Vor genau 20 Jahren kauften der gebürtige Hamburger Michael Beecken und seine Frau eine Wohnung in einem Drei-Parteien-Haus in der Siedlung Gotmar nahe Port de Pollença. Einen Großteil des Jahres verbringt der inzwischen pensionierte Norddeutsche seither auf Mallorca. „Wir hatten uns bewusst eine friedliche Ecke der Insel ausgesucht", sagt Beecken. Nun befürchtet er, dass er die meiste Zeit seine Ruhe gehabt hat.

Der persönliche Albtraum des Deutschen und mit ihm der von Hunderten weiteren Anwohnern von Gotmar begann irgendwann Anfang Februar. Da rückte zunächst ein Bagger an und begann, mit einem riesigen Meißel das Erdreich eines Grundstücks am Carrer L'Oronella abzutragen. Kurz darauf kam ein weiterer hinzu, dazu noch mehrere Lastwagen, die das abgetragene Erdreich wegfuhren. „Die Hydraulikmeißel, mit denen die Bagger den Fels aushöhlten, machten einen ohrenbetäubenden Lärm", sagt Beecken. Von acht Uhr morgens bis etwa 19 Uhr abends sei die Gegend rund um die Baustelle quasi unbewohnbar gewesen - und das knapp drei Monate lang, bis dann Anfang Mai die Aushub­arbeiten beendet waren.

Jetzt öffnet sich ein rund zehn Meter tiefes Loch im Fels. Beecken schätzt, dass etwa 1.000 Kubikmeter Fels weggemeißelt wurden. „Wenn man sich entscheidet, an einem Hang zu bauen, sollten dann die Architekten und Bauherren nicht in der Lage sein, die Häuser derart in den Fels zu planen, dass ein minimaler Eingriff in die Landschaft erforderlich wird?", fragt Beecken.

Die MZ hat sich vor Ort ein Bild von den Bauarbeiten gemacht. Das Loch klafft wie eine offene Wunde im Berg, die Verhältnismäßigkeit scheint nicht mehr gewahrt - schon gar nicht, wenn man von der Baufirma Epic erfährt, dass hier gerade mal ein einziges Einfamilienhaus entstehen soll. Von rücksichtsloser Planung spricht Beecken und kann nicht nachvollziehen, wie derartige Eingriffe in den Berg genehmigt werden können.

Der für Stadtplanung zuständige Gemeinderat von Pollença, Bartomeu Cifre, selbst Architekt, versteht auf MZ-Anfrage das Problem nicht. „Die Gegend ist seit knapp 40 Jahren als Bauland ausgewiesen. Wir können das nur rückgängig machen, indem wir Millionen-Entschädigungen zahlen", sagt Cifre. Zwar sei seine persönliche Meinung und die seiner Partei Més ebenfalls, dass der Hügel in Gotmar nicht unbedingt bebaut werden sollte, aber diese Entscheidung sei nun mal vor mehreren Jahrzehnten gefallen. „Wenn alle Auflagen erfüllt sind, darf hier gebaut werden, auch wenn uns das vielleicht nicht gefällt. Da kann der Bürgermeister gar nichts anderes machen, als zu unterschreiben", sagt Cifre.

Was die Lärmbelästigung und die unverhältnismäßigen Eingriffe in den Berg angeht, hat Cifre kein Mitleid. „Das ist ein ganz gewöhnliches Bauprojekt, man kann den Leuten ja wohl kaum verbieten, einen Kellerraum zu bauen", sagt Cifre in Anspielung auf den enormen Aushub, der nur den Schluss zulässt, dass hier eine große Garage gebaut werden soll. Ein Fenster ist zumindest in dieser Tiefe nicht möglich.

Michael Beecken hat nun Angst, dass weitere Projekte dieser Größenordnung folgen könnten. Bei einer Bergbegehung zeigt er der MZ, dass zahlreiche weitere Grundstücke am Hang ebenfalls zum Verkauf stehen. „An einigen hat man vor Kurzem damit begonnen, farbige Markierungen zu ziehen. Ich fürchte, da wird demnächst auch gebaut." Bartomeu Cifre bestätigt: „Davon darf man ausgehen, mehrere Lizenzen sind bereits erteilt."

Es werde auch weitere massive Aushube am Berg geben. Dass es nach Jahren der Pause ausgerechnet jetzt zu der erhöhten Bautätigkeit in Gotmar kommt, erklärt sich Cifre mit dem Ende der Krise. Es werde wieder gebaut, in Gotmar seien allerdings nur noch die weniger gefragten Grundstücke übrig, die nun eben auch erschlossen würden. „Die guten Lagen sind alle längst bebaut. Jetzt kommen die steilen und nach Norden ausgerichteten Grundstücke auch noch dran", sagt Cifre.

Beecken wird also auch in den kommenden Monaten und Jahren mit Baulärm und Hydraulikmeißeln zu rechnen haben. „In diesem Fall überlegen wir uns tatsächlich ernsthaft, die Wohnung zu verkaufen", sagt der Deutsche, der schon darüber nachgedacht hat, eine Bürgerinitiative zu gründen. Einziges Trostpflaster ist derzeit der sommerliche Baustopp in touristischen Gebieten. Zwischen dem 15. Juni und dem 30. September darf im Freien nicht gebaut werden.