Die Bauindustrie und speziell die Zementherstellung sind wahre Klimakiller. Experten schätzen, dass rund acht Prozent des weltweiten CO?-Ausstoßes aus der Zementproduktion stammen, mehr als beim weltweiten Flugverkehr. Und wenn das Haus dann fertig ist, schlagen Heizung und Klimaanlage auf die Energiebilanz. Soll also der Klimawandel aufgehalten werden, darf das Wohnen nicht ausgeklammert werden. Während in Deutschland, Skandinavien und Österreich mehr und mehr Einfamilienhäuser aus Holz und Passivhäuser entstehen, hat sich auf Mallorca noch wenig getan. Doch poc a poc gibt es auf der Insel Architekten und Bauträger, die neue Wege gehen. Ein paar Beispiele gibt es bereits, jetzt kommen auch Mehrfamilienhäuser hinzu.

In den Berg gebaut

So wie etwa OHLAB. Das Büro der beiden jungen Architekten Jaime Oliver und Paloma Hernaiz experimentiert seit ein paar Jahren damit, wie man Wohnungen mit einem möglichst geringen ökologischen Fußabdruck bauen kann. Die beiden Spanier gingen sechs Jahre beim niederländischen Stararchitekten Rem Koolhaas in die Lehre und gewannen mit einem Passivhaus in Gènova beim World Architecture Festival 2016 in Berlin den Preis für das beste Einfamilienhaus der Welt. Zurzeit arbeitet das Paar unter anderem an zwei Projekten in Palma, die in ihrer Art bisher auf der Insel einzigartig sind. Eines davon ist ein Einfamilienhaus in Son Vida, das zum Großteil in den Berg gegraben wird und so als Passivhaus die Erdwärme direkt nutzen kann. Verbraucht ein durchschnittliches Einfamilienhaus üblicherweise rund 100 kWh Strom pro Quadratmeter im Jahr, dürfen es bei einem Passivhaus nur maximal 15 kWh sein.

Das andere Projekt ist ebenfalls ein Passivhaus, das derzeit am Paseo Mallorca entsteht und nach Aussage von Jaime Oliver mit seinen acht Geschossen das größte Passivhaus der Insel wird. Die Energie-Ersparnis schaffen die Architekten vor allem dank der aus Holz gefertigten Lamellen, die vor die Fenster der Wohnungen gebaut werden. „Je nach Sonneneinstrahlung kann man diese Lamellen öffnen oder schließen und so im Winter die Sonne hereinlassen und sie im Sommer abschirmen", sagt Jaime Oliver der MZ. Beim Bau des Gebäudes, von dem derzeit das Fundament steht, habe man sich allerdings doch noch für herkömmliche Baumaterialien wie Glasfaserbeton und Fertigbeton mit integrierter Dämmung entschieden. Zu Beginn des Projekts hatte man bei OHLAB darüber nachgedacht, ob die gesamte Struktur des Gebäudes aus Holz bestehen soll. „Denn ich bin überzeugt davon, dass Holz das Baumaterial der Zukunft ist", sagt Oliver. Allerdings sei das Gebäude mit acht Stockwerken für Wohnungen und drei Kellergeschossen doch ein wenig zu hoch. Zumindest traute sich OHLAB den Schritt noch nicht zu.

Die deutschen Investoren

Diesen Schritt, ein Mehrfamilienhaus gänzlich aus Holz zu bauen, wollen zwei Deutsche in Palma bestreiten. Bernd Pfennings und Frank Klix, zwei Jugendfreunde, die sich bereits seit über 50 Jahren kennen, gründeten im vergangenen Jahr die Firma BIC (Balear Immobilien Consult), erwarben ein Eckgrundstück am Carrer Aragó in der Nachbarschaft der Ringautobahn, rissen das dort stehende 70 Jahre alte Haus nieder und wollen dort nun mit dem sogenannten Projekt A180 ein sechsstöckiges Gebäude mit insgesamt 19 Wohnungen errichten. Die beiden deutschen Investoren beauftragten das Architekturbüro Aulets in Palma mit der Planung.

BIC arbeitet bei diesem Projekt mit dem baskischen Holzbau-Spezialisten Egoin zusammen. Das Unternehmen aus der Nähe von Bilbao baut Holz für die Baubranche an, vorrangig die sogenannte Monterrey-Kiefer, die ursprünglich aus Mexiko stammt und eine sehr schnellwüchsige Pflanze ist. „Überhaupt ist man in Spanien auf einem guten Weg, was den Holzanbau betrifft. Derzeit wächst statistisch gesehen alle 60 Sekunden das Holz heran, das für den Bau eines Einfamilienhauses nötig wäre. Das Holz für unser Projekt A180 wächst in 24 Minuten", sagt Pfennings, als er die MZ in seinem Büro im Zentrum von Palma empfängt. Lediglich die Außenfassaden des Hauses werden statt aus Holz aus Kork bestehen. Auch das A180 wird ein Passivhaus.

Dämmung mit Poseidongras

Schon länger beschäftigt man sich auf Mallorca bei der balearischen Wohnungsbehörde IBAVI mit nachhaltigem Bauen. Bekannt wurde vor allem das Projekt „Life Reusing Posidona", bei der Poseidongras für die Dämmung von neuen Sozialwohnungen benutzt wurde. Die Bilanz fiel beim IBAVI-Architekten Carles Oliver rundum positiv aus. „Es gab bisher keine Klagen, die Bauweise hat hervorragend funktioniert", sagt er der MZ. Los ging es mit einem Projekt auf Formentera, wo mehrere Reihenhäuser unter anderem mit dem Poseidongras isoliert wurden. Das Projekt gewann den spanischen Architekturpreis 2019. Inzwischen sind auch Sozialwohnungen in Palma und auf Ibiza geplant. „Allerdings geht es nicht nur um das Poseidongras. Nachhaltiges Bauen heißt bei uns auch, dass wir bei unserem neuen Projekt in Palma beispielsweise die Mauern aus Marés-Stein von der Insel bauen und das Dach aus einer Holzkonstruktion."

Auch aufgrund der Materialien, die teils von der Insel kommen, müssen ökologisch gebaute Häuser nicht teurer sein als herkömmliche. Jaime Oliver von OHLAB spricht von einem Preisaufschlag von etwa fünf Prozent, Bernd Pfennings sagt, die Preise seien womöglich sogar etwas günstiger als vergleichbare Neubauwohnungen in Palma. Was auch mit der deutlich schnelleren Bauzeit zusammenhängt, weil die Holzstruktur schnell aufgebaut ist. Die kleinste Wohnung im A180, 75 Quadratmeter groß, kostet 240.000 Euro. Das Penthouse auf dem Dach mit großer

Terrasse und Privatpool 750.000 Euro.

Die Kunden seien bunt durchmischt, sagen Bernd Pfennings und Jaime Oliver. Die Interessenten für die beiden Mehrfamilienhäuser seien häufig Spanier, aber auch ausländische Insel-Residenten, während die Villa in Son Vida ein Auftrag einer deutschen Familie ist. Passivhäuser oder Holzhäuser sind indessen beim Dilemma mit den Baulizenzen nicht außen vor. Jaime Oliver und Bernd Pfennings kritisieren die langen Wartezeiten für die Genehmigungen. „Wir hatten den Baubeginn für Dezember geplant, jetzt wurde die Lizenz aber schon auf mindestens März verschoben", sagt Pfennings und beklagt mangelndes Interesse vonseiten einer Inselpolitik, die vorgibt, auf Nachhaltigkeit zu setzen. „An uns ist bisher niemand herangetreten", bedauert er.