Die Weltgesundheitsorganisation hat diese Woche eine Vorhersage abgegeben, die aufhorchen lässt: In den kommenden acht Wochen werde sich die Hälfte der Europäer mit der neuen Omikron-Variante des Coronavirus infiziert haben. Der Chef der Mikrobiologie des Landeskrankenhauses von Son Espases, Antonio Oliver, hält diese Schätzung angesichts der derzeitigen Verbreitung des Virus für wahrscheinlich. Allein in Son Espases sowie im Bereich des Gesundheitszentrums Palma-West würden jeden Tag rund 3.000 PCR-und Antigentests positiv ausfallen. Wenn in den kommenden Wochen mehr Schnelltests in den Apotheken zur Verfügung stünden, rechnet Oliver mit täglich 10.000 positiven Tests. Derzeit gibt es in den Apotheken noch teilweise Engpässe.

Vielleicht stagnieren auch deshalb die Corona-Zahlen in den vergangenen Tagen. Von Montag bis Mittwoch (12.1.) wurden jeweils zwischen 4.000 und 5.000 positive Tests gemeldet, die 7-Tage-Inzidenz lag am Mittwoch (12.1.) auf Mallorca bei 967. Dass die Omikron-Variante, die inzwischen für 90 Prozent der Infektionen auf den Inseln verantwortlich ist, bei Kranken oftmals leichtere Symptome verursacht, zeigt sich an den Hospitalisierungszahlen. Die Zahl der Krankenhauseinlieferungen steigt verglichen mit der Zahl der Infektionen nur langsam an. Stand Mittwoch (12.1.) lagen auf den normalen Stationen auf den Balearen 317 Covid-19-Patienten, in der Woche zuvor waren es 263 Menschen.

Über 40.000 Menschen mit Covid-19 auf Mallorca

Auch die Intensivstationen füllen sich langsamer als in früheren Wellen. Innerhalb von sieben Tagen kamen neun Patienten hinzu, jetzt liegen 81 Menschen mit Covid-19 in kritischem Zustand in den Krankenhäusern der Inseln. Zudem sind sieben Todesfälle innerhalb einer Woche hinzugekommen. Insgesamt verzeichnen die Balearen bislang 1.079 Covid-19-Tote.

In den Gesundheitszentren steigt die Anzahl der Patienten weiterhin. Dort waren am Mittwoch auf Mallorca 40.254 Menschen mit Covid-19 registriert. Das sind rund 14.000 mehr als noch sieben Tage zuvor. Und der R-Wert, der im Durchschnitt derzeit bei 1,6 liegt, macht keine Hoffnung auf eine baldige Besserung der Situation. Inzwischen fällt mehr als jeder dritte Corona-Test positiv aus.

Auswirkungen auf das öffentliche Leben

All das hat direkte Auswirkungen auf das öffentliche Leben. In manchen Unternehmen, aber auch der Verwaltung, sind so viele Mitarbeiter gleichzeitig krank, dass der Normalbetrieb nicht aufrecht erhalten werden kann. Zum Schulstart nach den Weihnachtsferien waren am Montag (10.1.) rund 300 Lehrer krankgeschrieben. In den kommenden Tagen wird mit weiteren Ausfällen von Lehrkräften gerechnet. Zwar hat das Bildungsministerium eine Sondereinheit mit derzeit 80 Lehrern und Lehrerinnen gebildet, doch das reicht schon jetzt nicht. Um den Schulalltag dennoch aufrechtzuerhalten, hat die spanische Zentralregierung neue Vorgaben bei Corona-Fällen unter Schülerinnen und Schülern herausgegeben. Ab der Grundschule müssen nun mindestens fünf Kinder oder 20 Prozent der Klasse positiv getestet sein, bevor eine ganze Klasse in Quarantäne geschickt wird.

Bei der Nationalpolizei sind aktuell rund 50 Beamte nicht einsatzfähig, insgesamt waren rund um die Weihnachtsfeiertage auf den Inseln rund 330 Angehörige der Guardia Civil und der Policía Nacional wegen Covid-19 krankgeschrieben. Zudem berichtet IB3 über ein Restaurant in Palma, das vorübergehend schließen musste, weil sieben der acht Köche krank waren.

Gesundheitszentren am Limit

Zum echten Problem wird die Krankenrate inzwischen auch in der Gesundheitsversorgung auf den Inseln. Stand Dienstag (11.1.) waren 639 Angestellte des Gesundheitswesens aufgrund eines positiven Corona-Tests ausgefallen, weitere 143 Mitarbeitende stehen wegen enger Kontakte zu Infizierten unter Beobachtung und können nicht arbeiten. In den Gesundheitszentren fehlen derzeit 120 Angestellte aufgrund einer Covid-19-Erkrankung.

Die Gesundheitszentren sind ohnehin längst am Anschlag. Da viele der Fälle in den vergangenen Wochen leicht verlaufen, sind sie der Ansprechpartner für die meisten Corona-Infizierten. Mit der verschärften Personalsituation führt das zum einen dazu, dass es für Patienten mit anderen Krankheiten schwierig ist, einen Termin zu bekommen. Zum anderen ist es für Corona-Infizierte schwierig, an eine Krankschreibung zu kommen, um diese beim Arbeitgeber einzureichen. In Spanien werden bei einer Corona- Infektion ab dem zweiten Tag der Krankschreibung 75 Prozent des Gehalts weitergezahlt. Dafür ist aber ein Attest vom Arzt notwendig. Nun wird auf Hochtouren an einem neuen Meldesystem gearbeitet, mit dem auch Apotheken Covid-Atteste ausstellen können.

Forderung: Coronavirus wie Grippe behandeln

Indes fordern immer mehr Politiker und Ärzte in Spanien, das Coronavirus wie eine Grippe zu behandeln. Zwar soll die derzeitige Omikron-Welle noch abgewartet werden, ab dem Frühjahr allerdings könnten demnach die ständigen Meldungen der Fallzahlen sowie die massenhaften Tests möglicherweise aufgegeben werden.

Derweil schreitet die Booster-Kampagne nur langsam voran. Am Montag (10.1.) wurden auf der Website Bitcita des Gesundheitsministeriums die Termine für die dritte Dosis der Altersgruppe von 40 bis 49 Jahren geöffnet. Bislang hat die spanische Zentralregierung für jüngere Menschen die Auffrischungsimpfung noch nicht freigegeben. Auch bei den Erst- und Zweitimpfungen geht es nur noch wenig voran. Durch die inzwischen ausgedehnten 3G-Regelungen haben sich auf den Inseln seit der Verabschiedung der Pläne am 29. November knapp 20.000 Menschen impfen lassen, die sich bis dahin noch keine Dosis hatten spritzen lassen.