Paula Méndez (21) und Sergio Hernández (20) sehen erschöpft aus. Irgendwie entmutigt. Seit mehr als drei Monaten teilt sich das junge Paar ein Zimmer mit Paulas jüngerem Cousin. Dabei hatten sich die beiden ihr neues Leben in Palma de Mallorca eigentlich anders vorgestellt, als sie im Juni von Badajoz auf dem spanischen Festland nach Mallorca kamen, damals noch euphorisch, weil beide in der Gastronomie Jobs gefunden hatten. „Wir dachten, wir ziehen nur übergangsweise in der Wohnung meiner Tante ein und suchen uns dann schnell eine eigene, günstige Bleibe", so Paula. Doch schnell, das weiß sie mittlerweile, geht in Palmas Mietmarkt kaum etwas. Und günstig sowieso nicht.

„Es sind vor allem die jungen Leute mit geringen finanziellen Mitteln, die es derzeit schwer haben", sagt Marta García. Sie ist die Leiterin des einzigen Studentenwohnheims der Balearen-Universität. „So einen Ansturm wie in diesem Jahr habe ich noch nie erlebt", sagt sie. Sie erinnert sich noch an die Zeiten der Wirtschaftskrise vor ein paar Jahren. „Da hatten wir regelmäßig Zimmer leer stehen. Vermutlich, weil viele Immobilienbesitzer in der Stadt Zimmer oder ganze Wohnungen günstig an junge Leute vermietet haben, um zusätzliche Einkünfte zu generieren."

In diesem Jahr jedoch hätten sich 211 Studierende um die 97 Wohnheimzimmer beworben. „Wir konnten aber nur 25 neue aufnehmen, weil die Mehrheit der Bewohner ihr Zimmer auch für das neue Semester weiter behalten will", so García. Zum ersten Mal, seit sie vor 19 Jahren ihre Stelle als Leiterin antrat, habe sie Studierende aus Ibiza, Menorca und Formentera abweisen müssen. Dabei haben die eigentlich bei der Zimmervergabe Priorität. „Ganz zu schweigen von Studierenden aus weiter entfernten Inselgemeinden wie Pollença, Artà oder Capdepera, die hatten in diesem Jahr gar keine Chance bei uns und müssen nun zusehen, wie sie nach Palma pendeln."

Zweieinhalb Stunden Anfahrt

Raúl weiß das nur zu gut. Der 18-Jährige aus Cala Ratjada, der jetzt sein Biologie­studium in Palma beginnt, will seinen echten Namen nicht in der Zeitung lesen, aus Angst, wie ein „Versager" dazustehen. Trotzdem berichtet er bereitwillig von der Odyssee, die er seit Semesterstart täglich auf sich nehmen muss. Frühmorgens mit dem Bus bis zu Palmas Plaça d'Espanya, von da aus weiter Richtung Campus. Knapp 2,5 Stunden allein für die Hinfahrt. „Da ist man schon müde, bevor die Uni überhaupt angefangen hat." Trotzdem nutze er jede freie Minute, um im Internet nach Wohnungen in der Inselhauptstadt zu suchen. ­Bisher vergebens. „Gerade als Mann und mit ­geringem Budget ist das richtig schwierig."

Tatsächlich spucken Suchportale wie milanuncios.com oder idealista.com bei der MZ-Recherche auf den ersten Blick einige Mietwohnungs-Anzeigen aus. Doch gibt man in die Filtermaske Raúls Maximalgrenze von 300 Euro ein, dünnt sich das Angebot selbst bei einfachen WG-Zimmern deutlich aus. Viele Unterkünfte fangen ab 400 Euro an, Nebenkosten meist exklusive. Und Raúl hat recht: In den meisten Anzeigen werden explizit alleinstehende Frauen gesucht. Jungen oder Pärchen werden oft ausgeschlossen.

„Wir haben es auf verschiedene Arten probiert", berichten Paula Méndez und Sergio Hernández. Mal offenbarten sie sich erst bei der Besichtigung als Paar, mal suchten sie gezielt im Doppelpack. So oder so gab es auf die meisten ihrer Anfragen nicht einmal eine Rückmeldung oder nur ein müdes „Sorry, schon vergeben". Und die Hilfe eines Makler sei zu teuer. „Ich glaube mittlerweile, dass es gar nicht an uns liegt. Das hoffe ich zumindest", so Sergio Hernández. „Es gibt einfach viel zu wenige Low-Budget-Wohnungen für viel zu viele Bewerber."

Schon lange sucht das Paar über die einst präferierten Viertel im Zentrum nahe ihrer Arbeitsstelle hinaus. „Aber im Umland ist es auch nicht viel besser, und die Zahl der Wohnungen ist begrenzter." 350 Euro Warmmiete pro Person, das sei ihre absolute Schmerzgrenze bei einem Einkommen von rund 900 Euro. „Denn unser Ziel war es ja, auf der Insel etwas an­sparen zu können."

Öffentliche Hilfen

In der balearischen Landesregierung ist man sich der Probleme bewusst. Mit dem Projekt „Pagam amb tu el lloguer" (Wir bezahlen mit dir deine Miete) soll den jungen Leuten unter die Arme gegriffen werden. Bewerben kann sich, wer auf der Insel angemeldet und jünger als 35 Jahre ist und jährlich weniger als 22.365 Euro pro Haushalt verdient. Bei Mieten von bis zu 900 Euro übernimmt die Landes­regierung bis zu 50 Prozent der Kosten. Noch will man im zuständigen Ministerium keine Pro­gnose darüber abgeben, wie stark die Nachfrage nach der staatlichen ­Hilfe in diesem Jahr ist - die Bewerbungsfrist endet erst am 30. Oktober. „Aber dass deutlich mehr Menschen auf das Angebot hoffen als im vergangenen Jahr, ist eindeutig", so eine Sprecherin des Ministeriums.

Auch Paula Méndez und Sergio Hernández haben überlegt, sich zu bewerben. Doch ­eigentlich wollen sie ihre Miete lieber selbst zusammenkriegen. „Das hat etwas mit Unabhängigkeit zu tun", sagt Sergio. Einen Hoffnungsschimmer sieht er. „Mein Chef kennt ­jemanden, der wohl bald eine freie Wohnung hat, und will ein gutes Wort für uns einlegen. Ich glaube, Beziehungen sind der einzige Weg, um hier in Palma eine Bleibe zu finden."