Das Haus hat eine helle Sandsteinfassade, die grünen Fensterläden sind zu. Nichts verrät, was Can Monroig alles versteckt: Die gesamte Entwicklungsgeschichte der Stadt Inca auf fast 600 Quadratmetern. 2004 verkauften zwei alte mallorquinische Damen das Haus. 300 Jahre lang war es im Besitz ihrer Familie gewesen. „Einer der Nachnamen der Vorbesitzer war Salas", erklärt Marie-Noëlle Ginard Feron, „typisch für konvertierte Juden." Das könnte ein Indiz dafür sein, dass sich in Can Monroig einst ein jüdisches Badehaus befand.

Marie-Noëlle und ihr Mann Robert López Hinton - beide mit binationalem Hintergrund - beschäftigen sich mit der Stadtgeschichte, seit sie Can Monroig erworben haben. Die beiden Bohemiens verdienen ihr Geld mit nachhaltiger Gebäuderestauration. Das Haus ist auch eine Art Showroom für ihre Arbeit. Sie haben tonnenweise Erdreich weggeschafft und dabei Wunderliches entdeckt.

Can Monroig ist mittlerweile ein weites, offenes Haus, bis auf die tiefste Grundmauer freigelegt. Verschwunden sind Zimmerchen, Türen und Wandschränke, aufgetaucht sind eingemauerte Amphoren, fünf große, begehbare Depots (oder Becken?), vermutlich für Wasser, drei Brunnen, ein Ofen, bronzene Wasserhähne mit lachenden Gesichtern darauf, Treppen und Falltüren, die in die Tiefe des Erdgeschosses führen, das bis zur Renovierung unzugänglich war.

„Wir leben heute unter dem Grundwasserspiegel", erklärt Robert López Hinton, „auf der ältesten Ebene des Hauses." Darüber haben sie gotische Bögen, barocke Treppen und Renaissance-Elemente gefunden. Auch ein römisch anmutender Bogen im Hof und eine mittelalterliche Tür mit uraltem Riegel sind zum Vorschein gekommen. Sogar eine mit Lehm gebaute Wand haben sie entdeckt: „Kein Marés, nur gepresste Erde."

Nicht alles können die beiden zuordnen. Viele Elemente dieser archäologischen Wunderkiste sind unklar. Stammen die Amphoren, Brunnen oder Öfen aus der Römer-, oder aus der Mauren- und Judenzeit, sind sie also vor der Eroberung durch Jaime I. im Jahr 1293 gebaut worden? Viele Frage blieben bislang unbeantwortet, denn „auf Mallorca kümmert sich keiner um die Geschichte , vor allem nicht die Politiker", so Robert López. Achselzucken, wohin sie sich auch wandten. „Unglaublich traurig", finden die beiden das.

Doch nun könnte sich etwas ändern. Noch im Juni wird der Archäologe Jorge Argüelles einen der Brunnen freilegen und analysieren. Das heißt: eine Woche lang Wasser abpumpen, historischen Abfall herausholen, Proben aus den Wänden und Resten nehmen, ­chronologisch zuordnen. „Am Ende wissen wir hoffentlich, ob wir es hier mit einer Töpferwerkstatt aus dem 17. Jahrhundert oder einem jüdischen oder maurischen Badehaus aus dem frühen Mittelalter zu tun haben - oder ob etwas sogar aus der Römerzeit stammt."

Die Theorie des Mikveh, also des jüdischen Badehauses, scheint die wahrscheinlichste zu sein. Schließlich steht Can Monroig mitten im ehemaligen Judenviertel von Inca. Die angrenzende Straße heißt Carrer des Call, der mallorquinische Ausdruck für Judenviertel. Die Präsenz von Juden ist seit dem 5. Jahrhundert n. Chr. belegt. Selbst ein Pogrom im Jahr 1391 scheint in dem Haus Spuren hinterlassen zu haben: verkohlte Steinbögen und Holzbalken. Leider hat Inca die Geschichte so wenig erforscht, dass López und Ginard kaum schriftliche Quellen haben. Auch der aufs Judentum spezialisierte Mediävist Jorge Maíz Chacón aus Palma weiß wenig über Incas jüdische Vergangenheit. „Dabei könnte die Stadt das wunderbar touristisch nutzen", findet Robert López Hinton, „besonders viel ist hier ja sonst nicht los."

Wer mit Argüelles und den Hausherren Incas Vergangenheit freilegen möchte, kann bei einem Archäologie-Schnupperkurs Anfang Juli dabei sein (6.-10.7., 15 bis 20 Uhr, 200 Euro). Ton- und Fliesenscherben aus einem zweiten Brunnen sind bereits gehoben, auch sie sollen gedeutet werden. Vielleicht wecken erste Fakten ja endlich Interesse. Incas frisch gewählter Bürger­meister, der Sozialist Virgilio Moreno, sei während des Wahlkampfs vorbei gekommen, erzählen die beiden. „Er scheint das Potenzial erkannt zu haben."

Besichtigung nach Absprache. Weitere Infos und Anmeldung zum Workshop (maximal sechs Teilnehmer): www.canmonroig.com