Laut einem am Donnerstag (18.10.) veröffentlichten Urteil des Obersten Gerichtshofes in Madrid (Sentencia núm. 1505/2018) muss bei einem Hypothekendarlehen die Bank die Steuern für die notarielle Beurkundung bezahlen, nicht der Kunde. Die Höhe der "Stempelsteuer" (Impuesto sobre Actos Jurídicos Documentados, A.J.D.) beträgt auf den Balearen derzeit 1,2 Prozent und wird auf die "Haftungssumme" der Hypothek berechnet. Da die Haftungssumme etwas höher ist als die Hypothek, kann grob mit 1,5 Prozent des Hypothekenwertes gerechnet werden, was bei einer Hypothek von zum Beispiel 500.000 Euro immerhin 7.500 Euro an "Stempelsteuer" bedeutet. Bislang wird sie von den Kunden direkt an das Finanzamt gezahlt und verteuert die Hypothek etwa für die ohnehin teuren Immobilien Mallorca erheblich.

In dem Urteil erklärte der Oberste Gerichtshof, die A.J.D.sei von der Bank zu tragen. Die Bank sei der Steuerschuldner. Sofort stürzten die Bank-Aktien an der spanischen Börse ab. Denn obwohl in dem Urteil nichts darüber gesagt wurde, ob die Entscheidung rückwirkend gilt und Kunden Erstattungen forden können, waren sich die meisten Rechtsexperten einig, dass innerhalb der Verjährungsfrist von vier Jahren den Kunden die Steuer erstattet werden muss, wenn sie das fordern. "In Frage kommt dabei ein Anspruch gegen das Finanzamt oder die Bank", sagt die international tätige Wirtschaftsrechtlerin Katia Genkin (Düsseldorf, Palma, Lyon); "auf Grund der Vertragsbeziehung ist jedoch in erster Linie von einem Anspruch gegen die Bank auszugehen." Von Rückforderungsansprüchen in Milliardenhöhe war an der Börse zu hören, entsprechend fielen die Kurse der Bank-Aktien. Auch die Banken reagierten sofort, wie etwa Hypothekenbroker Daniel Pires von Smart Servicios auf Mallorca berichtet: "Eine Bank änderte unmittelbar nach Urteilsveröffentlichung die Vorlage für den Notartermin, übernahm die A.J.D, wodurch der Kunde 11.000 Euro sparte."

Am Freitag dann die nächste Überraschung: Der Obersten Gerichtshof setzte das Urteil außer Kraft und erklärte, offenbar unter Eindruck des Bankenbebens, in den kommenden Wochen wegen den "enormen wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen" nochmal darüber nachdenken zu wollen, ob denn nun die Bank oder der Kreditnehmer Steuerschuldner sei. Rechtsanwältin Genkin: "Ein sehr ungewöhnliches Gerichtsgebahren. Üblicherweise macht sich ein Gericht Gedanken über Urteilsauswirkungen vor der Urteilsveröffentlichung, nicht nach Ende des ersten Börsentages." Die Rechtsanwältin rät den Hypothekenkunden, die Unterlagen über gezahlte Stempelsteuern schon mal herauszusuchen. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Gericht eine komplette Rolle rückwärts macht. Die spanische Justiz würde zur europäischen Witzfigur."

So geht es weiter mit dem Chaos am Hypothekenmarkt.