Wie lange leben Sie schon auf Mallorca?

Eigentlich seit dem Jahr 2000. Am Anfang bin ich gependelt und hatte noch meinen Job als Krankenschwester in Deutschland, aber seit 2014 lebe ich mit meinem Mann und meiner Tochter ganz hier und habe mir meinen Titel anerkennen lassen. Seitdem arbeite ich in der Juaneda-Klinik und seit einem Jahr zusätzlich im öffentlichen Krankenhaus Son Llàtzer.

Wie kommt es, dass Sie an zwei verschiedenen Krankenhäusern arbeiten?

Ich wollte noch etwas anderes kennenlernen, eine öffentliche Einrichtung, deshalb Son Llàtzer. Da auch hier Personal benötigt wird, hat das gut geklappt. Schwierig wird es nur, wenn man einen unbefristeten Vertrag haben und verbeamtet werden möchte, aber das strebe ich bis jetzt nicht an. In der Juaneda arbeite ich 50 Prozent und in Son Llàtzer 65 Prozent, jeweils sieben Stunden am Tag. Überschneiden sich Arbeitszeiten können wir mit den Kollegen untereinander tauschen. In Son Llàtzer arbeite ich in der Notaufnahme, in der Juaneda auf der Station beziehungsweise auf verschiedenen Stationen.

Worin unterscheiden sich die Kliniken?

In Son Llàtzer ist der Personalschlüssel besser, da er für die öffentlichen Krankenhäuser von IB-Salut festgelegt ist, und die Bezahlung und die Stellung sind auch etwas besser.

Wie ist das Verhältnis mit Ihren Kollegen?

Sehr gut. In beiden Krankenhäusern sind meine Kollegen gleich welcher Nationalität sehr hilfsbereit und freundlich. Als Deutsche bin eher die Ausnahme, in Son Llàtzer in meinem Bereich die einzige, in der Juaneda habe ich noch eine deutsche Kollegin. Viele meiner Kollegen und Kolleginnen, ich schätze etwa drei Viertel, kommen vom Festland. Die Juaneda ist wie mein Zuhause, da kenne ich alle. Son Llàtzer erscheint mir aufgrund seiner Größe noch etwas unpersönlicher, ich bin aber auch erst ein Jahr da.

Was ist für Sie der Unterschied zu einem deutschen Krankenhaus?

Ich habe 15 Jahre als Krankenschwester in Deutschland gearbeitet, auch gerne. Auf Mallorca bin ich zufriedener, das liegt sicherlich auch an meinem Umfeld. Dafür gibt es verschiedene Gründe: Zum einen ist der Personalschlüssel in spanischen Krankenhäusern besser. Hier gibt es mehr Hilfskräfte, mehr Pflegehelfer. Eigentlich hat jede Schwester eine Hilfsschwester an ihrer Seite. Man hat das Gefühl, nicht alles allein machen zu müssen. Die Belastung wird untereinander aufgeteilt. Zudem haben Krankenschwestern einen besseren Status. Ich bekomme hier mehr Anerkennung und fühle mich ernster genommen. Krankenschwestern haben hier ein anderes Selbstbewusstsein und kooperieren mehr auf Augenhöhe mit den Ärzten. Schließlich muss man in Spanien mindestens vier Jahre an der Universität studieren, um diesen Beruf ausüben zu können. Vor allem aber gehen die Leute hier sehr liebevoll miteinander um, wobei es natürlich auch mal Stress gibt. Insgesamt halte ich das Gesundheitssystem hier für überragend gut. Zwar haben wir nicht, so wie in Deutschland, eine direkte und freie Arztwahl, es sei denn, man ist Privatpatient, dafür kann man für relativ wenig Geld zusätzlich eine Privatversicherung abschließen und erhält einen überdurchschnittlich guten Service. Wo zum Beispiel bekommt man in einem deutschen Krankenhaus ein Einzelzimmer und dazu noch ein Extra-Bett für Angehörige? Zu kritisieren ist im öffentlichen System, dass es aus Überlastung zu langen Wartezeiten kommt. Auch das ist für viele ein Argument für eine Privatversicherung.

Wie erleben Sie die Pandemie, betreuen Sie in beiden Krankenhäusern auch Corona-Patienten?

Ja, und es ist sehr belastend, nicht nur für mich, sondern für das gesamte Personal, die Patienten und die gesamte Gesellschaft. Das Arbeiten mit der Schutzkleidung – wir tragen doppelt Maske – ist sehr anstrengend, und es ist mühsam, sich immer wieder umzuziehen. Gerade haben wir wieder eine Welle in beiden Krankenhäusern erlebt. Schlimm ist, dass die Patienten so viel allein sind und keinen Besuch empfangen dürfen. Es ist wie eine Art Kontrollverlust, weil du das Gefühl hast, du würdest gerne öfter mal nach dem Patienten schauen und kontrollieren, wie es ihm geht. Das ist aber nicht so einfach wie früher, da du dich ja immer aufwendig verkleiden und durch die Schleuse der Isolierstation musst. Omikron ist für uns nicht weniger stressig als die anderen Wellen. Jeder Tag ist anders, aber vom Gefühl her würde ich sagen: Wir haben sehr viele Fälle, wenn auch im Vergleich zum Beginn der Pandemie häufig weniger schwer erkrankt.

Inwieweit haben sich die Krankenhäuser umorganisiert?

Es wird generell weniger operiert und nicht so dringende Operationen werden verschoben. Die Krankenhäuser verteilen das Personal um, ziehen es unter anderem von der Pädiatrie ab. Generell haben wir jetzt weniger Kinder, man versucht die Kinder aus den Krankenhäusern rauszuhalten. Der Personalausfall wegen Corona ist stressig, wobei sich die Auswirkungen möglicherweise erst später zeigen. Die Koordinierung ist für das verbleibende Personal sehr anstrengend. Seit der Pandemie wird man öfter an einem freien Tag angerufen, ob man einspringen kann.

Können Sie dann noch abschalten?

Ich gehe viel am Meer spazieren, laufe gerne, gehe joggen oder wandern. Ein wichtiges Hobby seit jeher ist für mich Malen. Und ich versuche, so gut es geht, mich mit Freunden zu treffen. Im Laufe der Jahre lernt man abzuschalten. Das ist ein Lernprozess, sich gedanklich abzugrenzen, aber das ist im Moment nicht so einfach, weil das Thema der Pandemie in allen Bereich so präsent ist. Häufig wünsche ich mir meinen früheren Arbeitsalltag zurück – und damit bin ich sicherlich nicht allein.

Was sehen Sie als verbesserungswürdig an?

Das Thema der Bezahlung. Wir haben als Krankenschwestern keine wirkliche Lobby. Es ist nicht einzusehen, warum ein Fließbandarbeiter in der Autoindustrie mehr Geld verdient als eine Krankenschwester. Im Lohn spiegelt sich ja auch immer die Wertschätzung wider. Wobei wir im Vergleich zu anderen hier nicht schlecht verdienen, und ich glücklich bin, dass ich eine sichere Arbeit habe – im Gegensatz zu vielen anderen Menschen, die wegen Corona ihre Arbeit verloren haben.