„Die deutschen Rentner werden seit Jahrzehnten in Spanien betrogen“, sagt Dieter Kern. Der 74-Jährige, der seit zehn Jahren in Málaga lebt, kämpft erbittert darum, dass ihm die deutsche Krankenversicherung einen Zahnersatz bezuschusst. Diese weigert sich jedoch, wie der deutsche Rentner gegenüber der MZ berichtet. Nun soll die Justiz entscheiden.

Mit Bonusheft Rabatt

Grundsätzlich müssen die Kosten für den Zahnersatz in Deutschland immer vom Patienten getragen werden, die Krankenkassen steuern seit 2005 einen festen Anteil dazu bei. Dieser wurde im Oktober 2020 angehoben und beträgt seitdem 60 Prozent. Wenn ein Patient zudem mit seinem Bonusheft nachweisen kann, dass er die vergangenen fünf Jahre regelmäßig zur Kontrolle beim Zahnarzt war, steigt der Anteil der Krankenkasse auf 70 Prozent, bei zehn Jahren gar auf 75 Prozent.

Zahnersatz als Tourist

„Gesetzlich Krankenversicherte können eine (zahn-)ärztliche Behandlung innerhalb der Grenzen der EU auch jenseits der Notfallversorgung in Anspruch nehmen“, schreibt die Bundeszahnärztekammer auf ihrer Website. Dadurch hat sich eine Art Zahnersatz-Tourismus entwickelt. Da die Zahnärzte in anderen Ländern mit geringeren Mieten, Löhnen und Laborkosten weniger kosten, ist der Zahnersatz im Ausland meist günstiger. Gerade eine Behandlung in Osteuropa oder Asien sei billiger, „teilweise um rund 50 Prozent, laut Werbung auch um 70 oder 80 Prozent“, schreibt die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen auf der Website kostenfalle-zahn.de, weist aber darauf hin, dass Krankenkassen den Zahnersatz nur bezuschussen, wenn ein Arzt vorab einen Heil- und Kostenplan einreicht.

Residenten gelten als Spanier

Ein Sonderfall sind ausländische Residenten in Spanien. „Sie beziehen hier die gleichen Leistungen wie die Spanier“, sagt Rainer Fuchs, früherer Sozialreferent der deutschen Botschaft in Madrid und Autor des Ratgebers „Sorgenfrei leben unter Spaniens Sonne“. Die deutsche Krankenversicherung behandle sie ebenfalls als solche. Es werden laut dem Experten also nur die Kosten von Behandlungen übernommen, die auch die spanische öffentliche Krankenversicherung abdeckt. Vorteile, die das deutsche Gesundheitssystem bietet, erlöschten. Darunter fallen etwa Zuschüsse für Brillen oder eben der Zahnersatz.

Dabei beachtet werden muss aber die Frage nach dem Lebensmittelpunkt. Erst wenn dieser in Spanien liegt, haben Residenten die Verpflichtung, sich bei der Krankenkasse umzumelden. Ausschlaggebend, ob das deutsche Gesundheitssystem den Versicherten nach spanischen oder deutschen Maßstäben behandelt, ist das ausgefüllte Formular S1. „Die Anmeldung beim Rathaus oder beim Ausländerregister ist dafür egal“, sagt Fuchs.

Dieter Kern hatte sich vorschriftsmäßig umgemeldet sowie seiner Frau und sich die spanische Versichertenkarte besorgt. Vor drei Jahren schlug sich seine schwerbehinderte Partnerin bei einem Unfall Zähne aus. „Die Behandlungskosten würden 6.000 bis 7.000 Euro betragen“, sagt der Rentner. Die Krankenkasse lehnt einen Zuschuss ab, was der 74-Jährige als Unrecht ansieht. „Auf dem Formular S1 wird zwischen Versichertem und Rentner unterschieden“, erklärt er. Deshalb müsse nach seiner Auffassung die Überschreibung in die spanische Krankenversicherung nur für Berufstätige gelten. Pensionäre müssten weiterhin nach deutschen Maßstäben behandelt und unterstützt werden.

Zahnarzt für Notfälle

Die Krankenkasse und das Sozialgericht sehen es anders: Für den Rentner gibt es keinen Zuschuss, da Zahnbehandlungen so gut wie gar nicht im öffentlichen spanischen Gesundheitssystem enthalten sind.

So gibt es auf Mallorca lediglich in 12 der 132 öffentlichen Gesundheitszentren einen Zahnarzt. Die odontólogos informieren über fachgerechte Mundhygiene, werden aber nur in Notfällen tätig, etwa bei Entzündungen und Verletzungen. In den meisten Fällen werden schmerzstillende Medikamente verschrieben und ein Besuch in einer privaten Zahnarztpraxis empfohlen, der dann vom Patienten zu bezahlen ist. Im Extremfall zieht der öffentliche Zahnarzt Zähne.

Wie das Gesundheitsministerium auf seiner Website jedoch ausdrücklich klarstellt, wird Zahnersatz nicht finanziert. „Gezahlt wird nur, wenn ein Tumor die Mundhöhle betrifft und die Behandlung zum Verlust der Zähne führt, oder Patienten von Geburt an unter Zahnlücken leiden.“

Vor diesem Hintergrund wurde die Frau des deutschen Rentners durch den spanischen Arzt lediglich mit dem Nötigsten behandelt: Statt eines Zahnersatzes gab es eine provisorische Schiene. „Diese war eigentlich nur für drei Monate konzipiert, meine Frau trägt sie nun seit drei Jahren“, sagt Kern. Man habe nicht die finanziellen Mittel, um für die Behandlung aufzukommen. „Eine private Krankenversicherung kommt nicht infrage, da keine Versicherungsgesellschaft meine Frau aufnehmen würde.“

„Es entbehrt jeder Logik, dass Urlauber den Zahnersatz finanziert bekommen, Residenten aber nicht“, argumentiert der Rentner. Dazu muss man wissen, dass die deutschen Krankenkassen pro übermittelten Versicherten eine monatliche Pauschale von 300 Euro an die spanische Kasse zahlen. Weitere Kosten sind nicht vorgesehen, da die Versicherten dann den spanischen Schutz genießen.

Theoretisch könnte das Paar nach Deutschland reisen und dort einen Zahnarzt aufsuchen. Dann wiederum wäre der Zuschuss möglich, sofern der Heil- und Kostenplan vorab eingereicht wird. „Meine Frau ist jedoch nicht in einem Linienflugzeug reisefähig. Der Krankentransport würde 22.500 Euro kosten – für eine Strecke“, sagt der Rentner.

Rainer Fuchs rät dazu, den Kontakt zur Krankenkasse wieder aufzunehmen. „Die lassen in der Regel mit sich reden. Die Behandlung in Spanien dürfte wesentlich günstiger sein.“ Wenn man sozusagen drohe, nach Deutschland zu reisen und dort den teureren Zahnersatz in Anspruch zu nehmen, den die Krankenkasse bezuschussen muss, gebe es unter Umständen doch ein Einsehen hinsichtlich des Residentenstatus.

Rentner Kern verweist darauf, dass er dies bereits mit seinen Anwälten versucht habe, ohne Erfolg. Jetzt bleibe nur der juristische Weg. „Ich werde für mein Recht kämpfen.“