Es ist noch nicht lange her, da sorgten sie mit zwei spektakulären Ladenlokalen für die Relojería Alemana in Port Adriano und am Paseo del Borne für Aufsehen - und gewannen mit dem in Gold und Edelstahl verspiegelten Innen­design mehrere internationale Preise. „Doch bauen bedeutet nicht immer Luxus, und das Teuerste ist nicht automatisch das Beste", sagt Jaime Oliver (41), der zusammen mit Paloma Hernaiz (42) das Architektenstudio OHLAB führt. „Es geht auch darum", so der Mallorquiner, „sparsam mit Ressourcen umzugehen und energieeffizient zu bauen" - was nicht zuletzt auf Mallorca ein großes Thema ist.

Ein Beispiel dafür ist das Passivhaus MM in Palmas Stadtteil Gènova, das Jaime Oliver und Paloma Hernaiz entwarfen und das auf dem World Architecture Festival 2016 (WAF) in Berlin als bestes Einfamilienhaus der Welt ausgezeichnet wurde. An erster Stelle für dieses Projekt standen kostengünstige Nachhaltigkeit und Komfort - mit diesen Prämissen hatte sich ein mallorquinisches Rentnerpaar mit den Initialen MM an OHLAB gewendet. Die Casa MM war das erste Passivhaus, das Oliver-Hernaiz zusammen mit der deutschen Architektin Anne Vogt, einer Expertin auf diesem Gebiet, umsetzten. Es sollte rund 200 Quadratmeter groß ausfallen, einen abgeschlossenen Bereich für die erwachsenen Kinder und Gäste bieten, natürliche Ressourcen sinnvoll nutzen und eine Zisterne haben, um Regenwasser als Brauchwasser im Haus wiederzuverwenden.Optimaler Sonneneinfall, schöne Aussicht

Jaime Oliver und Paloma Hernaiz entwarfen ein Passivhaus mit vier einzelnen Gebäudekörpern, in denen Küche, Esszimmer, Schlaf- und Gästezimmer untergebracht sind und die sich getrennt oder gemeinsam nutzen lassen. Um die Beschaffenheit des Grundstücks bestmöglich zu berücksichtigen, drehte das Architektenpaar jeden der vier Gebäudewürfel so um seine eigene Achse, dass ein optimaler Sonneneinfall im Winter und Schatten im Sommer garantiert sind - sowie eine schöne Aussicht von jedem Zimmer. Im ersten, recht milden Winter hatte das Ehepaar MM keine zusätzlichen Heizkosten. Auch im Sommer ist eine extra Klimaanlage überflüssig, da zurückgesetzte Fenster die Sonne nicht passieren lassen und Glasfronten mit einer Pergola beschattet werden. Die märchenhafte Energiebilanz der Casa MM: 13 kWh pro Quadratmeter im Jahr.

Jaime Oliver und Paloma Hernaiz waren selbst überrascht, wie schlicht Bauen mit guter Umweltbilanz sein kann. Dass man auf Mallorca im großen Stil so bauen könnte, davon ist das Paar überzeugt. Wenn man denn wollte. „Noch ist es den Menschen nicht wichtig genug", glaubt Jaime Oliver. Dabei sind viele Details des Passivhauses nicht neu, sondern entsprechen traditionellen und lokalen Bauregeln, wie die Orientierung des Hauses nach dem Sonnenstand, kleine Fenster nach Norden, um den Temperaturverlust minimal zu halten oder ein Brunnen, der früher zu jedem Haus gehörte.

Städtebauprojekte in Vietnam

Wie anspruchsvoll es ist, traditionelle mit neuen, futuristischen Vorstellungen und Bautechniken zu verbinden, damit setzt sich das Architektenpaar seit über 20 Jahren auseinander. Jaime Oliver, der in Palma geboren ist und in Barcelona Architektur studierte, lebte und arbeitete sechs Jahre in New York, wo er an der Columbia University einen Master in Advanced Architecture absolvierte. Dort traf er Paloma, eine Architektin aus Madrid. Mit Stipendien reiste das Paar zusammen durch Asien, war an Städtebauprojekten in Vietnam beteiligt und ließ sich zwei Jahre in Shanghai nieder, wo es unter anderem für das Office for Metropolitan Architecture (OMA) des berühmten niederländischen Architekten Rem Koolhaas tätig war. Familiäre Gründe brachten die zwei nach Madrid zurück, wo sie ihr eigenes Architekturbüro gründeten. Nachdem sie zunehmend Projekte auf Mallorca realisierten, überzeugte Paloma ihren Mann 2014, mit Büro und Familie - das Paar hat drei Kinder - nach Palma zu ziehen.

Jaime Oliver war zunächst skeptisch, nach 23 Jahren auf die Insel zurückzukehren. Inzwischen ist er begeistert, denn auch von Mallorca aus lässt sich die architektonische Weltbühne bespielen. Der Mallorquiner legt Wert darauf, dass OHLAB für keine bestimmte Stilrichtung steht: „Wir möchten nichts wiederholen, was wir schon kennen." Das bedeute zwar mehr Arbeit und weniger Verdienst, aber eben auch ein Vielfaches an Spaß. Wie zuletzt bei dem Projekt In-sight Miami, ein Ladenkonzept für eine Bekleidungsfirma in Florida. Grundidee war eine in sich gedrehte Röhre aus einzelnen Bauelementen aus Glasfaser verstärktem Kunststoff, die auf Mallorca gefertigt wurden und anschließend im Container nach Florida reisten.

„Jedes Projekt beginnt mit einer breiten Recherche und einem Brainstorming in unserem Team mit derzeit 24 Mitarbeitern", erklärt Jaime Oliver. Die Ergebnisse werden in 3-D-Diagrammen sowie als Entwürfe aus Pappe gebaut und aufgestellt. Modelle machen die Komplexität der jeweiligen Aufgabe sichtbar, anschließend ist es einfacher, brauchbare Konzepte auszutüfteln.

Schwebende Gebäudekörper

Selbst wenn kein Entwurf dem anderen gleicht, so gibt es doch so etwas wie eine Handschrift, ein wiederkehrendes Element in den Entwürfen von Oliver-Hernaiz. Egal ob es sich um ­Einfamilienhäuser in Son Vida, ein Gourmet-Restaurant in Madrid oder das Puro Hotel in Palma handelt - statt statische Räume zu inszenieren, interessiert die Architekten die räumliche Durchdringung ihrer Bauten. Das gelingt, indem sie Geschosse durch schwebende Gebäudekörper miteinander verbinden und so Zwischengeschosse generieren. Oder sie bringen mithilfe gebogener Wandpanele Bewegung, Spiel und Weite in die Räume. Ein Beispiel dafür ist die Zahnklinik Emardental in Palma, deren Inneneinrichtung ebenfalls einen Preis in Berlin gewann. Durch eine schneckenartige Konstruktion wird der Patient intuitiv durch die Klinik geführt, die gebogenen Wände mit einem Finish aus Eichenholzlamellen unterteilen die Klinik unauffällig in eine öffentliche Zone (Wartezimmer, Empfang) und den Behandlungsbereich.

„Architekturpreise helfen natürlich, unsere Arbeiten einem breiteren Publikum bekannt zu machen", erklärt Jaime Oliver. Und sie sind zugleich eine Auszeichnung für den Auftraggeber: Wird das Gebäude prämiert, berichten Zeitungen und Fernsehen darüber und sorgen so für Aufmerksamkeit für den Juwelier, die Boutique, die Zahnklinik. Und wie berühmte Köche erhält auch OHLAB Bewerbungen von Nachwuchsarchitekten aus ganz Europa, die gerne eine Zeit lang für das Büro ­arbeiten möchten. Jaime Oliver und Paloma Hernaiz freut´s, zumal ihnen ja auch immer mehr Aufträge angeboten werden. Jetzt sind sie in der beneidenswerten Lage, sich die interessantesten Projekte heraus­picken zu können. Wiederholen braucht man sich so nicht.