Von der Poolterrasse der Villa von Carlos ­Marqués in Son Vida sieht es so aus, als sei ihm ein großer roter Würfel aufs Grundstück gekullert. Auf den zweiten Blick erkennt man dann sogar zwei ineinander verkeilte Würfel. „Der Kubus mit seiner vollendeten Symmetrie ist für mich die perfekte Form", erzählt der Architekt, der sich in Palmas Nobelvorort vor zwei Jahren eine Villa auf einem Hanggrundstück baute. Da der obere Teil des Grundstücks mit Kiefern und Felsen als Garten nicht nutzbar war, beschloss Carlos Marqués vergangenen Sommer dort ein Yogahaus mit Terrasse zu ­bauen - mit Megablick auf die Bucht von Palma.

Statt einer einfachen Holzhütte im Wald wollte der Architekt etwas Spektakuläres schaffen, er nennt es das Spiel zwischen zwei Würfeln. Der rote Quader scheint über der Böschung zu schweben, tatsächlich steht er auf einem für den Besucher unsichtbaren Zementsockel. Durch eine Eingangstür betritt man den neun Quadratmeter großen Raum, der komplett mit Holz verkleidet ist. Außen schützt die Aluminiumfassade den Bau vor Witterung. Zwei Schiebefenster über Eck öffnen sich zur sechs Quadratmeter großen Terrasse in Form eines zweiten Würfels: Zur Terrassenfläche aus Teakholz gesellen sich fünf kongruente Quadrate begrenzt von Metallstreben.

„Es gibt ein Innen und ein Außen, einen gefüllten und einen leeren Raum, einen farbigen und einen durchsichtigen Körper, ein bewegtes und ein statisches Element", beschreibt Carlos Marqués seine Idee zum Minihaus, das anfangs rein zu architektonischen Übungszwecken gedacht war. Die Pläne für den Kubus waren zusammen mit Büropartnerin Victoria Vera, Technik- und Bauingenieurin, rasch gezeichnet. Die Anfertigung der einzelnen Teile nahm allerdings viel Zeit in Anspruch, weil zunächst niemand die Handarbeit für die minimalistischen Bauteile ausführen wollte. „Je kleiner ein Bau, umso komplizierter", erzählt Carlos Marqués, der sich an ein Umkleidehäuschen am Strand erinnert, das er während seines Architekturstudiums in Madrid entwerfen musste.

Minimalismus in der Architektur ist nicht neu, die Ursprünge liegen in der Architekturmoderne der 20er-Jahre. Die Gebäudeformen sind in dieser Zeit stark reduziert und weisen oft kubische Formen auf. Architekten wie Ludwig Mies van der Rohe oder Luis Barragán entwarfen formreine, geometrische Bauten aus Glas, Beton, Stahl und Naturstein.

Seit zwei Monaten kann Carlos Marqués nun den Morgengruß zwischen Kiefern üben, er und seine Familie erklimmen die Stufen zum Kubus aber auch, um dort zu lesen, einen Sundowner zu trinken oder um in luftiger Höhe in der Natur zu übernachten. „Jeder hat seinen eigenen Traum von einem persönlichen Zufluchtsort", so der Architekt, seiner heißt der Alltagsroutine zu entfliehen und auf neue Gedanken und Ideen zu kommen.

Beispielsweise wie das nächste Minihaus aussehen könnte. Er wünscht sich statt einer Stahl- eine Holzkonstruktion, wie das in ­Nordeuropa üblich ist. Mit Solarpanelen ausgestattet würde das Minihaus autark. Für seinen Kubus ließ Carlos Marqués eine Strom­leitung zur Villa legen, und auch die Fassade ließe noch viel Spielraum zu, glaubt der Architekt. Das rote Aluminiumpaneel versteht er als bewussten Kontrast zur Natur, genauso spannend stellt er sich aber eine unsichtbare Hülle vor, auf deren Oberfläche sich die Umgebung spiegelt oder eine Fassade mit Elementen, deren Farben je nach Licht wechseln. Allzu viele Spielereien lehnt Carlos Marqués dennoch ab. „Less is more" zitiert er Ludwig Mies van der Rohe, der ebenfalls schlichte, einfache Formen bevorzugte und auf schmückende Verzierungen verzichtete.

Potenzial für seine Mikroarchitektur sieht Carlos Marqués in Son Vida sowie rund um Port d´Andratx und Bendinat, wo es viele Hanggrundstücke mit freien Flächen gibt, die baulich nur schwer nutzbar sind. Sein Architekturbüro kümmert sich von der Zeichnung über die Bauanträge und Bauausfertigung bis zur Schlüsselübergabe um alle Details. Voraussetzung für eine Baugenehmigung ist, dass es sich um ein urbanes Grundstück handelt. Wer den roten Prototyp fürs eigene Grundstück nachbauen lassen will, der sollte für Variationen offen sein. „Ich wiederhole nie einen Bau." Architektur entwickelt sich für ihn immer auch aus den Bedingungen des Ortes, aus dem Genius Loci heraus. Es gäbe noch1.001 Möglichkeit, den Quader individuell zu gestalten, sagt Carlos Marqués.