Monatelang war Reinhard Mosel (Name geändert) im Jahr 2017 auf der Suche nach einer bezahlbaren Finca auf Mallorca. Nach einer Scheidung in Deutschland wollte der 51-Jährige aus Rheinland-Pfalz mit einer neuen Lebensgefährtin, die von der Insel stammt, ein neues Kapitel beginnen. Auf Mallorca fanden beide ihr Glück und ein neues Heim - scheinbar. Jetzt steht Mosel vor einem Scherbenhaufen: Er hat einen Abrissbescheid für seine Finca auf dem Küchentisch liegen.

Der Reihe nach: Mosel hatte die Hoffnung auf eine günstige Finca schon aufgegeben, als er auf die Anzeige eines Maklers aufmerksam wurde, der eine Finca zwischen Llucmajor und Randa nahe dem charakteristischen Puig de ses Bruixes anpries. „Laut Beschreibung des Maklers war die Finca legal", erzählt Mosel der MZ. Das Haus sei in einem „sehr renovierungsbedürftigen Zustand" gewesen, das Dach einsturzgefährdet. Mehrfach habe sich Mosel nach eigenen Angaben vor dem Kauf bei Makler und Besitzer erkundigt, ob denn tatsächlich alles legal ist. Ein Katasterauszug lag vor. Darin war das Haus genau wie im Grundbuchauszug als „Vivienda unifamiliar aislada" mit einer Gesamtfläche von 127 Quadratmetern ausgewiesen. Der Kaufpreis von 100.000 Euro sowie der schöne Blick auf Llucmajor und bei klarer Sicht sogar bis Cabrera ließen Mosel dann zuschlagen. „Ich war allerdings schon stutzig, dass der Kaufpreis mehrfach von einst 180.000 Euro auf dann nur noch 100.000 Euro gesenkt worden war", sagt er.

Aus heutiger Sicht war Mosels Problem, dass er das Haus, das auf dem Grundstück steht, umfassend renovierte. Stunden um Stunden in Eigenarbeit steckte er in das Häuschen. „Bekannte haben mich dann darauf hingewiesen, dass ich besser beim Bauamt eine Genehmigung für die Renovierung beantragen sollte", sagt Mosel. Mit den Unterlagen lief er zum Bauamt. Dann bot sich ein Mittelsmann an, für 5.000 Euro alle Genehmigungen einzuholen. Mosel willigte ein, dachte, damit sei alles in Ordnung. Ein Jahr lang hatte er seine Ruhe.

So erkennen Sie eine illegale Finca

Lizenz für eine Hütte

Bis im Juli 2018 ein Mitarbeiter des Bauamts vor seinem Tor stand und erklärte, dass eine Anzeige wegen illegaler Bauarbeiten vorliege. Nach einer Begehung der Finca, in der der Gemeindemitarbeiter die Details dokumentierte, begleitete Mosel ihn zum Bauamt. Dort stellte sich heraus, dass es keinen Antrag und somit keine Genehmigung zur Renovierung gab. Außerdem: Das Haus ist illegal und besitzt lediglich eine Baugenehmigung für eine Hütte mit acht Quadratmetern und ein Wasserbecken, das der Vorbesitzer zu einem Pool umgebaut hatte. Mosel wurde mitgeteilt, dass aufgrund der illegalen Renovierung das gesamte Haus abgerissen werden müsse. Der Deutsche nahm sich eine Anwältin, die nach kurzer Zeit per WhatsApp das Mandat niederlegte. Und auch ein zweiter Anwalt formulierte bislang nur einen Widerspruch, danach hörte Mosel nichts mehr von ihm. Beiden zahlte er vierstellige Summen im Voraus.

Dann stand Ende Juli plötzlich an einem Samstagabend gegen 20.30 Uhr ein Mitarbeiter des Bauamts vor dem Tor und wollte der Lebensgefährtin von Mosel ein Dokument übergeben, in dem der Abriss des Hauses angeordnet wurde. Diese lehnte ab. Am vergangenen Montag hat Mosel den Abrissbescheid bei der Gemeinde abgeholt.

Was das Rathaus von Llumajor zu dem Problem sagt

Mosel ist in dieser Gegend nicht der Einzige, dem ein Abriss blühen könnte. Etliche der Häuser, die nördlich von Llucmajor auf großen Grundstücken errichtet wurden, sind illegal und stehen teilweise sogar in besonders geschützten Gebieten, den sogenannten ANEIs. Verkauft werden Fincas in diesem Bereich freilich immer noch. Im Internet wird man nach ein paar Klicks fündig. Bei Idealista etwa werden einige Fincas für knapp unter oder knapp über 100.000 Euro angeboten. In manchen Beschreibungen steht direkt dabei, dass das Haus keine Eigentumsurkunde, die sogenannte escritura, besitzt. Wie viele der dort angebotenen Fincas legal sind, ist schwer zu beurteilen. Bei manchen Anzeigen heißt es, dass eine Genehmigung zur Renovierung vorliege. Das zu glauben, fällt in diesem Gebiet

allerdings schwer.

Einfach wieder vermietet

Die Finger von einer Renovierung gelassen hätten besser auch Claudia Lechenich und ihr ehemaliger Lebensgefährte, als sie 2011 eine Finca ganz in der Nähe des Grundstücks von Mosel für 240.000 Euro kauften. Das Areal samt des 121 Quadratmeter großen Häuschens gehörte vorher einem spanischen Paar. Rund vier Jahre lang lebte Claudia Lechenich in dem Haus, bis im September 2015 auf einmal ein Polizist auf ihr Grundstück kam und ihr einen Abrissbescheid zustellte. „Wir wurden beschuldigt, rund 20 Quadratmeter an das Haus angebaut zu haben, dabei stand ein Großteil der Anbauten schon, bevor wir einzogen", sagt Lechenich. Sie nahm sich einen Anwalt, der Kontakt zu den Vorbesitzern aufnahm, um über eine Rückabwicklung des Kaufs zu verhandeln. Beim Bauamt bekam Lechenich die Auskunft, dass auf dem Grundstück prinzipiell überhaupt kein Gebäude stehen darf, da es sich um ein ANEI handelt. Das allerdings wurde Lechenich von den Verkäufern wohlweislich verschwiegen, wie sie sagt. Eine ganze Zeit lang verhandelte sie über Anwälte mit den Vorbesitzern, die unzureichende Angebote machten. Da flatterte der zweite Abrissbescheid ins Haus. Plötzlich hieß es, dass innerhalb von einem Monat das Grundstück im Originalzustand hinterlassen werden muss, sprich dass ein seit Jahrzehnten dort stehendes Gebäude abgerissen werden muss und alle Kosten der letzte Besitzer tragen muss. Durch den Druck nahm Lechenich schließlich das Angebot der Vorbesitzer an, ihr 158.000 Euro zurückzuzahlen. So machte sie unter dem Strich rund 80.000 Euro Verlust - ganz abgesehen von den psychischen Belastungen, die sie über Monate hinweg zu bewältigen hatte. Am 1. Juli 2017 zog sie aus der Finca aus und lebt seither im Südosten der Insel zur Miete. Kaufen will sie auf der Insel nichts mehr.

Ihre Finca unterdessen steht immer noch - und ist sogar wieder bewohnt. Eine junge deutsche Familie lebt dort seit einiger Zeit. Beim MZ-Besuch kann das junge Paar mit einem kleinen Kind nicht glauben, dass es für das Haus einen Abrissbescheid geben soll. „Das kann gar nicht sein, das Haus hat uns der spanische Besitzer direkt vermietet", erklärt der Mann. Doch selbst, wenn sie demnächst wieder hinausmüssen, die junge Familie hat Glück gehabt. Sie hat das Haus ja nicht gekauft.

MZ-Kommentar: Der gordische Knoten von Llucmajor