Der Ferienmonat August ist kein guter Moment, um ein neues bürokratisches Verfahren einzuführen. „In einigen Wochen" werde man sich mit dem Gemeindearchitekten zusammensetzen und sich anschauen, was genau Mallorcas Inselrat da beschlossen habe, meint Tomeu Cifre, Bürgermeister von Pollença. „Der Inselrat wird uns auch noch sagen müssen, wie wir bestimmte juristische Fragen zu interpretieren haben."

Der Startschuss für die Legalisierung von Landhäusern ist gefallen, doch die Teilnehmer haben sich bislang noch nicht an der Startlinie eingefunden. Obwohl das Balearen-Parlament das Rahmengesetz im März und der Inselrat die Durchführungsbestimmungen im Juli beschlossen haben, wird es eine Weile dauern, bis sich Immobilienbesitzer und Kommunen auf das Verfahren eingestellt haben. Es sieht vor, dass illegal errichtete oder erweiterte Häuser außerhalb geschlossener Ortschaften (suelo rústico) innerhalb einer dreijährigen Frist und unter bestimmten Voraussetzungen nachträglich genehmigt werden (Kasten).

Was die linken Oppositionsparteien in Parlament und Inselrat als „Generalamnestie" bezeichnet haben, dürfte in der Praxis auf eine Menge Arbeit für Anwälte und Gemeindeangestellte hinauslaufen, an deren Ende aber längst nicht in allen Fällen das Legalisierungs­verfahren steht. Besonders skeptisch ist Rechtsanwalt Joachim Süselbeck. Zwar sei das Interesse groß, das eigene Haus aus der rechtlichen Grauzone zu manövrieren. Doch da es sich um ein aufwendiges und vor allem teures Verfahren handle, bei dem die Betroffenen zur Ermittlung des Bauwertes die Finanzierung offenlegen müssten, dürften es sich viele Immobilienbesitzer zweimal überlegen: „Angaben, wie viel Geld sie wirklich in eine Immobilie gesteckt haben, scheuen viele wie der Teufel das Weihwasser", so Süselbeck.

Zumal es mit einer Bestandsschutzerklärung (declaración de antigüedad) wegen Verjährung eine weitere, deutlich günstigere Lösung gebe, die für viele Mandanten in Frage komme, meint der Anwalt. Auch auf diese Weise sei eine Eintragung ins Grundbuch möglich. Nachteil: Es werden keine künftigen Um- oder Anbauten erlaubt, sondern nur Maßnahmen zum Erhalt der Immobilie. „Man darf zum Beispiel Wände einreißen oder Fenster austauschen - beim Dach dagegen wird es schon schwieriger."

Die Frage wird sein, was mit der Immobilie in Zukunft geplant ist. Soll ein Pool gebaut werden, steht ein Verkauf an, muss eine Vererbung geregelt werden? In all solchen Fällen sei ein Hausbesitzer mit einem Antrag zur Legalisierung gut beraten, sagt Joan Simonet, Bürgermeister von Alaró, der auch an den Konsultationen zur Umsetzung des Rahmengesetzes beteiligt war. Ist ein Verstoß gegen die Bauvorschriften erst einmal verjährt, müsse der Betroffene zwar nicht mit einer Geldstrafe oder gar einem Abriss rechnen, so Simonet. Aber einen geplanten Anbau etwa bekomme der Eigentümer nicht genehmigt. Davon abgesehen werde auch die Suche nach einem Käufer nicht leichter, wie Angelika Dressen von der Kanzlei Marrero Henning betont. Bei den Kosten müsse man zudem berücksichtigen, dass anschließend die Immobilie deutlich mehr wert sei. „Es handelt sich um eine einmalige und zeitlich begrenzte Möglichkeit", sagt auch Guillermo Dezcallar von der Kanzlei illeslex.

Mallorcas Bürgermeister haben sich über Parteigrenzen hinweg fast unisono für das Legalisierungsverfahren ausgeprochen. Den Vorwurf, dass sie dabei vor allem an die Einnahmen denken, lässt Simonet nicht gelten. Denn die Gelder dürften weder für einen neuen Sportplatz, noch für laufende Ausgaben genutzt werden, sondern müssten in Umweltprojekte fließen.

Neben den Kosten fürchten einige Betroffene zudem, dass sie mit ihrem Antrag schlafende Hunde wecken und sich überhaupt erst ins Visier der Inspektoren bringen. Konsultiert werden muss etwa im Vorfeld, ob Anzeigen vorliegen oder ein Verfahren wegen Bauverstößen läuft. So manche Gemeinde werde durch Nachfragen überhaupt erst auf Probleme aufmerksam, bestätigt Joan Albertí, Vorsitzender des Gemeindetags auf den Balearen und Bürgermeister von Fornalutx. Natürlich sei Vorsicht geboten, heißt es bei den Anwälten. Dressen verweist aber darauf, dass ohnehin zunächst eine Rechtsprüfung stattfinde, bei der geklärt werde, ob die Voraussetzungen vorliegen.

Kopfzerbrechen bereitet Albertí zudem, wie 53 Gemeinden auf Mallorca die Vorschriften einheitlich anwenden sollen. Wie sein Amtskollege in Pollença plädiert der PP-Politiker deswegen dafür, dass der Inselrat zunächst einmal genauere Vorgaben festlegt. Vorher mache es keinen Sinn, sich mit dem Gemeindearchitekten zusammenzusetzen. Gerade kleinere Gemeinden im Gebiet der Tramuntana, wo die Zahl illegaler Häuser besonders groß sein dürfte, stehen vor einer bürokratischen Herausforderung.

Behördenwillkür je nach Zuständigkeit befürchten die Anwälte nicht. Natürlich hätten die Gemeinden einen gewissen Handlungsspielraum, sagt Christian Gerboth. Doch letztendlich seien die Vorgaben relativ klar und restriktiv, das Verfahren werde sich nach und nach einspielen.

Da das Regulierungsverfahren allerdings nur die zehnte Zusatzbestimmung in einem ansonsten 193 Artikel umfassenden Rahmengesetz (Ley de Suelo) betrifft, besteht ohnehin noch jede Menge Klärungsbedarf in den Rathäusern. Für alle Fälle hat der Inselrat nach einer ersten Informationsveranstaltung im Juli bereits eine zweite Auflage im September in Aussicht gestellt, um Unklarheiten zu beseitigen.

Bedingungen: Wer die Legalisierung beantragen darf

Im Rahmen des jetzt angelaufenen Verfahrens lassen sich längst nicht alle illegal errichteten Immobilien, bzw. deren An- und Umbauten auf dem Land legalisieren. Neben der Bedingung, dass sich das Haus auf suelo rústico, also außerhalb geschlossener Ortschaften befinden muss, darf auch keine Strafanzeige vorliegen oder ein Verfahren anhängig sein. Darüber hinaus wird vorausgesetzt, dass die Verstöße gegen die Bauvorgaben verjährt sind, was in der Regel nach acht Jahren der Fall ist. Kompliziert wird es im Fall von landschaftlichen Schutzgebieten. Hier besteht möglicherweise dann noch Spielraum, wenn die Immobilie vor dem März 1991 errichtet wurde, als das balearische Landschaftsschutzgesetz in Kraft trat.

Schwamm drüber ist nicht ganz billig

Das neue Bodenordnungs- und Flächennutzungsgesetz der Balearen vom 25. März dieses Jahres eröffnet Bausündern eine (kostenpflichtige) Brücke in die Legalität. Das auch als „Amnes­ti­e­gesetz" bekannte Ley 2/2014 regelt unter anderem die Legalisierung illegaler Landhäuser auf Mallorca. Das entsprechende Legalisierungsverfahren ist seit dem 14. Juli in Kraft.

Das umstrittene Gesetz mit dem etwas sperrigen Namen „Ley de ordenación y uso del suelo de las Illes Baleares" (Bodenordnungs- und Flächennutzungsgesetz der Balearischen Inseln) regelt erstmalig und umfassend das gesamte (Städte-)Baurecht der Balearen. Für Immobilienbesitzer ländlicher Anwesen findet sich die entscheidende Regelung in der Übergangsvorschrift 10 am Ende des knapp 200 Paragraphen starken Gesetzes: „Das außerordentliche Verfahren zur Wiedereingliederung bestehender Bauten im Außenbereich in die Bodenordnung." Mit diesem Verfahren wird innerhalb eines Zeitfensters von drei Jahren, also bis Mitte Juli 2017, die Legalisierung illegaler Bauten auf dem Lande ermöglicht.

Durch das Legalisierungs­verfahren können Eigentümer (illegaler) ländlicher Anwesen nicht nur den (Verkaufs-)Wert Ihrer Immobilie steigern und Rechtssicherheit schaffen. Sie sichern sich vor allem das Recht, künftig ihr Anwesen ordnungsgemäß instand halten, um- oder ausbauen zu können. Bisher konnten für illegale Bauten, trotz Bestandsschutz, keine Umbau-, Erweiterungs- oder Instandhaltungsmaßnahmen beantragt und genehmigt werden. Ergebnis war ein blühender Schwarzbau mit dem steten Risiko von Sanktionen, und im schlimmsten Falle Abrissverfügungen, beziehungsweise ein steter Verfall der Immobilie.

Kein Freibrief

Nunmehr jedoch können Eigentümer ihre illegalen Bauten unter ­folgenden Voraussetzungen legalisieren lassen:

1. Es handelt sich um eine Immobilie im ländlichen Außenbereich, das heißt in den als sogenannte suelo rústico ausgewiesenen Gebieten.

2. Der Verstoß gegen das anwendbare Baurecht ist verjährt - in der Regel nach Ablauf von acht Jahren seit der letzten baulichen Maßnahme oder Umnutzung -, und die Immobilie genießt Bestandsschutz. Etwas anderes gilt für Immobilien in landschaftlich geschützten Gebieten (Áreas de especial protección). Diese können im Einzelfall legalisiert werden, sofern sie vor dem 10. März 1991 errichtet und seither baulich nicht mehr verändert oder anders genutzt wurden.

3. Es gibt keine Strafanzeigen oder anhängigen, behördlichen Verfahren.

Liegen diese Voraussetzungen vor, so kann der jeweilige Eigentümer künftig beim zuständigen Rathaus einen schriftlichen Antrag auf Legalisierung einreichen. Dem Antrag sind umfangreiche Unterlagen beizufügen. Unter anderem sind die rechtlichen Voraussetzungen zu Alter und Eintritt des absoluten Bestandsschutzes der Immobilie nachzuweisen sowie Pläne und eine detaillierte Baubeschreibung des Status Quo einzureichen. Entspricht der Bau nicht den allgemeinen baurechtlichen Vorgaben zum Natur- und Landschaftsschutz ist zudem ein Bauantrag (proyecto) zur Durchführung entsprechender Anpassungsmaßnahmen miteinzureichen. Hinsichtlich der Einzelheiten eines Legalisierungsantrages empfiehlt es sich, Rechtsrat einzuholen und einen versierten Anwalt mit Prüfung und Nachweis der rechtlichen Voraussetzungen sowie möglicher Anpassungserfordernisse zu beauftragen. Auch ein kundiger Architekt sollte mit an Bord genommen werden.

Anfallende Kosten

Die Legalisierung ist nicht kostenfrei, sodass Gegner des Gesetzes auch gerne von modernem Ablasshandel sprechen. Die Amnestievorschrift setzt eine gestaffelte Sonderabgabe fest - je nach Zeitpunkt des Antrages. Bemessungsgrundlage ist eine rechnerisch zu ermittelnde Bausumme, auf deren Betrag eine Abgabe zwischen 15 Prozent im ersten Jahr beziehungsweise 20 Prozent im zweiten und 25 Prozent im dritten Jahr fällig wird. Die Einnahmen hieraus sind zweckgebunden in Natur- und Landschaftsschutz zu investieren. Daneben sind die Rathäuser berechtigt, je Antrag eine kommunale Gebühr zu erheben. Zu den genannten Kosten kommen Architekten- und Beraterhonorare sowie gegebenenfalls Ausgaben für erforderliche bauliche Anpassungsmaßnahmen.

Fazit

Die kurzzeitig mögliche Legalisierung illegaler ländlicher Anwesen wird den mallorquinischen Immobilienmarkt maßgeblich beeinflussen. Vor allem aber eröffnet sie Eigentümern den Weg zurück in die Rechtssicherheit und gewährleistet den Erhalt der Immobilie für die Zukunft.

Rechtsanwalt Pedro Pablo Marrero Henning ist Gründer der Kanzlei Bufete Marrero Henning und irischer Generalkonsul auf den Balearen. Angelika Dressen, M.B.A., ist deutsche Rechtsanwältin in der Kanzlei Bufete Marrero Henning. Kontakt: Angelika Dressen, C/. Sant Miquel, 8, 07002 Palma, Tel.: 971-72 25 04 angelika@marrero-henning.com