Jahrelang galt Spanien als Land, in dem Hausbesetzer leichtes Spiel haben. Nicht nur auf Mallorca sorgten zahlreiche Fälle von okupas Anfang des Jahres für Schlagzeilen (zum Beispiel der des Deutschen, dessen Ferienhaus an der Playa de Palma besetzt wurde). So viele, dass sich die damals noch konservativ geführte zentralspanische Regierung im Frühjahr genötigt sah, eine Gesetzesänderung zu beschließen: Ungebetene Eindringlinge sollten nicht weiter die Möglichkeit haben, sich Monate oder gar Jahre in Immobilien festzusetzen, die ihnen nicht gehören. Jetzt endlich müssen die Eigentümer nicht mehr tatenlos zusehen. Seit dem 30. Juni sind die neuen Regeln in Kraft. Zwangsräumungen im Express-Verfahren sind möglich. Was sinnvoll klingt, ist allerdings ein zweischneidiges Schwert.

„Anders als bisher können Hauseigentümer, deren Heim besetzt wurde, ab sofort Anzeige gegen Unbekannt erstatten", erklärt Rechtsanwalt Bastian Pohle. Das ist gerade angesichts der Entwicklungen der vergangenen Jahre hilfreich: Zu politisch motivierten Besetzern oder jenen, die aus reiner finanzieller Not Unterkünfte annektierten, kamen zunehmend kriminell organisierte Banden, deren Mitglieder häufig zwischen verschiedenen besetzten Objekten hin und her wechselten und es oft unmöglich machten, zu erkennen, bei wem es sich um die Eindringlinge handelte. „Die Zustellung des Klagebescheids kann jetzt an eine beliebige Person gehen, die sich im Haus aufhält", so Pohle.

Anders als zuvor ist es nun auch nicht mehr notwendig, die Eindringlinge quasi auf frischer Tat zu ertappen. Stattdessen kann der Hauseigentümer zu jedem Zeitpunkt gerichtlich gegen die Besetzer vorgehen, sobald er sie entdeckt hat.

Der wohl größte Unterschied ist die Umkehr der Beweislast. Sprich: Der Beklagte muss nachweisen, dass er tatsächlich Wohnrecht hat oder gar der Eigentümer der immobile ist. „Dafür hat er fünf Tage Zeit. Schafft er es in dieser Frist nicht zu zeigen, dass er sich rechtmäßig dort aufhält, wird automatisch das Urteil zum Räumungsbeschluss gefällt", so Pohle. Um das Vorgehen weiter zu beschleunigen, fällt auch die Vollzugsfrist weg. „Normalerweise wird ein Urteil in Spanien erst frühestens 20 Tage nach seiner Verkündung vollstreckt. Jetzt kann die Räumung direkt nach Ablauf der Fünf-Tages-Frist losgehen." Verzögern könne sich dies nur, wenn ein Gericht überlastet ist und lange braucht, um die Bearbeitung der Klage überhaupt aufzunehmen. Mit Wartezeiten von Monaten oder gar Jahren, wie es bisher der Fall war, sei aber nicht mehr zu rechnen.

„Das Express-Verfahren gilt nur dann, wenn es sich bei den Immobilieneigentümern um Privatpersonen oder öffentliche Einrichtungen handelt", so Pohle. „Es stärkt ihr Recht auf Eigentum." Bei Wohnungen oder Häusern, die Banken oder großen Immobilienagenturen gehören, werde allerdings weiterhin das bisherige, deutlich langsamere Verfahren angewandt. „Das liegt darin begründet, dass in Spanien das Recht auf würdigen Wohnraum einen hohen Stellenwert hat, gerade weil es durch die Wirtschaftskrise viele Fälle gab und gibt, in denen Familien aus finanziellen Nöten plötzlich ihre Mieten und Hypotheken nicht mehr bezahlen können."

Dass Banken und große Immobilienmagnaten auch weiterhin nicht so einfach Menschen auf die Straße setzen können, sollte das linke politische Spektrum milde stimmen. Genau wie auch eine neue Klausel, die besagt, dass sich die öffentliche Verwaltung nach einer Express-Zwangsräumung ausdrücklich über die soziale Lage der Betroffenen informieren und gegebenenfalls Hilfe leisten muss. Doch die linken Parteien Podemos und PSOE bezweifeln, dass auf diese Weise Bedürftigen ein Dach über dem Kopf garantiert wird.

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Auch die Initiative „Stop desahucios Mallorca" sieht die neue Regelung kritisch. Man habe in den vergangenen Wochen mehrere Fälle auf Mallorca beobachtet, in denen Banken Immobilien spontan an Privatleute verkauft hätten, weil diese die Besetzer schneller loswerden, so Sprecher Joan Segura. „Dabei wäre es so wichtig, dass gerade die Banke­­­­n mehr sozialen Wohnraum anbieten."