Das Grundstück in bester Lage in dem Villenviertel Son Vida in Palma de Mallorca ist im Prinzip fertig für den Hausbau. Mehr als eine Million Euro hat eine deutsch-dänische Familie im August vergangenen Jahres für das Terrain auf den Tisch gelegt. Der Abriss eines früheren Gebäudes auf dem Grundstück im Frühjahr dieses Jahres kostete dann noch einmal rund 150.000 Euro. Doch dann kam im Juli die Antwort auf den zu Jahresbeginn gestellten Bauantrag: Die Lizenz wurde nur unter Vorbehalt gewährt - der Bauherr möge vorher für einen Anschluss an die Kanalisation sorgen.

„Das wären rund zwei Kilometer Rohrleitung, mit Baukosten in Höhe von 1 bis 2 Millionen Euro", meint Hartmut Petersen (Name v. Red. geändert) - die Leitung könne schließlich nicht auf dem direkten Weg über den Golfplatz von Son Vida oder die Grundstücke anderer Anwohner gelegt werden. Ein solches Projekt könne er als einzelner Anwohner weder logistisch, noch finanziell stemmen, so Petersen.

Der Däne ist eines der ersten Opfer der ausgelaufenen Gully-Frist auf den Balearen. Bis zum 20. August hatten die Gemeinden Zeit, Projekte zum Bau der Kanalisation auf den Weg zu bringen. Nur für Grundstücke, die daran angeschlossen sind, dürfen laut EU-Vorgaben Baugenehmigungen erteilt werden. Dass in den vergangenen Jahren trotz des Fehlens der Kanalisation in 48 Urbanisationen auf Mallorca dennoch Lizenzen möglich waren, ist der immer wieder verlängerten, aber jetzt ausgelaufenen Ausnahmeregelung geschuldet.

Son Vida ist nur eines von vielen Gebieten auf den Balearen, wo weiterhin Sickergruben ihren Dienst tun und die zuständigen Kommunen nicht zu Potte gekommen sind. Palmas Rathaus hat zwar Projekte zum Bau der fehlenden Kanalisation für die Viertel Son Vida und Son Espanyolet ausgearbeitet. Doch die Stadt verlangt von den Anwohnern die Zusicherung, dass sie die Baukosten von insgesamt rund 8 Millionen Euro übernehmen - ansonsten könnten die Projekte nicht verabschiedet werden, so ein Sprecher gegenüber der MZ. Die Zusicherung der Einwohnervereinigung von Son Vida sei bislang nicht eingegangen. Böse Zungen meinen, dass alteingesessene Hausbesitzer eine weitere Bebauung behindern wollten.

Bei der Eigentümervereinigung Son Vida klingt die Sache etwas anders. „Es stimmt nicht, dass die Eigentümer die Kosten nicht übernehmen wollen", heißt es dort. Man brauche aber Zeit, um zu einer Einigung zu kommen - das gehe nicht von heute auf morgen. „Wenn sich die Anwohner eines Hauses schon über einen Aushang der Weihnachtslotterie nicht einig werden, stellen Sie sich vor, wie das bei 300 Eigentümern ist." Zumal im August, wenn viele einheimische und ausländische Bewohner verreist seien. Im September werde man entscheiden, ob man eine außerordentliche Sitzung einberufe oder bis zur ordentlichen Versammlung im Januar warte. Betroffen sei im Übrigen nicht das gesamte Viertel, sondern nur der ältere, näher an Palma gelegene Teil.

Damit der Kanalisationsbau in den betroffenen Gemeinden nun nicht auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben wird, hoffen Besitzer von Immobilien wie auch Baufirmen auf eine flexible Anwendung der gesetzlichen Vorgaben. Das heißt konkret: Wenn eine Gemeinde es zwar nicht geschafft hat, das nötige Projekt auf den Weg zu bringen, dieses aber bis zum 20. August 2019 an eine Baufirma vergeben kann, sollten zumindest ab diesem Datum wieder Lizenzen erteilt werden dürfen, so die Argumentation - und nicht erst, wenn alle Rohre verlegt und die Arbeiten abgenommen sind.

Letztendlich führe aber ohnehin kein Weg am Bau der Kanalisation vorbei, heißt es bei der Anwohnervereinigung von Son Vida. Wenn die Hausbesitzer zu keiner Einigung kämen, werde die Stadt wohl langfristig die Kosten zwangsweise auf die Anwohner umlegen. Eine vorherige Einigung sei aber auch deswegen wünschenswert, weil es ohne Kanalisation auch keine Lizenzen mehr für Umbauten von Anwesen in Son Vida gebe, sofern die bebaute Fläche zunimmt.

Der deutsch-dänische Bauherr kann unterdessen nicht verstehen, warum sich die Stadtoberen zieren. Wenn weitere Baugenehmigungen blockiert seien, bedeute das schließlich auch geringere Einnahmen über kommunale Abgaben, sowohl bei der Grundsteuer (IBI) als auch für die Erteilung von Lizenzen. Auf dem Spiel stünden nicht nur der Umweltschutz - letztendlich wichtigstes Motiv der EU-Vorgaben -, sondern auch die Rechtssicherheit. „Was soll ich jetzt mit meinem leeren Baugrundstück machen?"