Die gehäuften Fälle von Hausbesetzungen in den vergangenen Monaten auf Mallorca, aber auch in vielen anderen spanischen Städten, sowie das anhaltend große Medienecho darauf haben das Fass nun zum Überlaufen gebracht: Die katalanische Regionalpartei PDeCAT hat am 24.4. in der Justizkommission im Nationalkongress in Madrid „aufgrund der aktuellen sozioökonomischen Gegebenheiten" einen Gesetzentwurf vorgelegt, der eine radikale Zeitenwende im Umgang mit den okupas bedeuten könnte.

Der Vorschlag, der von den Abgeordneten bei Gegenstimmen der Sozialisten, von Podemos, Compromís und der Vereinigten Linken verabschiedet wurde, muss nun noch durch den Senat. Dort gilt die Zustimmung allerdings als sehr wahrscheinlich. Sobald das Gesetz im Amtsblatt veröffentlicht ist, tritt es in Kraft. Wann genau das sein könnte, ist noch unklar.

Der Gesetzentwurf der Partei aus Katalonien sieht vor, dass künftig Eigentümer, deren Immobilie illegal besetzt wurde, deutlich schneller wieder an ihre Wohnung kommen. So soll in Zukunft innerhalb von maximal 20 Tagen per richterlichem Beschluss die Immobilie wieder an den rechtmäßigen Eigentümer zurückgehen. Mit dem Gesetz verbunden ist ein Ausbau der Anlaufstellen für tatsächlich Bedürftige. Die sozial schwachen Besetzer sollen - sofern es sich nicht um mafia­artige Clans handelt - innerhalb von einer Woche ein Dach über dem Kopf haben.

In der Praxis soll das so aussehen: Sobald eine Anzeige über eine besetzte Immobilie bei der Polizei registriert wird, kommt der Räumungsprozess bereits in Gang. Die Besetzer werden aufgefordert, ihren rechtmäßigen Anspruch auf die Immobilie mit offiziellen Dokumenten wie etwa dem Kaufvertrag zu beweisen. Können sie das nicht, müssen die Besetzer das Haus oder die Wohnung verlassen. Der Eigentümer muss seinen Anspruch auf die Immobilie ebenfalls mit Dokumenten belegen. Das zuständige Gericht gibt bereits in diesem Moment die Information an die örtlichen Sozialdienste weiter, dass ein Räumungsprozess in Gang gebracht wird. Somit haben diese Zeit, die Situation der Besetzer auf eventuell nötige Hilfe zu prüfen.

Die Besetzer können ihrerseits in einem Zeitraum von zehn Tagen ab Überstellung der Benachrichtigung Einspruch erheben. Sollte der Räumungsbeschluss allerdings positiv ausfallen, kann der Eigentümer unverzüglich seinen Anspruch auf die Immobilie geltend machen. Somit könnte der Eigentümer im besten Fall die Immobilie bereits knapp zwei Wochen nach der Besetzung wieder zurückgewinnen.

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Das wäre ein erheblicher Unterschied im Vergleich zur bisher gültigen Rechtssprechung. Demnach muss bislang eine Hausbesetzung in Spanien innerhalb von 48 bis 72 Stunden - je nach örtlicher Rechtslage - angezeigt werden. Innerhalb dieser Frist kann die Polizei einschreiten und die Besetzer auf die Straße befördern. Bemerkt der Eigentümer allerdings erst nach dieser Frist die Besetzung, kann meist nur noch ein richterlicher Räumungsbeschluss helfen, der im Normalfall Monate, wenn nicht gar Jahre auf sich warten lässt. Die ­Justiz war auch deshalb so schwerfällig, weil die spanische Verfassung in Artikel 47 das Recht auf eine würdige Wohnung garantiert.

Das neue Gesetz soll allerdings nicht uneingeschränkt bei allen Hausbesetzungen gelten. Vorgesehen sind diese Express-Räumungen lediglich bei Besetzungen von Privatimmobilien oder von Gebäuden wohltätiger Organisationen und öffentlichen Institutionen. Banken und Immobilienfonds, deren Häuser und Wohnungen besetzt wurden, können sich nicht auf das Gesetz berufen. Damit soll verhindert werden, dass etwa Familien, die ihre Hypothek nicht bezahlen können, ebenfalls innerhalb weniger Tage auf die Straße gesetzt werden können. Im ursprünglichen Gesetzesentwurf von PDeCat wurde nicht zwischen diesen Fällen unterschieden.

Ob das Gesetz tatsächlich das Phänomen der Hausbesetzungen beendet, ist zumindest aus Sicht von Podemos fraglich. Die Abgeordnete Lucía Martín sagte im Kongress: „Das Gesetz wird die sozial Schwachen aus den Wohnungen werfen, ohne eine Garantie darauf, dass sie wieder irgendwo unterkommen. Denn ein Hilferuf bei den Sozialdiensten wird angesichts deren Arbeitsweise keinerlei Garantie für ein Dach über dem Kopf sein."