Die 51-jährige Mireia wohnt in einer kleinen Wohnung direkt an der Ausfallstraße nach Valldemossa in Palma de Mallorca. Sie ist alleinstehend, die Mieten im Zentrum der Inselhauptstadt oder nahe ihrer Arbeit im beliebten Tramuntana-Städtchen Sóller kann sie sich nicht leisten. „Und ich finde es auch nicht in Ordnung, dass es praktisch keine Mietwohnung gibt, für die man weniger als 800 Euro im Monat hinblättern muss. Wohnen ist ein Grundbedürfnis, und ich bin gegen Spekulation", sagt sie. Deswegen ist sie an diesem Montagabend (18.3.) in die Bar Comerç in Santa Maria del Camí gekommen. Sie will Kontakt aufnehmen zu einer Gruppe von Leuten, die sich für ein ganz neues Wohnkonzept engagieren.

„Die Idee der Wohngenossenschaften ist eigentlich ganz einfach. Statt allein für sich zu kämpfen, versucht man, in einer cooperativa möglichst viele Kosten zu teilen und obendrein eine solidarische Gemeinschaft aufzubauen", erklärt José Gómez und blickt freundlich in die Runde. „Es ist ein Mittelding zwischen Mieten und Kaufen." Rund ein Dutzend Interessenten sind gekommen und hören Gómez aufmerksam zu. Mittlerweile hat er bereits Übung darin, vor Fremden zu sprechen. Immer wieder haben er und die anderen Mitglieder der Wohngenossenschaft in den vergangenen Wochen Treffen organisiert.

„Konkret geht es um ein Mehrfamilienhaus, das am Carrer Balanguera hier in Santa Maria entstehen soll", erklärt Gómez. 20 Wohnungen sollen so entstehen. Für elf davon haben sich bereits Bewohner gefunden, die neun weiteren sollen jetzt den Interessenten schmackhaft gemacht werden. „In Nordeuropa ist das Konzept der Wohngenossenschaften weit verbreitet. In Stockholm beispielsweise machen sie etwa die Hälfte aller Immobilien aus", sagt Gómez.

Auf Mallorca dagegen ist das Thema erst durch Cohabita, ein erst kürzlich aufgelegtes Programm der Balearen-Regierung, aktuell. Nach einer Änderung des Wohngesetzes ist es im Januar angelaufen. Nicht nur in Santa Maria, auch in Son Servera, Vilafranca, Manacor und Llucmajor sollen neue Mehrfamilienhäuser mit insgesamt 117 Wohnungen entstehen, die von den jeweiligen cooperativas selbst verwaltet werden. „Das balearische Wohninstitut Ivabi überlässt den Genossenschaften die Grundstücke und trägt 20 Prozent der Baukosten. Mit zehn Prozent müssen die Genossenschafter selbst in Vorleistung treten, und 70 Prozent müssen wir über ein Gemeinschaftsdarlehen finanzieren", erklärt Jose Gómez, Konkret heißt das: Einmalig werden in Santa Maria pro Haushalt 16.000 Euro fällig. „Es ist aber nur ein Pfand, das die Bewohner vollständig zurückbekommen, wenn sie ausziehen." Das sei jederzeit möglich. Während der etwa zweijährigen Bauzeit muss der Genossenschafter 130 Euro im Monat zahlen. Ab dem Einzug sind dann je nach Wohnungsgröße Mietkosten von 430 bis 530 Euro zu leisten, mit denen das Gemeinschaftsdarlehen abbezahlt wird. „Damit erwirbt man ein Wohnrecht von 75 bis 99 Jahren", so Gómez.

Mitmachen darf laut den Ivabi-Bedingungen jeder Haushalt, der nicht bereits über ein Eigenheim verfügt und dessen Jahreseinkommen weniger als 45.000 Euro beträgt.

„Es ist eine gute Möglichkeit, nicht von den Schwankungen des Immobilienmarkts abhängig zu sein", sagt Gómez. Der 38-jährige Edimilson nickt. Er ist mit seiner einjährigen Tochter zum Treffen in Santa Maria gekommen, interessiert sich aber eigentlich für die Wohnkooperative in Llucmajor, die ebenfalls noch neue Mitglieder sucht. „Die Mutter der Kleinen und ich sind getrennt. Wir würden gerne Wohnungen im gleichen Gebäude bewohnen, um beide für das Kind da sein zu können. Das ist auf dem freien Mietmarkt so gut wie unmöglich, weil es so gut wie keinen freien Wohnraum gibt", berichtet er. Auch die 72-jährige Giorgina Iovino ist von der Idee der Wohngenossenschaft begeistert - dabei steht für die pensionierte Psychologin aber nicht der finanzielle Vorteil im Vordergrund, sondern die Gemeinschaftsidee. „In normalen Mietshäusern kennt man seine Nachbarn kaum. Ich finde es toll, gemeinsam etwas aufzubauen, sich zu solidarisieren und zusammen zu schauen, wie man sparsam und nachhaltig leben kann."

Statt jeder seinen eigenen Internetanschluss anzumelden, wollen die Genossenschafter in Santa Maria beispielsweise ein W-LAN für das ganze Haus installieren, auch Waschmaschinen und Trockner sollen gemeinschaftlich genutzt werden. Das haben die Genossenschafter, die bereits fest mit dabei sind, schon beschlossen. Auf der Dachterrasse sollen zudem Solarzellen angebracht werden. „Platz für Gemeinschaft wird dort oben aber auch sein, genau wie in dem Lokal im Erdgeschoss, das von allen genutzt werden kann", sagt Gómez.

Dass Selbstverwaltung auch viel Arbeit bedeutet, hat er in den vergangenen Monaten gemerkt. „Aber das macht es ja auch aus." Finanzen und Buchhaltung haben die Genossenschafter immerhin schon einmal an eine Agentur übergeben. Bis zum 23. April hat die Kooperative in Santa Maria noch Zeit, um die neun fehlenden Mitglieder zu finden und beim Ivabi offiziell zu beantragen, das Bauprojekt im Carrer Balanguera zu übernehmen. Dann endet die Frist. José Gómez ist guter Dinge, dass sich in den kommenden Wochen genug Leute finden. Mireia jedenfalls scheint überzeugt: „So kann man gemeinsam etwas auf dem Wohnungsmarkt verändern."

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