ erreichen immer wieder Fragen von Lesern rund um die Pandemie. Wir haben sie gesammelt und in einem Interview am Freitag (10.9.) an die oberste Pandemie-Managerin auf den Balearen weitergereicht – Gesundheitsministerin Patricia Gómez. Die 55-jährige Sozialistin ist seit sechs Jahren im Amt.

Wie ist die Pandemie-Lage auf Mallorca?

Die Kurve flacht ab. Die 7-Tage-Inzidenz ist nur halb so hoch wie die 14-Tage-Inzidenz. Daher erwarten wir, dass der Trend weitergeht. Wir liegen aktuell konstant bei 100 neuen Fällen täglich. Vor einem Monat waren es doppelt so viele. Die Entwicklung ist gut. Dabei helfen die beschlossenen Restriktionen. Die Krankenhausauslastung sowohl im privaten als auch im öffentlichen Bereich hat sich verbessert. Die Zahl der Patienten auf den Intensivstationen ist noch hoch, aber es ist nun mal der Wert, der beim Abflachen der Kurve als Letzter sinkt.

Wie steht die Insel im internationalen Vergleich da?

Auch wenn ich die Lage in anderen Ländern natürlich im Blick habe, halte ich Vergleiche für schwierig. Auf Mallorca waren die Zahlen im August hoch, was an der ansteckenden Delta-Variante und der erhöhten Mobilität der Menschen lag. Im spanienweiten Vergleich stehen wir bei der Zahl der registrierten Infektionen, der Todesfälle und auch der Krankenhausauslastung mit am besten da.

Droht im Herbst und Winter die nächste Welle mit neuen Restriktionen?

Derzeit lassen wir in fast allen öffentlichen Bereichen 75 Prozent der sonst erlaubten Personenanzahl zu. Das entspricht auch den Maßnahmen, die die meisten anderen europäischen Länder treffen. Ob jetzt eine neue Welle kommt, können wir nicht vorhersagen. Die Impfung hat sich als wirksam erwiesen. Sie verhindert schwere Krankheitsverläufe und sorgt dafür, dass die Krankenhausauslastung niedrig bleibt. Wenn das so weitergeht, müssen wir andere gesellschaftliche Bereiche nicht einschränken. Einige europäische Länder haben daher für die kommenden Monate schon das Ende der Pandemie angekündigt. Wir sind wegen der Delta-Variante noch zurückhaltend.

Das Verbot der nächtlichen Treffen wurde aufgehoben. Öffnet das nicht den Trinkgelagen Tür und Tor?

Im September sind die meisten Menschen wieder mit Schule, Universität und Arbeit beschäftigt. Das ist nicht wie im August oder September. Einen Anstieg der Corona-Fälle haben wir bislang nicht verzeichnet.

Wie viele Touristen haben sich angesteckt?

Es sind wenige. Seit Februar 2020 bis einschließlich 29. August diesen Jahres waren 98,14 Prozent der registrierten Fälle Residenten. 1.791 positiv Getestete waren Ausländer oder kamen aus einer anderen spanischen Region. Und insgesamt 675 von ihnen waren Touristen, darunter 131 Deutsche, 91 Briten, 90 Franzosen.

Werden die positiven Urlauber zu der Inzidenz auf Mallorca dazugezählt?

Ja, das ist ein Kampf, den wir als Tourismusgebiet führen müssen. Auf Formentera verdreifacht sich die Zahl der Personen in der Saison, auf Mallorca verdoppelt sie sich. Für die Berechnung der Inzidenz werden aber nur die gemeldeten Bürger zugrunde gelegt. Wir erklären das ständig den ausländischen Medien, die diesen Sachverhalt nicht berücksichtigen.

Wie ist die Lage in den Corona-Hotels?

Die sieben Hotels auf den Balearen – zwei davon befinden sich auf Mallorca – bleiben in Betrieb. Von den 628 Plätzen in den Hotels auf Mallorca sind Stand Freitag (10.9.) 53 belegt.

Im Sommer hatten sich Hoteliers beklagt, dass Sie positive Urlauber beherbergten und von den Behörden im Stich gelassen wurden. Was war da los?

Wir haben bei der Info-Hotline eine eigene Linie für die Urlauber eingerichtet. Zudem haben wir ein Abkommen mit den privaten Krankenhäusern zur Beförderung der infizierten Urlauber geschlossen. Das hat die Lage extrem verbessert. Das Problem war, dass einige private Testzentren positive Ergebnisse hatten, aber die Daten manchmal erst zwei Tage danach dem Gesundheitsministerium übermittelt haben. Die Urlauber sollten dann ins Corona-Hotel überwiesen werden, obwohl sie zu dem Zeitpunkt noch nicht im System erfasst waren.

Trotz hoher Impfquote gibt es weiterhin einige Corona-Tote. Sterben diese Leute alle am Virus oder an anderen Krankheiten?

Das wird die Zeit zeigen. Wir analysieren die Fälle, ob die Leute an Corona oder mit Corona gestorben sind. Wir haben eine der niedrigsten Todesraten Spaniens. Noch immer sind einige Menschen nicht geimpft, darunter auch Personen aus der Risikogruppe, die relativ schnell am Virus sterben können.

Waren also alle Corona-Toten ungeimpft?

Bislang ist auf Mallorca keine junge Person an Corona gestorben, die sich hat impfen lassen. Die meisten Toten waren nicht geimpft. Ältere Menschen haben meist noch mehrere andere Krankheiten. Da kann es trotz Impfung zu Komplikationen kommen. Bei den Patienten im Krankenhaus ist das ähnlich. Etwas 80 Prozent von ihnen sind ungeimpft.

Die Deutschen locken die Impfverweigerer mit einer kostenlosen Bratwurst oder Gutscheinen. Planen Sie ähnliche Initiativen?

Wir haben ein Abkommen mit dem Unternehmerverband Caeb geschlossen und prüfen, wie wir die Impfkampagne weiter bewerben können. In Spanien gab es derartige Initiativen noch nicht, dennoch haben wir eine hohe Impfquote. Ich schließe nichts aus. Eine Möglichkeit wären Rabatte im Einzelhandel für geimpfte Personen. Ein Problem dabei ist der Datenschutz. Denn niemand ist schließlich dazu verpflichtet, einem Fremden seinen Impfausweis vorzeigen zu müssen.

Was dürften die Gründe der Impfverweigerer auf Mallorca sein?

Da gibt es von allem etwas. Ein nicht zu geringer Teil sind Personen, die gar nicht mehr auf den Balearen wohnen, aber weiterhin hier gemeldet sind und so von der Statistik erfasst werden. Vielleicht sind sie längst geimpft, aber diese Informationen haben wir nicht im System. Andere weigern sich, weil sie einfach nicht an die Impfung glauben. Die Haltung zieht sich durch alle Altersklassen.

Sie wollen möglichst viele Menschen von der Impfung überzeugen. Ist es nicht auch das Recht der Impfverweigerer, Nein zu sagen?

Es geht nicht nur um den Einzelnen, sondern um das Allgemeinwohl. Je mehr ungeimpfte Personen es gibt, umso einfacher findet das Virus Wege, um sich auszubreiten. Die Impfung beruhigt auch ungemein. Auf der Intensivstation bäuchlings mit einem Schlauch im Rachen zu liegen und um Atem zu ringen, ist keine tolle Erfahrung. Falls man sie überhaupt überlebt. Mir fällt es schwer zu verstehen, warum sich die Menschen nicht impfen lassen wollen.

Nur rund 3.000 Personen werden derzeit täglich geimpft, rund 30.000 Impfdosen lagern im Kühlschrank. Verfallen diese nicht?

Nein, wir prüfen das Verfallsdatum. Wenn sie hier nicht genutzt werden sollten, schicken wir sie nach Madrid zurück, von wo sie an andere Orte verteilt werden. Wir werden jedenfalls keine Impfdosen wegwerfen.

Ein Problem gibt es mit den Ausländern, die nicht bei der balearischen Gesundheitsbehörde erfasst sind und sich daher nicht impfen lassen können. Jetzt, wo genügend Impfstoff da ist, sollte nicht jeder eine Spritze bekommen, der sie will?

Daran arbeiten wir. Wir werden diese oder die nächste Woche eine Versammlung mit den Konsulaten einberufen. Es gibt Menschen, die das ganze Jahr hier leben, aber meist aus Steuergründen in ihrer Heimat gemeldet sind. Es wäre sinnlos, wenn wir sie nicht impfen. In einem ersten Schritt wollen wir schauen, um wie viele Menschen es sich dabei handelt.

Seit Mittwoch (15.9.) erhält die erste Risikogruppe die dritte Dosis. Wird es die nächste Massenimpfung geben?

Im Moment glaube ich das nicht, da es weltweit noch immer so viele ungeimpfte Menschen gibt. Die Impfdosen müssen solidarisch an Staaten weitergegeben werden, die nicht die Möglichkeit haben, sie zu kaufen. Aber sicherlich wird die Personengruppe erweitert werden, die die dritte Dosis erhält. Wir wissen aber noch nicht, wie lange die Immunisierung hält.

Die Gewerkschaften beschuldigen Sie, die Lage in den Krankenhäusern zu beschönigen. Diese würden aus allen Nähten platzen.

Die Gewerkschaften haben die Arbeitsbedingungen ihrer Mitglieder im Blick. Das ist ihr gutes Recht. Von einem Kollaps im Krankenhaus kann keine Rede sein. Wir haben ein starkes Gesundheitssystem. Wenn 26 Prozent der Intensivstation mit Corona-Patienten belegt sind, dann bleiben noch 74 Prozent verfügbar. Sicherlich gab es im Sommer Hochbetrieb, da wesentlich mehr Leute auf der Insel waren. Es gab extrem viele Unfälle im Meer und auf den Straßen. Das Sanitätspersonal war zum Teil auch im Urlaub, was es sich redlich verdient hatte. Die Gewerkschaften beschweren sich zu einem Zeitpunkt, an dem es schwierig ist, es allen recht zu machen. Ich denke aber, wir haben diese Prüfung mit einer guten Note bestanden.

Haben Sie eine Rechnung aufgestellt, was die Pandemie den Gesundheitssektor kostet?

Wir haben dieses Jahr aus einem spanienweiten Fonds 300 Millionen Euro zur Verfügung. Das Geld reicht aus. Die Belegschaft im Gesundheitssystem beläuft sich auf 20.000 Personen. Durch die Pandemie mussten wir 3.600 neue Fachkräfte einstellen. Das ist ein Wachstum von 22 Prozent, das mit neuen Kosten einhergeht. Wir haben Corona-Hotels eingerichtet und sind einer der wenigen Orte auf der Welt, die einen solchen Service den Urlaubern anbieten können. Dazu kommen die Kontrollen an den Häfen und Flughäfen. Auch hier sind rund tausend Personen beschäftigt. Und nicht zu vergessen die Mitarbeiter in den Impfzentren.