Die blauen Briefe der Gemeinde Santanyí im Südosten von Mallorca trafen vor inzwischen rund zwei Jahren ein. Zahlungsaufforderungen über die Grundsteuer, den Empfang mussten Susanne und Joachim Schuster quittieren. „Wir sollten rückwirkend ab 2014 360 Prozent mehr als zuvor zahlen", berichtet das deutsche Paar (Name von der Red. geändert), das inzwischen seit elf Jahren in einem Häuschen in Cala Santanyí lebt. Über 5.000 Euro mussten sie unter Androhung von 20 Prozent Aufschlag innerhalb von zehn Tagen zahlen. „Also nahmen wir einen privaten Kredit auf und zahlten die Steuern."

Aus allen Wolken fiel das Paar, als es das Einfamilienhaus über mehrere Makler anbot, um sich nach einem kleineren Zuhause umzuschauen. Einer der Makler sei bei einer Grundsteuer von 1.859,05 Euro für ein Grundstück mit 350 Quadratmetern und einem Einfamilienhaus stutzig geworden. Er zeigte dem Ehepaar im Alter von 56 und 74 Jahren schließlich einen Katasterauszug. „Nach Angaben des Katasteramts besaßen wir nunmehr ein Grundstück über etwa 650 Quadratmeter und zwei Häuser mit insgesamt sieben Wohnungen." Aus unerklärlichen Gründen war ein Teil der Apartmentanlage, der seit 1995 auf dem Nachbargrundstück steht, den deutschen Rentnern zugeschlagen worden.

Nach der Einschaltung einer Anwaltskanzlei, was nur Kosten, aber keine Ergebnisse zur Folge hatte, suchten die Deutschen das zuständige Katasteramt in Felanitx auf. Hier erfuhren sie, dass die Gemeinde 2014 eine private Firma beauftragt hatte, die Grundstücke in allen Gemeindeteilen zu überprüfen, um Anbauten, Garagen oder Pools für die Steuer zu berücksichtigen. Und dabei ist im Fall der Schusters offenbar etwas gründlich schiefgelaufen. Zumal das Paar inzwischen erfuhr, dass ein Amtsschreiben von 2014 niemals ankam. „Da die Grundstücksnummern mit den Hausnummern nicht übereinstimmen, können offizielle Dokumente nicht zugestellt werden."

Ein Sprecher der Gemeinde bestätigt die Überprüfung zur Aktualisierung der Daten durch eine private Firma und beteuert die Hilfsbereitschaft, um Probleme betroffener Anwohner zu lösen - die Schusters seien kein Einzelfall. Aber zuständig sei nun einmal das von der spanischen Zentralverwaltung abhängige Katasteramt - auch wenn die Gemeinde die Grundsteuer (Impuesto sobre Bienes Inmuebles, IBI) kassiert und damit einen nicht unwichtigen Teil des Haushalts bestreitet.

„Irrtümer sind sehr häufig", meint Jaume Amengual, Architekt mit langjähriger Erfahrung in der Gemeinde Santanyí - und diese Aussage gelte im Prinzip für die Katasterämter in ganz Spanien, speziell aber auch für die Cala Santanyí. Der Mallorquiner hat ein Paradebeispiel parat, das er auf einem aktuellen Auszug des Katasteramts zeigt. „Schauen Sie, das ist Es Pontàs, vor der Küste von Cala Santanyí", meint Amengual. Das Felsentor, das auf Fotos deutlich sichtbar vom Meer umflutet wird, ist auf der amtlichen Karte weiter mit der Küste verbunden und einem dortigen Grundstück zugewiesen. Solange niemand auf Fehler hinweise, würden diese eben auch nicht korrigiert, so Amengual. Und so sei es auch zu erklären, dass sich nicht selten die Quadratmeterzahlen im Kaufvertrag (escritura) im Katasterauszug sowie bei der Ausmessung eines Grundstücks voneinander unterschieden. Bis vor drei Jahren seien diese Angaben von Amts wegen nicht abgeglichen worden.

Im Fall der Schusters vermutet Amengual, dass einer der Vorbesitzer des Grundstücks eine horizontale Trennung nicht dem Katasteramt gemeldet haben könnte. Aber „wie sollen wir nachweisen, dass uns der halbe Apartmentblock nicht gehört?", meint Susanne Schuster. Eine Mitarbeiterin in der zentralen Behörde in Palma habe zwar zwischenzeitlich vor ihren Augen die Grundstücksgrenzen korrigiert - doch einen zugesagten Bescheid darüber habe man nicht bekommen. Und bei weiteren Behördengängen habe man dann die Antwort erhalten, „dass wir als vierter Besitzer des Grundstücks beweisen müssen, ob und wann das Grundstück geteilt wurde". Sogar einen Topografen habe man inzwischen mit der Ausmessung des Grundstücks beauftragen müssen - weitere Unkosten neben des Schadens von mehr als 10.000 Euro, die die Schusters nach eigenen Berechnungen zu viel zahlen mussten. Bei Gesprächen mit den Nachbarn erfuhren sie zudem, dass diese ebenfalls ihre IBI zahlten: „Die Gemeinde kassiert für fünf Wohnungen zweimal die Steuer!"

Die Schusters müssen offenbar ausbaden, was Behörden und Vorbesitzer vermasselt haben. Das beträchtliche Katasterchaos, das so schnell nicht beseitigt werden könne, sei eine Folge mangelnder Kontrolle in der Vergangenheit, meint Architekt Amengual. Nicht selten seien daran auch Besitzer schuld gewesen, die es mit den Quadratmetern nicht so genau nahmen, um weniger Grundsteuer zu zahlen. Diese Fehler würden zwar nach und nach korrigiert, aber das dauere eben seine Zeit.

Weil alles Warten im Fall der deutschen Rentner aus Cala Santanyí aber auch nicht zu helfen scheint - im Oktober ging ein weiterer, viel zu hoher Steuerbescheid ein -, bietet Amengual jetzt zusammen mit den Schusters das Rathaus aufsuchen. Er druckt einen aktuellen Katasterauszug von dem Grundstück aus, auf dem die Fehler korrigiert sind.

Der Besuch am Freitag (16.11.) ist erfolgreich. "Wir sind überglücklich.Señor Amengual hat es mit viel Geduld und vielen Gesprächen geschafft, dass wir für alle Jahre, also 2011 bis 2017, die Rückerstattung beantragen konnten." Auch die Grundsteuer für 2018 sei storniert worden, "wir erhalten eine neu berechnete Steuer mit den korrekten Angaben".