Eigentlich schien dem Plan von Holger Wagner nichts im Weg zu stehen. Der Hannoveraner, der seit mehr als 25 Jahren auf Mallorca lebt, wollte ein barrierefreies, altersgerechtes Haus bauen, um mit seiner Frau den Lebensabend ohne lästiges Treppensteigen verbringen zu können. „Ich habe das Geld, ich habe das Know-how, und ich habe die Kontakte", sagt der 59-Jährige, der unter Knieproblemen leidet. Schon lange betreibt der gelernte Kfz-Meister eine Baufirma auf der Insel, ist mit der Materie vertraut. „Ich hätte nicht gedacht, dass plötzlich alles so schieflaufen könnte."

Es war im Oktober 2014, als Wagner ein Baugrundstück in einer Urbanisation der Gemeinde Capdepera erwarb, nicht weit von seinem jetzigen Wohnsitz entfernt, der dem Ehepaar mit den Jahren viel zu groß geworden war. Wagner beauftragte einen Architekten und ließ von einer darauf spezialisierten Firma den Baugrund detailliert vermessen - nicht zuletzt, weil das Grundstück sowohl am Hang liegt als auch ein horizontales Gefälle verzeichnet. Bereitwillig führt Wagner die MZ-Reporterin über das Grundstück, auf dem bereits der Rohbau des Hauses steht. „Das Haus ist unterkellert, der Wohnbereich liegt darüber und ist barrierefrei."

Im März 2015 reichte Wagner beim Bauamt der Gemeinde Capdepera und bei der balearischen Architektenkammer den Bauantrag ein. Formgemäß erstellten die Experten Bodengutachten, analysierten die Bauplanung und erteilten im August 2016 nach dreimaliger Änderung und anderthalb Jahren Wartezeit die Baugenehmigung.

„Alles war korrekt eingetütet, also startete ich mit meinen eigenen Mitarbeitern in die Bauphase." Ohne Eile, aber doch zielstrebig, gingen die Arbeiten voran. Bis Wagner im Februar 2019 die Hiobsbotschaft erreichte: Es werde ein Baustopp verhängt, die Vorgaben seien nicht eingehalten worden, hieß es in einem Schreiben des Bauamts. Dabei, versichert Wagner, sei alles genau wie auf dem Papier geplant ausgeführt worden. „Ein Nachbar hatte ein halbes Jahr zuvor einen Antrag auf Überprüfung gestellt. Hätte ich das früher gewusst, hätte ich die Arbeiten früher gestoppt."

Eine zweite Topografie wurde angefertigt, die Gutachter kamen zu dem Ergebnis, dass eine Ecke des Hauses - eigentlich als Arbeitszimmer geplant - 87 Zentimeter höher sei als erlaubt. „Es hat mich gewundert, da ja zuvor sowohl der Architekt und der Statiker als auch der Mitarbeiter im Bauamt grünes Licht gegeben hatten. Aber natürlich war ich bereit, das Dach zurückzubauen und aus dem Bürozimmer eine Terrasse zu machen." Wieder sei alles mit den zuständigen Experten und Behörden geplant und besprochen worden, im Januar 2020 reichte Wagner die abgeänderten, von der Architektenkammer bewilligten und von einem Bauamtsmitarbeiter für gut befundenen Pläne im Bauamt ein.

Umso erschütternder die Antwort der Behördenleitung: Nicht nur das Bürozimmer müsse zurückgebaut werden, sondern auch die gesamte Decke des angrenzenden Wohnzimmers, die eigentlich bereits abgesegnet gewesen war. Wagner schaltete einen Anwalt ein, der ihm versicherte, dass es Erfolg versprechend sei, die Gemeinde und den Architekten zu verklagen. „Aber das würde sich über Jahre hinziehen, wäre nervenaufreibend und hätte nichts mit der Ruhe zu tun, die ich und meine Frau uns erhofft hatten." Schlichtungsversuche habe das Rathaus abgelehnt, eine MZ-Anfrage zum Fall ließ das Bauamt unbeantwortet.

„Eigentlich wollten wir schon seit gut anderthalb Jahren in dem Haus wohnen. Nun ist uns die Lust vergangen", sagt Wagner. Er wolle verkaufen und hofft, wenigstens die bisher investierten 330.000 Euro zurückzuerlangen. Groll hege er nicht, nicht einmal gegen den Nachbarn. Vielmehr sei er enttäuscht darüber, dass er sich nicht auf die behördlichen Genehmigungen verlassen könne. „Das Schlimmste ist diese Rechtsunsicherheit. Ich kann jedem nur raten, vorsichtig zu sein."