Vor dem Tag, an dem ein Kaufvertrag unterschrieben wird, ist ihm ein bisschen bange. „Meine Mutter wird mir, wenn wir uns irgendwann im Himmel wiedersehen sollten, ganz schön die Leviten lesen", sagt der Mallorquiner, etwa Mitte 70, grau meliertes Haar, gepflegte Erscheinung. Er ist der Besitzer von Can Sureda, einem stattlichen Herrenhaus mitten in Artà, bei dem es sich nicht nur um die älteste casa señorial des Ortes handelt, sondern obendrein um über 400 Jahre alten Familienbesitz. Ein gewisser Joan Sureda, Nachfahre des Ritters Joan Descolombres, der im 13. Jahrhundert an der Seite von König Jaume I. Mallorca von den Mauren zurückeroberte, hatte das Anwesen 1533 erworben. „Meine Mutter war eine Sureda, von ihr habe ich das Haus geerbt", erzählt der Mallorquiner, der von Kindesbeinen an jeden Sommer dort verbracht hat.

Nun will er es los werden, man wird schließlich nicht jünger, und die Kinder haben andere Pläne - und Häuser. Für knapp 1,1 Millionen Euro hat die Immobilienagentur Engel & Völkers Can Sureda im Angebot: 680 Quadratmeter Wohnfläche, sieben Schlafzimmer, drei große Säle, zwei Bäder, ein kleiner Innenhof mit Garten. Doch Quadratmeter sind in den alten Gemäuern zweitrangig. „Das hier ist Geschichte, Kultur", sagt der Besitzer, während er in die große antike Küche führt. Steinkrüge, bemalte Teller und blecherne Töpfe könnten genauso gut in einem Museum stehen. Die Feuerstelle unter dem Kamin wurde 1879 durch einen Holzofen-Herd und im vergangenen Jahrhundert durch eine moderne Küche im Hinterzimmer ersetzt.

Auf der anderen Seite der herrschaftlichen Eingangshalle gelangt man in ein kleines Schlafzimmer. Es diente einst dem Einsiedler von der Ermita de Betlem als Nachtquartier, wenn er für Erledigungen ins Dorf kam. „Meine Urgroßmutter hat ihn noch beherbergt", erzählt der Hausherr. Kein Geringerer als der Vizekönig von Mallorca, der im Spanischen Erbfolgekrieg an der Seite von Erzherzog Karl gegen die Bourbonen gekämpft hatte, war 1715 zu Gast in Can Sureda, das erst wenige Jahre zuvor grundlegend umgebaut worden war und seine heutige Form erhalten hatte. Noch älter ist die spätgotische Wendeltreppe, die hinauf zum Vorratsspeicher führt, wo einst Früchte und Getreide lagerten.

Im oberen Stockwerk finden sich mehrere Salons, einer birgt wuchtige, golden-gerahmte Ahnenporträts und, hinter Klapptüren versteckt, den Hausaltar. Nebenan dominieren mit rotem Damast bezogene Möbel, die Wände zieren venezianische Leuchter und halbhohe Wandmalereien.

Während das „rote Zimmer" seit Generationen unverändert geblieben ist, wurde der linke Gebäudeflügel Ende des 19. Jahrhunderts renoviert. Die kleineren Räume, niedrigeren Decken und das moderne Bad anstatt eines Plumpsklos wirken fast schon heimelig. Im Wohnzimmer hängen alte Familienaufnahmen in Schwarz-Weiß. Von den Farbfotos, die auf einer Kommode stehen, strahlen einem die Gattin des Hausherrn, seine Tochter im Brautkleid und die im Hof spielenden Enkel entgegen. „Das Haus ist alt, aber lebendig", sagt der Eigentümer. Zuletzt seien sie im Sommer 2015 hier gewesen. Die Lektüre seiner Frau, „Das Fest des Ziegenbocks" von Vargas Llosa, liegt noch auf dem Nachttisch im Schlafgemach.

Wer die neuen Bewohner sein werden, steht nach wie vor in den Sternen. Ein Paar aus Italien zeigte sich interessiert und ist immer noch in Kontakt mit dem Eigentümer. Doch spruchreif ist der Verkauf noch lange nicht. „Es ist nicht einfach, für so etwas einen Käufer zu finden", sagt Stefanie Böttcher vom Engel & Völkers-Büro Artà. „Das müssen schon echte Liebhaber sein, die hier nicht nur Ferien machen, sondern das authentische Mallorca erleben wollen." Und obendrein das nötige Kleingeld haben, um die alten Gemäuer instand zu setzen und in Schuss zu halten.

Sofort zuschlagen würde Tolo Gili, der Bürgermeister von Artà, dem viele ­Nutzungsmöglichkeiten für Can Sureda einfielen: als Museum, als Veranstaltungsort für Konzerte und Ausstellungen oder auch als neuen Standort für die Touristeninformation und den Kunsthandwerkladen „Marca Artà", die derzeit im alten Bahnhof untergebracht sind.

Beinahe hätte der Rathauschef auch eine Möglichkeit gefunden, die Kaufsumme auf die Schnelle aufzutreiben: Artà sollte just 1,1 Millionen Euro an staatlichen Subventionen erhalten, die für die Sanierung des ehemaligen Klosters Bellpuig vorgesehen waren, hierfür aber nicht mehr ausbezahlt werden können, da die noch nicht mal begonnenen Arbeiten bereits im April abgeschlossen sein müssten. „Um das Geld nicht zu verlieren, schlug ich den Kauf von Can Sureda vor, doch das lehnte der Inselrat ab", erklärt Gili. Er gibt sich allerdings nicht geschlagen. Inzwischen hat er Zuwendungen von ebenfalls 1,1 Millionen Euro ausgehandelt, die der Inselrat der Gemeinde innerhalb von vier Jahren ausbezahlen will und wovon nur ein Teil dem Kloster Bellpuig zugute kommen muss. „Der Kauf von Can Sureda ist somit noch nicht vom Tisch." Zumal der Eigentümer sich sehr kooperativ zeige und vielleicht sogar Ratenzahlungen akzeptieren würde.

Der Hausherr selbst wirkt unentschlossen. „Wenn nächste Woche ein Käufer kommt, verkaufe ich", sagt er unter dem strengen Blick von Maklerin Böttcher. Wobei er auch die Sache mit der Gemeinde eine gute Lösung fände - die obendrein auch der verstorbenen Mutter wesentlich besser gefallen dürfte.