Die angekündigten temporären Enteignungen von ungenutzten Immobilien, um sie als Sozialwohnungen zu nutzen, hat im Immobiliensektor auf Mallorca für Erschütterung gesorgt. Die Hauptsorge: Das Reizwort "Enteignung" könnte Investoren verschrecken, die bei künftigen Projekten die Rechtssicherheit bangen.

"Diese Maßnahme hat Angst ausgelöst", erklärt Luis Martín als Vorsitzender des Bauträgerverbands auf den Balearen. "Wir haben Anrufe von nationalen und internationalen Investoren erhalten, die sich Sorgen machen, ob sie enteignet werden könnten. Und leider müssen wir ihnen antworten, dass diese Möglichkeit jetzt besteht", so Martín.

Im Namen der Bauträger kritisiert Martín, dass die Balearen-Regierung auf diese Weise gegen Investmentfonds und Banken agitiert. "Das sind genau diejenigen, die neue Bauvorhaben finanzieren. Und indem man sie angreift, richtet man schweren Schaden in der Branche und in der Wirtschaft an. Man investiert nicht so leicht, wenn unumstößliche Dinge plötzlich umstößlich werden", ärgert sich Martín.

Deutliche Kritik kommt auch vom deutschen Immobilienunternehmer Lutz Minkner auf Mallorca. In einem Beitrag auf der Website des Unternehmens Minkner & Partner heißt es: "Die Enteignungsmaßnahme der Linksregierung belegt die Unfähigkeit der Balearen-Regierung, das Wohnungsproblem zeitnah zu lösen. Nach Regierungsangaben besteht derzeit eine Warteliste von 4.000 Familien, die sozialen Wohnungsraum benötigten. Durch die Pandemie steigt die Zahl der Bedürftigen ständig. Die im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus neu gebauten Wohnungen können nur einen geringen Prozentsatz des Bedarfs decken. Der jetzige Enteignung von Banken und Fonds ist ein Akt der Hilflosigkeit und des Unvermögens und manifestiert die irrige Ansicht, es sei Aufgabe von Banken und Investoren sozialen Wohnraum zu schaffen." Die Aktion werde vor dem Verfassungsgericht enden, und man dürfe Vertrauen in die spanische Justiz haben.

Kritik auch von der anderen Seite

Anderen geht die von der Landesregierung angekündigte Maßnahme nicht weit genug. Es handelt sich um ein Instrument, das im Wohnungsgesetz vorgesehen ist, welches bereits im Jni 2018 beschlossen wurde. "Es ist peinlich, dass nach so langer Zeit nun eine Enteignung von 56 Wohnungen angekündigt wird, wenn auf der Liste leerer Wohnungen zeitweise bis zu 1.300 Objekte stehen", sagt Víctor Cornell, der als Anwalt diejenigen vertritt, die Probleme haben, ihren Wohnungskredit zu zahlen und deswegen teilweise auf der Straße landen. In dieser Funktion war Cornell an der Ausarbeitung des Wohnungsgesetzes von 2018 beteiligt.

Nicht alle dieser leer stehenden Immobilien sind als Sozialwohnungen geeignet, gibt Cornell zu. Aber die Zahl von 56 sei "sehr klein". Der Anwalt bewertet den Schritt der Balearen-Regierung grundsätzlich als positiv, aber eben zu vorsichtig: "Wir haben ihnen eine Liste von 300 leerstehenden Wohnungen eines Investmentfonds gegeben, damit sie das überprüfen, und wir haben nicht einmal ein Dankeschön gehört."

Privateigentum ist von der Verfassung geschützt

Der Berufsverband der staatlich registrierten Immobilienmakler (Colegio Oficial de Agentes de la Propiedad Inmobiliaria, Coapi) ist ebenfalls empört, aber aus anderem Grund. "Wir haben ein oberstes Gesetz, die Spanische Verfassung, und die schützt das Recht auf Privateigentum. Selbstverständlich hat die Wohnung eine soziale Funktion, aber man kann niemanden dazu zwingen, zu einem bestimmten Preis zu vermieten. Es handelt sich um eine populistische Maßnahme, die viele verprellen kann", kommentiert Natalia Bueno als Vorsitzende von Coapi auf den Balearen.

Hintergrund

Die Balearen-Regierung hatte am Dienstag (2.3.) angekündigt, die Eigentümer von 56 Wohnungen auf den Balearen für sieben Jahre zu enteignen, um dringend benötigte Sozialwohnungen zu schaffen. Enteignet - und entsprechend entschädigt - werden ausschließlich Immobilien von Eigentümern, die mindestens zehn Wohnungen besitzen, die seit mindestens zwei Jahren völlig ungenutzt leerstehen.

Die Linkskoalition aus Sozialisten, Més und Unidas Podemos (UP) bewarb das Vorhaben als Maßnahme, um die Wohnungsnot zu hindern, indem man leerstehende Wohnungen von Banken oder Investmentsfonds bedürftigen Familien zur Verfügung stelle. Der konservative Oppositionsführer Biel Company (Volkspartei, PP) kritisierte den Schritt als Populismus im Stile einer venezolanischen Diktatur. /tg