Durchschnittlich 20 Jahre dauert es, bis eine auf Mallorca heimische Aleppo-Kiefer eine Höhe von 15 Metern erreicht. Das geht bei einem aus Kiefernholz gebauten Haus wesentlich schneller. Bereits nach neunmonatiger Bauzeit soll in Palmas Hafenviertel Molinar das höchste jemals auf den Balearen gebaute Mehrfamilienhaus aus Holz im September bezugsfertig sein. Und auf seinen vier Geschossetagen ebenso viele Haushalte beherbergen.

Gepflanzt hat es Pere Linares, CEO des Bauunternehmens House Habitat mit Sitz in Barcelona. Seit 2005 entwerfen und bauen Linares und sein Team Ein- und Mehrfamilienhäuser nach streng ökologischen Kriterien. Rund 80 solcher Wohnungs- und Hausprojekte auf dem spanischen Festland wurden bereits von der Firma umgesetzt.

„Das derzeit in Molinar entstehende Haus ist nicht nur das höchste Wohngebäude der Balearen in reiner Holzbauweise, sondern auch das erste mit offizieller deutscher ­Passivhaus-Zertifizierung, also dem weltweit strengsten Nachweis für energieeffizientes Bauen", sagt Linares nicht ohne Stolz. „Im ­Vergleich zu Häusern konventioneller Betonbauweise reduziert sich der Energieverbrauch in unserem Holzhaus um bis 90 Prozent."

Linares, der bis zur Gründung von House Habitat für verschiedene Unternehmen in der spanischen Hochbaubranche tätig war, hörte auf Geschäftsreisen durch Zentral- und Nordeuropa erstmals von ökologischem Holzwohnungsbau. „In Finnland werden mehr als drei Viertel aller Häuser nach diesem Konzept gebaut. Und in Deutschland sind bereits über 16 Prozent aller Neubauten aus Holz. Das fand ich beeindruckend." Vor allem auch deshalb, weil Holz als Baustoff einen wichtigen Beitrag zum Umweltschutz. „Es ist der einzige Rohstoff der Welt, der in der Lage ist, Kohlendioxid aus der Luft zu binden und zu speichern", erklärt Linares.

Im Fall des Mehrfamilienhauses in Molinar, bei dem rund 185 Kubikmeter Holz zum Einsatz kommen, betrage die Gesamtmenge an gebundenen CO2-Emissionen der Füllmenge von 37 Olympiaschwimmbecken - also 50x25x2 Meter. Allerdings fragt man sich, wie viele Bäume für den Bau eines solchen Öko-Passiv-Holzhauses gefällt werden müssen. „Wir verwenden zum Bau das Holz von Kiefern, die aus einer Baumschule in den baskischen Pyrenäen stammen und dort auch in nachhaltiger Form gezogen werden", sagt Linares. Dieses Holz wird anschließend in sogenannte querverleimte CLT-Platten (Cross Laminated Timber) verwandelt. Sie dienen als vorgefertigte Elemente für Decken-, Wand- oder Dachbauteile, die dann in die tragenden äußere Holzrahmenkonstruktion eingesetzt werden. Bei der Verkleidung der Zimmerwände kommen Gipskarton oder Holzwerkstoffe zum Einsatz, Zwischenräume werden mit Dämmmaterial gefüllt. „Ganz ähnlich wie bei einem Fertigbauhaus", erklärt Pinares.

Im Gegensatz zu Skandinavien, Belgien, Deutschland oder Österreich steckt das Öko-Holzbau-Konzept in Spanien noch in den Kinderschuhen. Doch das scheint sich langsam aber sich zu ändern. „Holz galt bisher als billiger, qualitativ minderwertiger Baustoff, der in der Regel nur zum Bau von Gartenlauben oder Wochenendhütten etwas taugte." Noch bis vor ein paar Jahren erkannte die spanische Architektenkammer Holzrahmenkonstruktionen oder die Verwendung von CLT-Platten für den Bau von Wohngebäuden hinsichtlich ihres ­bedenkenlosen Tragvermögens und den bestehenden Vorgaben für Wärme- und Feuchtigkeitsdämmung nicht an. Das ist mittlerweile anders. „Unsere erste Kunden waren Deutsche, die in Barcelona lebten", erinnert sich Linares. „Die musste man gar nicht erst von den Vorteilen eines Öko-Holzhauses überzeugen." Bei den Spaniern war dagegen sehr viel mehr Aufklärungsarbeit nötig. Derzeit machten Einheimische bereits 80 Prozent der Kunden aus.

Auch die gesundheitliche Aspekte spielten für viele Kunden eine entscheidende Rolle. „Die feuchtigkeitsregulierende Zellstruktur von Holz gewährleistet gerade auf einer Insel wie Mallorca ein ganzjährig angenehmes Wohnklima", meint Linares. Ganz groß auf die Fahne geschrieben habe sich sein Unternehmen zudem, keinerlei chemische oder andere möglicherweise krankheitserregende Baustoffe zu verwenden. „Für die Dämmung kommen bei uns nur natürliche Materialien wie Flachs zum Einsatz. Die Wände werden mit Kalkfarbe abgedeckt. PVC-Fenster sind bei uns natürlich ebenfalls tabu. Auch sämtliche Klebstoffe und Dichtungsmaterialien bestehen zu 100 Prozent aus chemiefreien Stoffen."

Klingt eigentlich nach dem perfekten Wohnbaukonzept. Doch wie schlägt sich das auf den Preis nieder? „Die Baukosten für die Holzrahmenstruktur eines Gebäudes sind fast annähernd gleich wie bei einem Betonhaus. Holz ist als Baumaterial natürlich teurer als ­Betonblöcke und Zement. Dafür sind die Arbeitskosten aufgrund der sehr viel kürzeren Fertigstellungszeit erheblich niedriger." Das gleiche sich aus. Um das Skelett eines vierstöckiges Mehrfamilienhaus in Holzrahmenbauweise zu errichten, reichten gerade einmal elf Tage. Beim Stahlbeton bräuchte man dazu ­Monate. Anders sehe es allerdings beim Innenausbau aus. Um ein Haus in ein Passivhaus zu verwandeln, seien spezielle Dämmungssysteme notwendig. Das sei natürlich nicht billig.

Pere Linares blickt dennoch zuversichtlich in die Zukunft. Gerade auf Mallorca. Hier seien bereits sieben oder acht Projekte in Planung, darunter eine Anlage mit knapp 80 Wohneinheiten. Gerade in diesen ungewissen Zeiten sei das Holzbaukonzept für viele Bauträger interessant. Im konventionellen Stahlbetonbau vergingen von der Planung bis zur Fertigstellung meist Jahre. Das Risiko, dass Anlegern und Investoren dabei aufgrund von Krisen das Geld ausginge, sei nicht zu unterschätzen. Holzhausprojekte dagegen ließen sich von den ersten Bauplänen bis zur Schlüsselübergabe innerhalb weniger Monate realisieren. Der Wald ruft, möchte man fast meinen.