Dass die Baubranche auf Mallorca nicht mehr das ist, was sie einmal war, wird auch beim Besuch im Sitz der balearischen Branchenvereinigung in Palma schnell klar. Sandra Verger, seit Kurzem die Geschäftsführerin, schlägt neue Töne an. Statt von großen Projekten und Gewinnmargen der Vergangenheit spricht sie von Nachhaltigkeit, Investitionen in Entwicklung und Forschung sowie mehr Partizipation in ihrem Verband, der derzeit restrukturiert wird. Verger schimpft auch nicht auf die restriktive Baupolitik der balearischen Linksregierung, sondern spricht von einer guten Zusammenarbeit.

Immobilienblase und Spekulation, Wirtschaftskrise und Rotstift, Entlassungen und wieder zaghaftes Wachstum - die Baubranche auf Mallorca hat turbulente Zeiten hinter sich. Wo früher Wohnungen zu fast jedem Preis verkauft werden konnten, setzt man heute vor allem auf kaufkräftige Ausländer. Wo internationale Handelsketten Filialen aus dem Boden stampften, gilt jetzt ein Moratorium. Und wo einmal große Autobahnprojekte vergeben wurden, bleiben ein paar Kanalsanierungen.

Es ist ein durchwachsenes Bild, das die Branche derzeit bietet. Ihr Wachstum kletterte zuletzt im zweiten Quartal laut dem Unternehmerverband Caeb auf 3,4 Prozent und liegt damit knapp unter dem durchschnittlichen Wirtschaftswachstum auf den Balearen von 3,7 Prozent. Doch steuerte die Bauwirtschaft vor der Wirtschaftskrise noch rund elf Prozent zum Bruttosozialprodukt auf den Balearen bei, sind es heute nur noch acht Prozent.

Gesundgeschrumpft

Wirtschaftswissenschaftler Antoni Riera spricht von einer Branche, die sich gesundschrumpfen und spezialisieren musste und in der viele Firmen von der Bildfläche verschwanden. Während die Branchenvertreter davon ausgehen, dass dieser Prozess inzwischen abgeschlossen ist, glaubt Riera, dass noch weitere Firmen schließen müssen. Die Bauwirtschaft müsse sich weiter anpassen, modernisieren und auch umorientieren: „Es gibt Firmen, die verwalten heute Parkplätze für Kommunen."

Viele Villen, wenige Mehrfamilienhäuser

Im Wohnungsbau ist die Zahl der von den Bauleitern abgenommenen Projekte ein wichtiger Indikator der Branche. Der Wert legte zuletzt deutlich zu: Laut dem neuesten Bericht der Bausachverständigen-Kammer wurden in den ersten drei Quartalen 1.046 Wohnungsbauprojekte auf Mallorca abgenommen - 70 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Bis Jahresende dürften es mehr als 1.400 sein, die höchste Zahl seit Beginn der Krise. Zum Vergleich: Im Jahr 2008 waren es noch mehr als 3.600 auf Mallorca.

Die Wachstumszahlen seien aber zum überwiegenden Teil durch die Nachfrage im hochpreisigen und oftmals internationalen Markt zu erklären, so Sandra Verger. Sie spricht von Villen im Großraum Palma und in den Urbanisationen im Südwesten Mallorcas. Das ist ein Markt, in dem sich die Investitionsfreudigkeit angesichts historisch niedriger Zinsen niederschlage, wie Wirtschaftswissenschaftler und Ex-PP-Finanzminister Josep Aguiló erklärt. Das Interesse gelte zwar auch anderen attraktiven Orten an der Küste und im Inselinnern - „ich spüre das auch hier in meinem Heimatort Valldemossa", so Aguiló. Doch hier gebe es weniger freie Parzellen als in den einst großzügig geplanten Urbanisationen von Calvià und Andratx.

Gebaut werden vor allem Einfamilien- und Reihenhäuser, sie machen sogar rund die Hälfte der diesjährigen Projekte aus. Im meist einheimischen mittleren Preissegment, wo vor allem Apartmentwohnungen nachgefragt werden, fällt das Wachstum laut Verger dagegen deutlich schwächer aus: Angesichts der knapper werdenden Zahl verfügbarer Grundstücke seien Neubauprojekte für den Durchschnittsbürger immer schwerer zu finanzieren. Der durchschnittliche Preisanstieg habe im Oktober balea­renweit und im Jahresvergleich zwölf Prozent betragen. In Palma ist der durchschnittliche Quadratmeterpreis laut dem Portal Fotocasa auf inzwischen 2.053 Euro geklettert. Luis Martín, Vorsitzender der Vereinigung der Bauträger, nennt als Beispiel die Preisentwicklung einer 120-Quadratmeter-Wohnung. Eine solche sei heute nur noch schwer unter 300.000 Euro zu haben - zu viel für die Hypothek eines Durchschnittsverdieners. Dann schon eher eine 60-Quadratmeter-Wohnung für 150.000 Euro - oder warum nicht minipisos von bis zu 40 Quadratmetern, so eine Forderung von Luis Martín an den Gesetzgeber.

Der Bau bezahlbarer Wohnungen werde durch eine immer res­triktivere Gesetzgebung erschwert, der Wohnraummangel mittelfristig zu einem schweren Problem. Man verlange gar nicht, dass neue ­Baugebiete ausgewiesen würden, meint Martín. Aber würde in bestehenden Baugebieten ein zusätzliches Stockwerk erlaubt, ließen sich auch die Verkaufspreise senken. Was spreche dagegen, in einigen Ausfallstraßen Palmas mehr pisos zuzulassen, wenn die Bauträger gleichzeitig zum Bau der nötigen Parkplätze in Tiefgaragen verpflichtet würden?

Jammern über den Gesetzgeber

Der Trend geht allerdings in die entgegengesetzte Richtung: Die Linksregierung hat gleich nach ihrem Amsantritt 2015 eine Reihe von Ausnahmen der PP-Vorgänger einkassiert. Zuletzt wurden in Palma neue Restriktionen im kommunalen Raumordnungsplan beschlossen: strengere Auflagen für Tiefgaragen, Balkone oder die maximal bebaubare Fläche. Während die Linksregierung argumentiert, dass diese Entscheidungen kein Wohnungsbauprojekt verhinderten, kritisiert Martín eine drohende Verteuerung des Wohnraums in der Balearen-Hauptstadt. Hinzu komme eine zunehmende Rechtsunsicherheit angesichts ausstehender Neuauflagen von Bebauungsplänen und Interpretationsspielräumen sowie zu lange Wartezeiten bei der Vergabe von Baulizenzen. „Wir haben derzeit rund 500 Millionen Euro an Investitionen in der Warteschleife."

Und auch das angekündigte balearische Wohngesetz ist der Branche ein Dorn im Auge: Wenn die Eigentümer leer stehender Wohnungen unter bestimmten Voraussetzungen gezwungen werden, diese nach zwei Jahren zur

Vermietung abzutreten, schrecke das Investoren ab, meint Verger: Wer könne schließlich garantieren, dass Immobilien rechtzeitig nach Fertigstellung verkauft würden?

Was die Branche als zu restriktiv kritisiert, hält der Ökonom Riera für einseitig: Die Landesregierung betrachte Bauvorschriften als Selbstzweck, statt sie in ein umfassendes Wirtschaftskonzept einzubinden, das nicht nur mit Auflagen und Verboten arbeite, sondern auch mit Anreizen. Diese seien beispielsweise nötig, um die Modernisierung des traditionellen Einzelhandels oder nachhaltige, energieeffiziente Bauprojekte zu fördern.

Kanalsanierung statt Autobahnen

Keine großen Sprünge sind derzeit mit öffentlichen Bauaufträgen möglich. Mal davon abgesehen, dass alle größeren Projekte auf die Finanzierung durch Madrid angewiesen sind und dort wegen der mühsamen Regierungsbildung ein Jahr lang viele Entscheidungen liegen blieben, ist die Zeit der Großbauprojekte vorbei. Neben dem Ausbau der Landstraße Llucmajor-Campos stehen vor allem viele kleinere In­frastruktur-Projekte an. Der Inselrat hat jetzt angekündigt, insgesamt rund 30 Millionen Euro für 244 Bauvorhaben in den Gemeinden zur Verfügung zu stellen. Die Pläne für den Zeitraum 2016-2017 umfassen die Sanierung von Gebäuden (47), die Herrichtung von Wegen und Straßen (56), den Abbau architektonischer Barrieren (15) sowie Maßnahmen zur Energieeffizienz (70) und zum Wassersparen (56).

Vielerorts werden marode Leitungen geflickt. Speziell in den vielen Urbanisationen, die bislang nicht an die Kanalisation angeschlossen sind, können die Baufirmen auf Aufträge hoffen: Zwar dürfen die Kommunen weiterhin Baugenehmigungen für dortige Parzellen erteilen. Verbunden ist damit jedoch seit Jahresbeginn die Auflage, die Infrastruktur nachzurüsten. Betroffen sind auf den Balearen rund hundert Urbanisa­tionen mit wohl 10.000 Baugrundstücken - Kleinvieh macht auch Mist.

Während man sich ansonsten in der Branche offenbar damit abgefunden hat, dass die öffentliche Hand nicht mehr viel zu verteilen hat, sieht Wissenschaftler Riera mittelfristig durchaus mögliche neue Geldquellen. Es sei absehbar, dass nach der rigiden Sparpolitik der vergangenen Jahre in Europa wieder Investitionen zur Wirtschaftsbelebung getätigt werden. Und auch wenn das spanische Haushaltsdefizit keine großen Ausgaben erlaube, dürften Baufirmen auf Mallorca von EU-Subventionen profitieren.

Tourismus und Einzelhandel: Höhepunkt ist überschritten

Selten war das Investitionsklima im Tourismus so gut wie in den vergangenen Jahren: Das von der PP-Vorgängerregierung erlassene Tourismusrahmengesetz belohnte Investitionen in die Qualität mit der Erlaubnis, Hotels aufzustocken - eine Möglichkeit, von der viele Bauherren Gebrauch machten. Die Ausnahmeregelung wurde jedoch inzwischen einkassiert, und viele Bauarbeiten in Hotels in dieser Wintersaison rühren von zuvor genehmigten Anträgen her. Verger verzeichnet denn auch trotz der vergangenen Rekordsaison und voller Kassen bei den Hoteliers balearenweit einen Rückgang von 18 Prozent der Aufträge im Vergleich zum Vorjahr. Es werde durchaus weiter investiert, aber in geringerem Maße als in den vergangenen Jahren.

Durchgehend Pessimismus herrscht hinsichtlich der Aufträge des Einzelhandels. Nachdem im Zuge der Umsetzung der EU-Dienstleistungsrichtlinie und unter der investorenfreundlichen PP-­Vorgängerregeriung in den vergangenen Jahren zahlreiche neue Filialen eröffneten, gilt nun seit einigen Monaten ein Moratorium für den Bau großer Verkaufsflächen. Das Einkaufszentrum FAN ist abgeschlossen, ein weiteres Projekt in Ses Fontanelles liegt auf Eis. Um 40 Prozent seien die Investitionen des Einzelhandels zurückgegangen, so Verger.

Angesichts dieser Aussichten müsse sich die Branche neu aufstellen, fordert Riera, der der balearischen Bauwirtschaft eine geringe Produktivität bescheinigt. Gewinne wurden in der Vergangenheit durch großzügige Margen oder billige Mitarbeiter gemacht. In der Branche ist die Nachricht angekommen, Zielvorgabe: 30 Prozent mehr Investi­tionen in Innovation und Forschung bis 2020. Die Produktivität liegt laut Verband derzeit knapp 39 Prozent unter Balearen-Durchschnitt. Investiert werden müsse in die gesamte Produktionskette, nicht nur in die Maschinen, sondern auch die Qualifikation der Mitarbeiter. Angesichts einer Branche mit vielen kleinen Firmen sei das keine leichte Aufgabe. Aber es führt kein Weg vorbei. „So wie früher wird es nicht mehr", sagt Verger, ganz ohne Melancholie.